Die Minderheit der Araber besetzt nahezu alle Positionen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Das führte über viele Jahrzehnte dazu, dass sie ihre Gebiete bei der Entwicklung des Landes und der Verteilung der Gewinne aus dem Erdölhandel deutlich bevorzugten. 1) EN-PAZ: Konflikt in Sudan: Nordsudan/Südsudan – nicht mehr verfügbar
Britische Kolonialzeit und ihre tödlichen Folgen
Während der britischen Kolonialherrschaft (1899 – 1956) bildeten der Norden und der Süden formal eine Einheit. Tatsächlich verwalteten die Briten die drei südlichsten Provinzen getrennt vom Rest des Landes: Sie konzentrierten sich bei der Entwicklung ihrer Kolonie auf den Norden. Dabei wurde eine „Politik für den Süden“ erschaffen, die wirtschaftliche Entwicklungen blockierte, um „den rein afrikanischen Lebensstil der Menschen im Süden zu bewahren“. 2) CNN: Historic day ahead after decades of war – nicht mehr verfügbar
Die Bewahrung eines „afrikanischen Lebensstils“ bedeutete eine gezielte Unterdrückung der Ausbildung regionaler Regierungsinstitutionen oder der Schaffung einer gebildeten Bevölkerung. Stattdessen wurden Stammesführer mit Privilegien ausgestattet, die niemals vorher über eine derartige Machtfülle verfügt hatten. Die Kolonialverwaltung verbot gezielt Kontakte mit dem höher entwickelten Norden, unterdrückte den Islam und das Arabische im Süden und fragmentierte die Region in einen verwirrenden Flickenteppich von Stämmen und Dörfern. 3) AG Friedensforschung: Sudan/Südsudan: Die tödlichen Folgen des Kolonialismus – Stand 25.11.2015
1947 einten die Briten schließlich den südlichen mit dem nördlichen Teil des Sudans unter einer gemeinsamen Verwaltung, sprachen aber den Eliten des Nordens sämtliche Machtbefugnisse zu. Bis das Land schließlich 1956 seine Unabhängigkeit erreichte, hatten sich im Süden bereits die ersten Rebellenbewegungen gebildet, die gegen die ungerechte Behandlung durch den Norden auflehnten. 4) enough: Roots of the crisis – Sudan – nicht mehr verfügbar
Diese Behandlung durch die Kolonialmacht trägt bis heute entscheidend dazu bei, dass der Sudan ein gespaltener und von Konflikten geprägter Staat wurde. In den kommenden Jahrzehnten folgten neben zahlreichen Auseinandersetzungen zwei der gewalttätigsten und langwierigsten Bürgerkriege Afrikas.
Internationale Nachfrage nach Öl als treibender Faktor des Bürgerkriegs 1983-2005

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1983 erklärte Präsident Nimeiri den Sudan zum islamischen Staat. Der südsudanesische Autonomiestatus wurde aufgehoben. Als direkte Antwort formierte sich die „Sudan People’s Liberation Army/Movement“ (SPLA/M) unter der Führung von John Garang. Der Kampf dauerte 22 Jahre und wurde damit zum längsten und zu einem der blutigsten Bürgerkriege in Afrika. Der Krieg wurde von beiden Seiten grausam und mit allen Mitteln geführt: Mehr als zwei Millionen Menschen verloren durch den bewaffneten Konflikt und seine direkten Folgen ihr Leben, und mehr als vier Millionen wurden, zum Teil mehrmals, vertrieben. 5) GIZ: Südsudan – nicht mehr verfügbar 2005 wurde ein Friedensabkommen zwischen der Regierung in Khartum und der SPLA/M unterzeichnet.
Der Sudan verfügt über die größten Petroleumreserven auf dem Kontinent, von denen sich 75 Prozent im Süden befinden. 6) AG Friedensforschung: Sudan/Südsudan: Die tödlichen Folgen des Kolonialismus – Stand 25.11.2015 Der erste Rohölexport im August 1999 markierte einen Wendepunkt im komplexen Bürgerkrieg des Landes. Die Erlöse aus dem Verkauf des schwarzen Goldes wurden von der Regierung hauptsächlich genutzt, um Waffen zu erwerben und den Konflikt zu intensivieren.

Vertriebene Familie aus dem Südsudan | (c) Wollwerth Dreamstime.com
Gleichzeitig ging Khartum nicht gerade zimperlich mit der lokalen Bevölkerung um, wenn es um die Erweiterung des Ölsektors und die Steigerung der Profite ging. So wurden beispielsweise die Dinka und die Nuer im Südsudan gewaltsam von ihrem Land vertrieben, um dort weiter nach Öl bohren zu können.
Die Förderung von Öl durch ausländische Firmen führte im Sudan nicht nur zu Vertreibungen, sondern auch zu zunehmenden Menschenrechtverletzungen. Die Regierung rechtfertigte ihr Handeln mit der Gewährleistung der Sicherheit für ihre zumeist ausländischen Partner, nämlich große Erdölgesellschaften. Die lokale Bevölkerung würde ein Sicherheitsrisiko für die Ölfelder darstellen, da sie mit den Rebellen sympathisiere, die wiederum als Bedrohung für den Erdölsektor gelten.
Hierbei handelt es sich jedoch um ein hausgemachtes Problem: Bei der Ausweitung der Ölförderung, insbesondere im Süden, wurde die lokale Bevölkerung völlig außer Acht gelassen – geschweige denn am Gewinn beteiligt. Indessen war eines der Markenzeichen beim Vorgehen der Regierung die Anwendung roher Gewalt. 7) Human Rights Watch: Sudan, Oil, and Human Rights – Stand 11.3.2016
Amerika speist den Konflikt mit Waffen

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Die USA setzen sich seit vielen Jahren für den südlichen Sudan ein. So unterstützte die Regierung von Präsident George W. Bush die SPLA/M mit Waffen und Ausbildung und war wesentlich für das Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudans Anfang 2011 verantwortlich. 8) Die Welt: Wer kämpft im Südsudan eigentlich gegen wen? – Stand 26.11.2015 Ihr Motiv war häufig Solidarität mit den überwiegend christlichen Bewohnern, die sich gegen die Muslime im Norden wehrten. Öl spielte dabei jedoch keine geringe Rolle. Die USA befinden sich dabei im Wettstreit mit China, Afrikas Handelspartner Nummer 1 bei Öl und Ressourcen. Im Jahr 2015 hat der Kontinent 25 Prozent des US-Energiebedarfs bereitgestellt. Somit ist eine Reihe von US-Firmen daran interessiert, sich Zugang zum Südsudan zu verschaffen. 9) AG Friedensforschung: Sudan/Südsudan: Die tödlichen Folgen des Kolonialismus – Stand 25.11.2015
Darfur-Konflikt (2003-bis heute) und das Versagen der Weltgemeinschaft

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Seit 2003 kämpfen in Darfur (Westsudan) arabische Dschandschawid-Milizen mit Unterstützung des sudanesischen Militärs gegen örtliche Rebellen, die sich gegen ihre Unterdrückung und Vernachlässigung durch Khartum wehren. Die arabischen Reitermilizen plünderten, verbrannten und zerstörten allein innerhalb von vier Jahren 1.600 Dörfer in Darfur. Die Folge sind anhaltende Hungersnöte, dramatische Menschenrechtsverletzungen und getötete Zivilisten. Der Darfur-Konflikt kann dabei zu den größten humanitären Katastrophen der letzten Jahrzehnte gezählt werden: Seit 2003 starben über 300.000 Menschen, etwa 2,5 Millionen flüchteten. 10) Doku Channel: Darfur, Autopsie einer Tragödie – Stand 04.12.2015 Viele von ihnen leben seither in Camps, in denen sie keineswegs sicher sind. Es wird davon ausgegangen, dass Verbrechen und Unsicherheit in diesen Lagern staatlich organisiert sind. 11) Welt: Der stille Völkermord des Omar Al-Baschir – Stand 02.12.2015 Diesbezüglich wird Präsident Al-Baschir wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag per Haftbefehl gesucht.

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Obwohl der internationale Druck auf die sudanesische Regierung wegen Darfur zunahm, konnte man sich im Sicherheitsrat nicht auf Sanktionen einigen. Etliche Staaten, darunter Großbritannien, die USA und Deutschland kritisierten die Regierung in Khartum scharf. Länder wie Rußland und China verhinderten jedoch ein entschiedeneres Vorgehen. Insbesondere Öl-Konzessionen spielten hier eine Rolle, also wirtschaftliche Interessen. 12) Amnesty International: Darfur – Ursachen, Hintergründe und Entwicklung des Konflikts – nicht mehr verfügbar Zugleich gab es immer mehr Abstimmung zwischen der amerikanischen CIA und dem sudanesischen Geheimdienst. 13) Doku Channel: Darfur, Autopsie einer Tragödie – Stand 04.12.2015 Eine Zusammenarbeit Amerikas mit der sudanesischen Regierung im Rahmen der Terrorismusbekämpfung wurde intensiviert, was bedeutete, dass man die Interessen der nationalen Sicherheit über die Verantwortung für die Opfer von Massenverbrechen und sogar von Völkermord stellt.
Erst als im April 2006 der Sudan eine neue Offensive in Süd-Darfur startete, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat Sanktionen. Mehr als ein Jahr später beschlossen die Vereinten Nationen die Entsendung von 26 000 Blauhelm-Soldaten nach Darfur. „Wir haben weggesehen, bis wir dachten, jetzt wird es Zeit…aber dann war es zu spät“, so der Sonderbeauftragte der UN für den Sudan, Jan Pronk. 14) UN News Centre: Security Council authorizes hybrid UN-African Union operation in Darfur – Stand: 16.3.2016
Der Klimawandel als Kriegstreiber in Darfur
In den letzten 30 Jahren kam es insbesondere im Norden des Sudan zu zunehmender Wüstenbildung und Bodenerosion. Als Resultat gab es immer weniger Weide- und Anbauflächen, die der lokalen Bevölkerung zur Verfügung standen. Die betroffenen Menschen wanderten aus den trockenen Savannengebieten im Norden in die niederschlagsreichen Gebiete in Darfur. Da ein Großteil des Landes dort bereits besiedelt war, kam es zu Konflikten. 15) The Guardian: Darfur conflict heralds era of wars triggered by climate change, UN report warns – Stand 15.3.16 Hauptverursacher für die Wetterveränderungen sind die Industrienationen. 16) bpb: Ein Problem, viele Verursacher – Stand 15.4.2013
Südkordofan und Blauer Nil (2011-bis heute): Sudans vergessener Krieg
So wie die Briten 1956 die Grenze zogen, die immer noch die Grundlage für die Nord-Süd-Trennung ist, gehören Südkordofan und Blauer Nil offiziell zum Sudan. Im 22 Jahre währenden Bürgerkrieg war die Region eine Art Puffer zwischen Nord und Süd. Beide Provinzen hatten allerdings in diesem Krieg auf Seiten des Südens gekämpft. Nach der Unabhängigkeit Südsudans war es vorgesehen, dass die Bevölkerung der beiden Bundesstaaten durch eine Volksabstimmung entscheidet, ob sie wie bisher zum Sudan oder zum neuen Staat Südsudan gehören will. Doch diese Abstimmung fand nicht statt. 17) DW: Sudans vergessener Krieg – Stand 04.12.2015

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Mitte 2011 begann in der Region ein Konflikt zwischen Regierungstruppen und der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung / Armee-Nord (SPLM / AN), der kaum von der Weltöffentlichkeit beachtet wurde. Präsident Umar al-Baschir schickte Panzer und Flugzeuge: Seit Beginn des Konflikts haben tausende Zivilisten unter Luft- und Bodenangriffen der sudanesischen Armee gelitten, viele Schulen und Krankenhäuser wurden absichtlich bombardiert und zerstört. 18) Amnesty International: Südkordofan – ein fast vergessener Konflikt in Ostafrika – nicht mehr verfügbar Der Organisation Human Rights Watch zufolge wurden bei wahllosen Angriffen auch zahlreiche Kinder getötet oder verstümmelt. 19) Der Standard: Vorwürfe: Sudan bombardiert Zivilisten – Stand 04.12.2015 Zugleich hatte die sudanesische Regierung in der Vergangenheit immer wieder bestritten, Zivilisten anzugreifen.
Die humanitäre Lage in den beiden Provinzen Südkordofan und Blauer Nil ist alarmierend: Rund 700.000 Menschen sind von Hunger bedroht. Die Situation in der Region wurde noch dadurch erschwert, dass die sudanesische Regierung bis heute immer wieder den humanitären Zugang zu den Gebieten verweigert hat, mit verheerenden Folgen für die Nahrungsmittelversorgung und die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Eine Million Menschen mussten fliehen: Viele von ihnen sind im Sudan geblieben. Mehr als 200.000 Menschen leben in Flüchtlingslagern im Südsudan oder in Äthiopien. 20) Amnesty International: Südkordofan – ein fast vergessener Konflikt in Ostafrika – nicht mehr verfügbar
Südsudan
Das Friedensabkommen von 2005 zwischen der sudanesischen Regierung und den Rebellen im Südsudan beendete einen der längsten afrikanischen Bürgerkriege. Im Jahr 2011 entstand offiziell ein neuer Staat „Südsudan“, als seine Bewohner mit überwältigender Mehrheit (98,8 Prozent) für die Trennung vom Sudan stimmten. Doch Jahrzehnte des Krieges haben alle Strukturen zerstört. Infolgedessen sind unter der Bevölkerung Armut und Hunger verbreitet, die Infrastruktur ist spärlich und befindet sich in einem schlechten Zustand. Nur 55 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu sauberen Trinkwasserquellen. 21) National Bureau of Statistics: Republic of South Sudan – nicht mehr verfügbar
Südsudanesischer Bürgerkrieg (2013-bis heute): Versunken in Gewalt
Ein Streit Ende 2013 zwischen dem Präsidenten Salva Kiir, einem Mitglied des Dinka Stamms und dem ehemaligen Vizepräsidenten Rick Machar, der den Nuer angehört, stürzte das Land in einen neuen Krieg. Seitdem wurden bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und den von Machar geführten Rebellen zehntausende Menschen getötet. 22) TAZ: UNO warnt vor Katastrophe – Stand 25.11.2015 Städte wurden gebrandschatzt, viele Zivilisten wurden Opfer ethnisch motivierter Massaker und Vergewaltigungen. 4,6 Millionen Menschen sind akut von Hunger bedroht, das sind 40 Prozent der Bevölkerung. 23)Welthungerhilfe: Nothilfe im Südsudan – Stand 25.11.2015 Derzeit befinden sich 2,3 Millionen Menschen auf der Flucht: Ungefähr 1,69 Millionen Menschen wurden innerhalb des Landes vertrieben, weitere 678.000 flüchteten in Nachbarländer. 24) UNHCR: Increased displacement out of South Sudan into Sudan fuelled by food insecurity – Stand 30.3.2016 Die UNO spricht von der “gegenwärtig größten humanitären Katastrophe auf der Welt”. Beide Seiten machen sich gleichermaßen unzähliger Gräueltaten an der Zivilbevölkerung schuldig. 25) RT: Südsudan – UN spricht von „weltweit größter humanitärer Katastrophe“ und fordert Waffenembargo – nicht mehr verfügbar
Da die Zahl der Flüchtlinge aus dem Südsudan stetig und rapide ansteigt, steht das UNHCR derzeit vor massiven Problemen. Der vorgesehene Hilfsplan für die aus der Region fliehenden Menschen wird derzeit nur zu drei Prozent finanziert. Das heißt, dass die Versorgung mit Trinkwasser und Nahrung, die Bereitstellung sanitärer Anlagen und Unterkünfte sowie weiterer Hilfsleistungen für die Betroffenen ernsthaft in Frage steht. 26) UNHCR: Increased displacement out of South Sudan into Sudan fuelled by food insecurity – Stand: 30.3.2016
Waffen aus dem Ausland befeuern den Bürgerkrieg

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Dank Jahrzehnten des Bürgerkriegs mit dem Sudan schwimmt der Südsudan in Kleinwaffen. Dazu kommt, dass der Südsudan seit Beginn des Konflikts große Mengen an Waffen gekauft hat, im Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar. 27) Human Rights Watch: Südsudan: Massaker, Morde, Plünderungen – Stand 26.11.2015 Seit 2005 ist die Ukraine der Hauptwaffenlieferant für den Südsudan. Auch Kriegswerkzeug, das in Rußland produziert wurde, befindet sich im Land. 28) small arms survey: Reaching for the gun – Arms flows and holdings in South Sudan – nicht mehr verfügbar Weitere Herkunftsländer für südsudanesische Waffen sind die Volksrepublik China und Israel, wobei der Staat an der Mittelmeerküste seine Waffenlieferungen in einer frühen Phase des Bürgerkriegs einstellte und anschließend versuchte, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. 29) Vice News: Weapons Are Streaming Into South Sudan – Stand: 30.6.2016
Bemerkenswerterweise versorgt auch der Sudan seinen kleinen, südlichen Nachbarn mit Waffen, seitdem dieser 2011 seine Unabhängigkeit erlangte. Nachdem sich der Südsudan von seinem „großen Bruder“ abspaltete, verlor dieser im Zuge dessen einige seiner wichtigen Ölvorkommen. Um die Verluste wieder auszugleichen, stieg fast zeitgleich die nationale Waffenproduktion am Nil. 30) Vice News: Weapons Are Streaming Into South Sudan – Stand: 30.6.2016
Diesbezüglich plädierte Human Rights Watch im August 2014 dafür, dass der UN-Sicherheitsrat unverzüglich ein Waffenembargo gegen das Land verhängen sollte – bis heute wurde jedoch keines erlassen. 31) Zeit Online: Ein Waffenembargo wäre das Mindeste – Stand 26.11.2015