UNHCR-Bericht: In Flüchtlingscamps der Entwicklungsländer geht es ums Überleben
In Entwicklungsländern haben die Menschen in den Flüchtlingslagern weiterhin existenzielle Ängste. Der 22-jährige Afghane Ajab Khan leidet beispielsweise an Hämophilie, einer Erbkrankheit, bei der die Blutgerinnung gestört ist. Häufig kommt es auch zu spontanen Blutungen, die ohne sichtbare Wunden auftreten und unentdeckt zum Tod führen können. „Ich wollte immer etwas zur Gesellschaft beisteuern und meine Familie beim Bestreiten des Lebensunterhaltes unterstützen. Doch jedes Mal, wenn ich Medikamente kaufen musste, war ich auf ihre Hilfe angewiesen“, sagt Khan. Im Jahr 1979 flohen seine Eltern vor der Sowjet-Invasion in das nahegelegene iranische Flüchtlingslager „Shahid Nasseri“, wo er wie viele andere Flüchtlinge aufgewachsen ist und bis heute noch mit 5.000 weiteren afghanischen Flüchtlingen lebt. Da er von Spenden leben muss, war seine Perspektive seit jeher begrenzt. Wohnraum, Arbeit, Gesundheit – für Khan alles keine Selbstverständlichkeit. Mithilfe des lokalen UNHCR-Spendenfonds wurde es ihm jedoch ermöglicht, sein Leben fortan selbstständiger zu führen. UNO-Flüchtlingskommissar António Guterres geht von einer immensen Wirkung des Programms auf das Leben der Flüchtlinge in Entwicklungsländern aus und hofft, dass sich neben Iran noch weitere Länder anschließen, um Flüchtlinge mit hohen Gesundheitskosten unterstützen zu können. 1) unhcr.org: Responding With Livesaving Support – Stand 20.Juni 2016
In afrikanischen Flüchtlingslagern ist die Lage oft noch prekärer. Jacqueline Umutesi flüchtete als 14-Jährige vor der Gewalt im Kongo. Ein Jahr nach ihrer Ankunft im Flüchtlingslager Mudende in Ruanda eröffnete eine Miliz das Feuer und ermordete hunderte Menschen. Diejenigen, die das Massaker überlebten, flohen in das nahegelegene Flüchtlingslager Gihembe, wo heute über 14.500 Kongolesen leben. Doch auch dort ging das Leid für Umutesi weiter. Ein Jahr nach ihrer Ankunft wurde sie Opfer der traditionellen Ehefrau-Entführung. Mitten in der Nacht stülpten Männer des kongolesischen Militärs ihrer Mutter eine Plastiktasche über den Kopf und zerrten die damals 17-Jährige mit sich, um sie zu vergewaltigen. Als sie daraufhin schwanger wurde, heirate sie der Vater des Kindes. Für die nächsten zwei Jahrzehnte war das Leben Umutesis von Gewalt, Erniedrigung und Entbehrung geprägt. „Auch als ich schwanger wurde, biss mich mein Ehemann. Er schlief oft mit anderen Frauen und bekam schließlich HIV. Daraufhin wurde er sauer und setzte mein Haus in Brand. Schließlich zog ich zu meiner Mutter“, erzählt die heute 47-Jährige. Utumesi engagiert sich nun innerhalb eines UNHCR-Partnerprogramms für sexuelle Gleichberechtigung. Dabei konnte sie die Bestrafung für traditionelle Ehefrau-Entführungen durchsetzen und die gesellschaftliche Akzeptanz für physische und sexuelle Gewalt gegenüber Frauen mindern. 2) unhcr.org: Safeguarding Fundamental Human Rights – Stand 20.Juni 2016
Der jährliche globale Bericht des UNHCR ist nun zum Weltflüchtlingstag veröffentlicht worden und demonstriert mit verblüffenden Statistiken und der Vorstellung einiger lokaler Einzelprojekte das Gesicht der Flüchtlingskrise. Das Ziel der Organisation ist es, die Rahmenbedingungen für den Flüchtlingsschutz weltweit zu verbessern und als „Hüter“ der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) von 1951 Schutzsuchenden ein faires und rasches Asylverfahren zu garantieren. Laut der GFK müssen Flüchtlinge „. . . aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung…“ außer Landes leben. 3) unhcr.de: Flüchtlinge – Stand 20.Juni 2016
65,3 Millionen Flüchtlinge – diese unvorstellbare Zahl wird in den Medien immer wieder genannt. Sie wirkt abstrakt, gerade zu unrealistisch. Großbritannien zählt zu den Ländern mit der höchsten Bevölkerungsdichte und hat etwa ebenso viele Einwohner. Eine weitere Zahl, die in dem Bericht beeindruckt: Das UNHCR hatte im Jahr 2015 Rekordeinnahmen in Höhe von über sieben Milliarden Dollar. Zu den Spendern gehörten Regierungen, zwischenstaatliche Akteure oder Privatpersonen. Das Geld wurde genutzt um 456 Standorte in 126 Ländern zu finanzieren und die Menschen vor Ort zu unterstützen, indem Asylantenunterkünfte, Flüchtlingslager oder auch Schulen gebaut wurden. 4) reporting.unhcr.org: Global Focus – Stand: 20. Juni 2016
Etwa neun von zehn Flüchtlingen leben derzeit in Entwicklungsländern unter für uns unvorstellbaren Bedingungen. Auch wenn die finanzielle Zuwendung für Organisationen wie das UNHCR in den letzen zwei Jahren markant gestiegen ist, bleibt die Lage vor Ort weiterhin dramatisch. Die Abschottungspolitik und fehlendes Durchgreifen der Politiker hierzulande können dafür verantwortlich gemacht werden. Ob Deals wie beispielsweise das Abkommen mit der Türkei helfen, bleibt zweifelhaft. Indes sind es die kleinen Erfolge der UNHCR-Projekte und anderer Hilfsorganisationen, die Anlass zur Hoffnung im weltweiten Bemühen um Flüchtlingsschutz geben.
Fußnoten und Quellen:
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