Großbritannien bereichert sich am persischen Öl
Seit 1909 wird in Persien Öl gefördert. Der persische König, der Schah, und sein Land hatten allerdings wenig davon, denn die Erdölförderung war in britischer Hand. Großbritannien strich auch einen Großteil der riesigen Gewinne ein: Bis zum Zweiten Weltkrieg hatten die Briten circa 800 Millionen Pfund Profit durch das persische Öl gemacht. Persien, mittlerweile in „Iran“ umbenannt, hatte nur 105 Millionen erhalten. Trotz des Ölreichtums lebte ein Großteil der iranischen Bevölkerung in bitterer Armut. Die Arbeiter in Abadan, der Stadt der größten britischen Erdölraffinerie, lebten in kolonialistischen Verhältnissen. 1) Lüders, Michael: Wer den Wind sät. Was Westliche Politik im Orient anrichtet; 2015
„Fortune brought us a prize from fairyland beyond our wildest dreams.“ 2)CBS News: BP and Iran: The Forgottesn History; Artikel vom 30.06.2010
Winston Churchill, Premierminister Großbritanniens 1940-1945 und 1951-1955
Im zweiten Weltkrieg marschierten die Alliierten im Iran ein und setzten den Schah Reza Palahvi ab, weil er sich ideologisch auf Nazi-Deutschland zubewegt hatte. Sein Sohn Mohammed Reza Palahvi wurde als Nachfolger installiert, jedoch mit beschnittenen Machtbefugnissen. Das Parlament gewann erheblich an Einfluss. Dort regte sich bald nach dem Abzug der alliierten Truppen Widerstand gegen das britische Öl-Monopol. 1951 wurde Mohammed Mossadegh zum Premierminister des Iran, nachdem seine Partei, die eine gerechte Verteilung der Erdöl-Einnahmen forderte, die Parlamentswahl im Jahr zuvor gewonnen hatte. Mossadegh wollte die Ölverträge neu verhandeln, aber Großbritannien weigerte sich. Daraufhin ließ Mossadegh die iranische Erdölindustrie verstaatlichen. Doch damit machte er sich den britischen Premierminister Winston Churchill zum Feind. 3) Lüders, Michael: Wer den Wind sät. Was Westliche Politik im Orient anrichtet; 2015 4) Damals: 04/2019: Der persische Korridor 5) bpb: Irans Geschichte: 1942-1979 – Vom Zweiten Weltkrieg zur Islamischen Revolution; Artikel vom 08.01.2020
Churchill und Eisenhower stürzen die demokratisch gewählte Regierung
Großbritannien hatte mit dem Iran seine Haupt-Erdölquelle verloren, und Churchill wollte das auf keinen Fall akzeptieren. Um zu verhindern, dass der Iran sein Öl exportieren konnte, verhängte er eine Seeblockade über iranische Häfen. Damit stürzte er das Land ins Chaos. Mossadegh hielt trotzdem an seiner Linie fest und so beschloss Churchill, sich seiner zu entledigen. Die Idee eines Putsches stieß bei US-Präsident Truman noch auf taube Ohren. Sein Nachfolger Eisenhower hingegen befürchtete, dass der Iran ins kommunistische Lager rutschen könnte, und stimmte 1953 Churchills Plan zu. 6) Lüders, Michael: Wer den Wind sät. Was Westliche Politik im Orient anrichtet; 2015
Mit Hilfe des Schahs und gekaufter Soldaten initiierten die amerikanische CIA und der britische MI5 am 19. August 1953 den Sturz des Premierministers. Mossadegh wurde zu drei Jahren Haft verurteilt und bis zu seinem Tod 1967 unter Hausarrest gestellt. Der Putsch bedeutete das Ende der kurzen (einigermaßen) demokratischen Phase der iranischen Geschichte. 7) Lüders, Michael: Wer den Wind sät. Was Westliche Politik im Orient anrichtet; 2015 8) Ganser, Daniele: Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren; 2016
Pro-Westliche Diktatur statt Demokratie
Der Schah Mohammed Reza Palahvi stieg nun – mit dem Segen des Westens – zum Alleinherrscher auf. Gestützt auf seinen gefürchteten Geheimdienstes SAVAK, errichtete er eine 26 Jahre dauernde Schreckensherrschaft. Freiheit und Menschenrechte wurden brutal unterdrückt. Als Dank für den Putsch von 1953, verfolgte Palahvi eine pro-amerikanische Politik: Der Iran wurde „verwestlicht“. Sehr zum Ärger konservativer und islamischer Kräfte. Gleichzeitig wurde das Land in einen amerikanischen Militärstützpunkt verwandelt und entwickelte sich so zum wichtigsten Verbündeten der Vereinigten Staaten in der Region. Die Menschenrechtslage schien Washington dabei nicht zu stören. 9) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018
„Iran, because of the great leadership of the Shah, is an island of stability in one of the most troubled parts of the world.“ 10) Wright, Robert: Our Man in Tehran. The true Story behind the secret Mission to Save six Americans during the Iran Hostage Crisis and the foreign Ambassador who Worked with the CIA to Bring them home; 2010
Jimmy Carter, US-Präsident 1977-1981
Während sich der Schah immer neuen Großprojekten widmete und hauptsächlich die korrupte Elite von seiner Politik profitierte, lebte ein Großteil der Bevölkerung weiterhin in Armut. Da jegliche Opposition unterdrückt wurde, blieben nur die religiösen Institutionen als Sprachrohr der Unzufriedenen – und die wussten das für sich zu nutzen. Der Ajatollah (Imam) Ruhollah Khomeini wurde bald zum bekanntesten Kritiker des Schahs. Der verbannte Kohmeini deshalb ins Exil, doch auch von dort heizte der Ajatollah den Widerstand weiter an. 11) Wright, Robert: Our Man in Tehran. The true Story behind the secret Mission to Save six Americans during the Iran Hostage Crisis and the foreign Ambassador who Worked with the CIA to Bring them home; 2010 12) Spiegel Geschichte 02/2010: Persien: Luxoriös in den Untergang
Die Revolution wird „islamisch“
1978 überrollte eine gigantische Welle von Anti-Schah-Protesten das Land. Der Monarch versuchte, den Aufstand zu bremsen. Doch weder Gewalt, noch Zugeständnisse und Reformen konnten die Revolution aufhalten. Im Januar 1979 wurde es dem Schah schließlich zu „heiß“ im eigenen Land und er verließ den Iran. 13) Wright, Robert: Our Man in Tehran. The true Story behind the secret Mission to Save six Americans during the Iran Hostage Crisis and the foreign Ambassador who Worked with the CIA to Bring them home; 2010
Zwei Wochen später kehrte Ajatollah Khomeini aus dem Exil zurück. Millionen Iranerinnen und Iraner feierten ihn als Held. In nur wenigen Tagen hatte er das Schah-Regime entmachtet und durch sein eigenes ersetzt. Den Einfluss linker und säkularer Kräfte, die ursprünglich großen Anteil an der Revolution gehabt hatten, konnte Khomeini bald verdrängen. Der neue Staat wurde eine „Islamische Republik“: Ein System, das zwar für Wahlen und eine gewisse Gewaltenteilung sorgt, in dem die geistliche Elite aber so großen Einfluss hat, dass ohne ihre Zustimmung nichts funktioniert. 14) Wright, Robert: Our Man in Tehran. The true Story behind the secret Mission to Save six Americans during the Iran Hostage Crisis and the foreign Ambassador who Worked with the CIA to Bring them home; 2010 15) bpb: Irans Geschichte: 1942-1979 – Vom Zweiten Weltkrieg zur Islamischen Revolution; Artikel vom 08.01.2020 16) Youtube: Weltspiegel Extra: 40 Jahre Rebublik Iran; Dokumentation vom 11.02.2019
Auf eine Diktatur folgt die nächste
“We will not repeat the evils of the Palahvi dynasty.” 17) Wright, Robert: Our Man in Tehran. The true Story behind the secret Mission to Save six Americans during the Iran Hostage Crisis and the foreign Ambassador who Worked with the CIA to Bring them home; 2010
Ajatollah Khomeini im Februar 1979
Dieses Versprechen hielt der Revolutionsführer nicht ein. Bereits kurz nach dem Sturz der Schah-Regierung wurden Menschen, die Verbindungen zum Regime oder zu SAVAK gehabt hatten, gnadenlos verfolgt und getötet. „Konterrevolutionäre“ mussten ähnliches erleben. Das neue System schien immer mehr die Züge des alten anzunehmen. Eine Million gebildete Iranerinnen und Iraner flüchteten bald nach der Revolution aus ihrem Land. 18) Wright, Robert: Our Man in Tehran. The true Story behind the secret Mission to Save six Americans during the Iran Hostage Crisis and the foreign Ambassador who Worked with the CIA to Bring them home; 2010 19) Spiegel Geschichte 02/2010: Persien: Chronik 1979-2010
Heute sind Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit stark eingeschränkt und die Menschenrechte leiden unter der islamischen Gesetzgebung. Minderheiten werden diskriminiert, Frauen haben viele Rechte verloren und müssen Kopftuch tragen. Die Hinrichtungszahlen sind die zweithöchsten weltweit, denn bereits auf Vergehen wie Homosexualität, außerehelichen Geschlechtsverkehr und Blasphemie steht die Todesstrafe. Jegliche Säkularisierung oder Demokratisierung wird gewaltsam verhindert. 20) Amnesty International: Iran 2019; Stand 03/2020
Ab 1999 kam es immer wieder zu Massenprotesten gegen das Regime. Der iranische Staat, der einst aus einer Revolution hervorgegangen war, ließ sie jedes Mal brutal niederschlagen. Kaum jemand von den reformwilligen und säkularen Iranerinnen und Iraner glaubt mittlerweile noch daran, im eigenen Land etwas verändern zu können. Zehntausende Menschen fliehen jedes Jahr aus dem Iran. UNHCR zählte 2019 216.398 iranische Geflüchtete weltweit. 21) bpb: Irans Geschichte: 1979-2019 – Zwischen Revolution, Reformversuchen und regionalem Hegemonieanspruch; Artikel vom 08.01.2020 22) Laenderdaten.info: Asylanträge und Flüchtlinge aus dem Iran; nicht mehr verdügbar 23) Iran Journal: Bangen um die Chance auf ein neues Leben; Artikel vom 31.05.2014 24) UNHCR: Global Trends: Forced Displacement in 2019; Bericht vom Juni 2019
Der Bruch mit dem Westen
Am 4. November 1979 stürmten radikale Studenten die US-Botschaft in Teheran und nahmen über 50 Diplomaten als Geiseln. 444 Tage sollte es bis zu ihrer Freilassung dauern. Die USA waren im Verlauf der Proteste immer stärker ins Fadenkreuz der Demonstranten gelangt, weil sie das verhasste alte Regime unterstützt hatten. Als US-Präsident Jimmy Carter dem mittlerweile an Krebs erkrankten Schah dann auch noch Asyl gewährte, nahmen wütende Iraner die Diplomaten der US-Botschaft gefangen und forderten die Auslieferung des ehemaligen Diktators. 25) Wright, Robert: Our Man in Tehran. The true Story behind the secret Mission to Save six Americans during the Iran Hostage Crisis and the foreign Ambassador who Worked with the CIA to Bring them home; 2010
Die Geiselnahme von Teheran bedeutete den endgültigen Bruch der zwei Länder miteinander. Bis heute haben die USA und der Iran keine diplomatischen Beziehungen. Stattdessen wird in beiden Ländern der jeweils andere gnadenlos verteufelt. Die Rhetorik der iranischen Führung ist geprägt vom Hass auf Amerika, immer wieder wird auch die Zerstörung Israels gefordert. Regelmäßig gibt es Proteste, bei denen US- und Israel-Fahnen verbrannt werden und Slogans wie „Marg bar Amrika!“ (Tod Amerika!) zu hören sind. In den USA gilt der Iran als das „ultimative Böse“, das es zu bekämpfen gibt. Das Ziel der Amerikaner ist, in Teheran einen Regimewechsel zu ihren Gunsten durchzusetzen. Dabei wird schnell vergessen, dass sich die Vereinigten Staaten die aktuelle Situation auch selbst zuzuschreiben haben. Denn durch den Putsch gegen Mossadegh und die Unterstützung für den Schah legten sie den Grundstein für die Islamische Revolution und zogen nicht zu Unrecht den Zorn der iranischen Bevölkerung auf sich. Der gegenseitige Hass wird auch noch 40 Jahre nach 1979 von den Regierungen beider Staaten geschürt. 26) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018
Im Iran-Irak-Krieg unterstützt der Westen beide Seiten
1980 griff Saddam Hussein, der Diktator des Irak, den Iran an. Er nahm an, dass das Nachbarland durch die Revolution geschwächt sei, und sah seine Chance, die erdölreiche iranische Provinz Khusustan zu erobern. Doch das neue Regime leistete erbitterten Widerstand und konnte zwischenzeitlich sogar seinerseits in den Irak eindringen. Nach acht Jahren endete der sogenannte „Erste Golfkrieg“ aber schließlich an der gleichen Grenze wie zuvor. Er hatte eine Million Menschen das Leben gekostet. 27) bpb: Der Erste Golfkrieg (1980-1988); Artikel vom 18.09.2015
Saddam Hussein galt im Westen als Bollwerk gegen den Iran. Dementsprechend wurde er unterstützt. Als sich der Krieg zwei Jahre nach dem Ausbruch zu Gunsten des Iran wendete und der Irak vor der Niederlage stand, griffen die USA ein. Der Diktator wurde mit Waffen und Geld in Milliardenhöhe versorgt, denn einen Sieg des Iran wollte man um jeden Preis vermeiden. Auch Europa verhielt sich nicht unschuldig: Deutschland und Frankreich versorgten den Irak mit Zutaten für Chemiewaffen. Doch die absolute Krönung des Ganzen lieferten wiederum die Vereinigten Staaten: Während sie Saddam Hussein halfen, den Iran zu bekämpfen, verkauften sie heimlich auch dem „Mullahstaat“ Waffen und Kriegsgerät. So profitierte der Westen ordentlich von dem Konflikt. Nach acht Jahren Krieg waren die beiden Golfstaaten wirtschaftlich am Boden, während der Westen viel Geld verdient hatte. 28) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018 29) NZZ: Saddam Hussein – jahrelang auch vom Westen aufgerüstet; Artikel vom 07.03.2003
„Washington hat also beide Seiten mit Waffen beliefert, den Iran wie auch den Irak. Das Kalkül war offenbar, den Krieg in die Länge zu ziehen, zum Nutzen der Rüstungsindustrie.“ 30) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018
Michael Lüders, deutscher Nahostexperte
Der Kampf um die Vorherrschaft im Orient
Saudi-Arabien, das traditionell auf der Seite der USA steht, hatte mit dem Schah-Regime gute Beziehungen gehabt. Nach der Revolution sah es sich allerdings durch den Iran bedroht. Als Land von Medina und Mekka beansprucht die Golfmonarchie nämlich seit je her die Führungsrolle in der islamischen Welt. Jahrzehntelang hatte es dabei auch keine wirkliche Konkurrenz gehabt, doch 1979 betrat die Islamische Republik Iran das Spielfeld. Ein Ziel des neuen Staates war es, die Revolution zu exportieren. Saudi-Arabien sah das als Kampfansage. Die beiden Länder wurden zu erbitterten Rivalen. Dabei spielt auch der Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten eine wichtige Rolle. Der Iran hat eine mehrheitlich schiitische Bevölkerung, während Saudi-Arabien sunnitisch ist. 31) BBC: Why Saudi-Arabia and Iran are bitter rivals; Artikel vom 16.09.2019
Es kam zur Blockbildung im Nahen Osten: Sunnitische Staaten schlossen sich Saudi-Arabien als Schutzmacht an, schiitische dem Iran. Zunächst war der Iran damit ziemlich isoliert, denn außer Syrien hatten alle Nahost-Staaten sunnitische oder zumindest keine schiitischen Regierungen. Selbst der Irak und Bahrain, zwei Länder mit mehrheitlich schiitischer Bevölkerung, wurden sunnitisch regiert. Doch der Iran konnte seinen Einfluss im Laufe der Zeit wesentlich vergrößern, beispielsweise indem er schiitische Milizen im Libanon unterstützte. 32) BBC: Why Saudi-Arabia and Iran are bitter rivals; Artikel vom 16.09.2019
Eine wesentliche Hilfe für den Iran waren in diesem Kontext ausgerechnet die USA. Die ließen nämlich ihren einstigen Verbündeten Saddam Hussein bald nach dem Ersten Golfkrieg fallen. Im Zuge von 9/11 warfen sie ihm Terrorfinanzierung vor und fälschten Beweise, um einen Krieg zu legitimieren. Mit dem Einmarsch im Irak 2003 vertrieben sie den sunnitischen Diktator von der Macht. Bei den darauf folgenden Wahlen wählte die mehrheitlich schiitische Bevölkerung eine schiitische Regierung. Der Irak wechselte ins Lager des Iran. Damit hatten die Vereinigten Staaten sich ihr einstiges Bollwerk gegen den Iran selbst zerstört. 33) BBC: Why Saudi-Arabia and Iran are bitter rivals; Artikel vom 16.09.2019 34) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018
Syrien und Jemen – zwei grausame Stellvertreterkriege
Bisher ist es zum Glück noch zu keiner direkten Konfrontation zwischen den beiden Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran gekommen, die Spannungen haben sich aber bereits in mehreren blutigen Stellvertreterkriegen entladen. Zwei davon halten bis heute an: Die Bürgerkriege in Syrien und im Jemen. Die beiden Konflikte konkurrieren um den traurigen Titel „schlimmste humanitäre Katastrophe unserer Zeit“.
In Syrien kämpfen seit 2011 islamistische Rebellen gegen das Regime des Diktators Baschar al-Assad. Da Assad auf der Seite des Iran steht, unterstützt Saudi-Arabien die Rebellen, um seinen Sturz herbeizuführen. Auch der Rest der Welt mischt in Syrien kräftig mit. Die USA, Frankreich, Großbritannien, die Türkei und andere NATO-Staaten helfen den Rebellen, während Russland für Assad Aufständische und Terroristen bombardiert. Die Folgen für die Syrerinnen und Syrer sind katastrophal: Das Land liegt in Schutt und Asche, viele hunderttausend Menschen sind gestorben, über zwölf Millionen auf der Flucht. 35) Ganser, Daniele: Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren; 2016 36) UNHCR: Syria emergency; Stand 03/2020 37) Zeit Online: Syrien: Massenflucht aus Idlib; Stand 03/2020
Auch im Jemen leidet die Bevölkerung unsäglich unter dem Kampf um die Macht. Zwar sind dort mit gut drei Millionen Vertriebenen nicht so viele Menschen auf der Flucht wie in Syrien und es gibt weniger Tote (circa 200.000), doch dafür ist das Leid der Bevölkerung umso größer. Über zehn Millionen Jeminiten müssen hungern und über 22 Millionen der 27 Millionen Einwohnern sind abhängig von humanitärer Hilfe. Grund dafür ist vor allem die Kriegsführung Saudi-Arabiens im Kampf gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen. Seit 2015 bombardiert eine Militärkoalition unter saudischer Führung nicht nur das Land in Grund und Boden, sondern sorgt mit einer Seeblockade dafür, dass keine Güter mehr in den Jemen gelangen. Auch Medikamente werden nicht hereingelassen, und so ist das Land eine ideale Brutstätte für Krankheiten wie die Cholera. 38) UNHCR: Yemen emergency; Stand 03/2020 39) Deutschlandfunk: Jemen: Der vergessene Krieg; Artikel vom 15.03.2019 40) Associated Press: Report: Death toll from Yemen’s war hit 100,000 since 2015; Artikel vom 31.10.2019 41) der Freitag: Genozid im Jemen: Der Krieg gegen Jemens Kinder; Artikel vom 20.01.2020
Das Verhältnis zu den USA bleibt angespannt
Ab den 1990er Jahren war das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran von der Angst der Amerikaner geprägt, die Islamische Republik könnte eine Atombombe bauen. Grund zu der Annahme gab es allemal, denn Amerika selbst hatte dem Schah einst geholfen, die entsprechende Atomtechnologie zu entwickeln. Außerdem hatte Israel ihm Raketen verkauft, die durchaus atomar bestückbar waren. Um eine Nuklearmacht Iran zu verhindern, wurden deshalb unter US-Präsident Bill Clinton umfangreiche Sanktionen gegen das Land verhängt. Misswirtschaft und verkrustete Behördenstrukturen erschwerten bereits die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, die Sanktionen gaben ihr aber endgültig den Todesstoß. Folglich lebt ein großer Teil der Bevölkerung auch weiterhin in Armut. 42) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018
Der iranische Präsident Rafsandschani (1989-1997) erkannte, dass er dem Westen gegenüber in der schwächeren Position war. Deshalb versuchte er, auf die USA zuzugehen. Doch Clinton antwortete darauf mit einer Verschärfung der Sanktionen. Rafsandschanis Nachfolger Khatami (1997-2005) ging sogar einen Schritt weiter und unterbreitete den Vereinigten Staaten 2003 ein umfangreiches Friedensangebot mit deutlichen Zugeständnissen. Doch auch US-Präsident George W. Bush ließ den Iran abblitzen. 43) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018
“Iran aggressively pursues […] weapons [of mass destruction] and exports terror, while an unelected few repress the Iranian people’s hope for freedom. […] States like these and their terrorist allies constitute an axis of evil, arming to threaten the peace of the world.” 44) Miller Center: January 29, 2002: State of the Union Address; Stand 03/2020
George W. Bush, US-Präsident 2001-2009
Die USA wollten anscheinend keinen gemäßigten Iran, sondern weiterhin den Regimewechsel. Da die Strategie der Diplomatie nicht funktioniert hatte, machte sich Frustration im Iran breit. Die konservativen Hardliner gewannen zunehmend die Macht.
Donald Trump setzt auf Druck statt Diplomatie
2006 zeigten sich die USA doch erstmals kompromissbereit und beteiligten sich an Gesprächen mit dem Iran, Europa, Russland und China über das iranische Nuklearprogramm. Nach zähen Verhandlungen kam es 2015 zu einer Einigung. Die Sanktionen sollten aufgehoben werden, im Gegenzug musste der Iran sein Atomprogramm massiv herunterfahren und sich zu einer ausschließlich zivilen Nutzung der Kernenergie verpflichten. Der Weg schien frei für eine wirtschaftliche Entwicklung des Iran. Und tatsächlich wuchs die iranische Wirtschaft nach dem Ende der Sanktionen 2016 bereits um zwölf Prozent. 45) bpb: Das internationale Atomabkommen: ein Erfolg mit Verfallsdatum; Artikel vom 24.01.2020
Doch die Freude währte nur kurz, denn im selben Jahr wurde Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt. Er war der Ansicht, das Abkommen sei viel zu locker und außerdem würde sich der Iran sowieso nicht daran halten.
“Iran is not getting rid of any of its nuclear plants. They’re not getting rid of anything.” 46) Brainy Quote: Donald Trump Quotes; Stand 03/2020
Donald Trump, US Präsident seit 2017
Am 08. Mai 2018 kündigte Trump das Atomabkommen auf und setzte die US-Sanktionen wieder ein. Gestützt auf dubiose israelische Beweise behauptete er, der Iran würde den Deal brechen. Die Internationale Atomenergiebehörde, die das iranische Atomprogramm offiziell kontrollierte, bescheinigte dem Land jedoch weiterhin Vertragstreue. 47) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018 48) tagesschau.de: Entscheidung von Trump: USA kündigen Iran-Atomabkommen; Artikel vom 08.05.2018
Obwohl alle anderen Vertragsparteien weiterhin an dem Deal festhielten, war der Schaden für den Iran enorm. Denn jede Firma, die Geschäfte mit der Islamischen Republik machte, wurde von Amerika mit sogenannten „sekundären Sanktionen“ bestraft. Dass eine solche Praxis als völkerrechtswidrig angesehen wird, interessierte Trump nicht. Ein halbherziger Versuch der Europäer, die sekundären Sanktionen mittels einer Tauschbörse zu umgehen, schlug fehl. 49) tagesschau.de: Konflikt zwischen USA und Iran: Krisengespräch über Nahen Osten; Video vom 12.01.2020 50) tagesschau.de: Entscheidung von Trump: USA kündigen Iran-Atomabkommen; Artikel vom 08.05.2018 51) der Freitag: Wie eine Kernschmelze; Artikel vom 17.05.2019
Die Sanktionen stärken das Regime
Die Folgen der Sanktions-Politik waren gravierend. Ausländische Unternehmen stellten meistens das Amerika-Geschäft über das mit dem Iran und zogen sich scharenweise zurück. Kombiniert mit der im Land weit verbreiteten Korruption und immensen Militärausgaben ließ das die iranische Wirtschaft in den Keller rutschen. Die Preise stiegen, die Inflation nahm zu und die Arbeitslosigkeit wuchs. Die Folgen von Trumps Politik muss vor allem die Bevölkerung tragen. 52) ZDF: Makro: Machtpoker um Iran; nicht mehr verfügbar 53) tagesschau.de: Iran vor den US-Sanktionen: „Die Wirtschaft ist am Boden“; Artikel vom 06.08.2018
Den Effekt, den sich Donald Trump wünschte, hatte das jedoch nicht. Der Iran war nicht bereit, ein neues, härteres Abkommen zu akzeptieren und der erhoffte Aufstand durch das Volk blieb auch aus. Bei den meisten Bewohnern wuchs stattdessen die Wut auf die ohnehin schon nicht sehr populären USA. Das Regime konnte die Situation nutzen, um die Liberalen und Reformer zu schwächen. 2013 hatten die Iranerinnen und Iraner den moderaten Hassan Rohani zum Präsidenten gewählt. Er war einer der führenden Köpfe hinter dem Atomabkommen 2015. Mit dessen Aufkündigung durch Trump konnten die Konservativen nun die Strategie der Annäherung an den Westen als gescheitert darstellen und einen konfrontativeren und aggressiveren Kurs einleiten. Als es im November 2019 erstmals zu Protesten gegen die desolate Wirtschaftslage kam, wurden sie, wie so oft, mit Toten und Verletzten niedergeschlagen. 54) Zeit Online: Proteste im Iran: USA drohen Iran nach Gewalt an Demonstranten; Artikel vom 22.11.2019 55) Spiegel: Trump versus Teheran: Die Iran-Sanktionen wirken – genau das ist das Problem; Artikel vom 11.07.2019
Besonders hart trifft die Wirtschaftskrise die circa zwei Millionen afghanischen Flüchtlinge, die im Iran leben. Ihr Leben ist ohnehin schlecht, denn sie sind Menschen zweiter Klasse, müssen schwarz arbeiten und haben unter Diskriminierung zu leiden. Nun kommen auch noch die Sanktionen dazu. Über eine halbe Million Afghanen haben das Land bereits verlassen. Viele zurück nach Afghanistan, einige aber auch in die Türkei – mit dem Ziel Europa. Die iranische Regierung hat bereits gedroht, auch die restlichen afghanischen Flüchtlinge nach Europa zu schicken, wenn der Druck aus dem Westen nicht nachlässt. 56) Qantara.de: Afghanische Flüchtlinge im Iran: Menschen zweiter Klasse; Artikel vom 11.06.2014 57) tagesschau.de: Afghanen in der Türkei: Der Friedhof der Namenlosen; Artikel vom 18.01.2020 58) Tagesspiegel: „Flüchtlingswelle wie 2015“: Was an Seehofers Warnung vor einer neuen Flüchtlingskrise dran ist; Artikel vom 08.10.2019
Jahreswechsel 2019/20: Der Nahe Osten am Rand der Eskalation
Am 03. Januar 2020 wurde der iranische General Kassem Soleimani im Irak nahe Bagdad durch US-amerikanische Raketen getötet. Daraufhin schwor der Iran Rache. Die Welt schien kurz vor einem neuen Krieg im Nahen Osten zu stehen. Fünf Tage nach dem Tod Soleimanis beschoss das iranische Militär einen US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt im Irak, allerdings kam es nicht zu Toten. Deshalb verzichteten die USA auf einen militärischen Gegenschlag. Gleichzeitig sah sich das iranische Regime innenpolitisch unter Druck. Denn das Militär hatte versehentlich ein ukrainisches Passagierflugzeug abgeschossen. Man hatte es für einen US-Marschflugkörper gehalten und dann den Abschuss tagelang geleugnet. Als die Führung ihren Fehler schließlich eingestand, gingen viele Menschen wütend auf die Straße. Die Regierung musste erstmal die Probleme im eigenen Land in den Griff bekommen und so war die Kriegsgefahr zunächst einmal gebannt. 59) tagesschau.de: Proteste im Iran: Als wäre der Knoten geplatzt; Artikel vom 13.01.2020
Doch weiterhin stehen die Zeichen im Nahen Osten auf Konfrontation. Der Iran will die USA immer noch aus der Region vertreiben. Trotz Wirtschaftskrise werden weiter Milliarden für das Militär und den Einsatz im Ausland ausgegeben. Zwar wächst die Unzufriedenheit in der Bevölkerung – es wird geschätzt, dass nur noch etwa 10 bis 25 Prozent fest hinter dem Regime stehen – doch Aufstände werden niedergeschlagen und die Vereinigten Staaten sind im Land noch unbeliebter als die eigene Regierung. Währenddessen verhängt Donald Trump ohne Rücksicht auf die Menschen immer neue Sanktionen, in der Hoffnung, so einen Regimewechsel herbeizuführen. 60) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018 61) ZDF: Orientalist Kermani: Proteste bei jedem einzelnen „unter Lebensgefahr“; nicht mehr verfügbar 62) ZDF: Iran: Kulturelite protestiert; Interview vom 13.01.2020
Sollte es tatsächlich zum Krieg mit dem Iran kommen, so wäre das Ausmaß der Gewalt und des Leides unvorstellbar. 82 Millionen Iranerinnen und Iraner wären auf einmal potenzielle Flüchtlinge. Zum Vergleich: Von den über 20 Millionen Einwohnern, die Syrien vor 2011 hatte, hat der syrische Bürgerkrieg über zwölf Millionen in die Flucht getrieben. Der Iran mit seiner viermal so großen Bevölkerung dürfte also eine Flüchtlingswelle produzieren, die noch viel größer wäre als die von 2015. 63) Auswärtiges Amt: Iran: Steckbrief; Artikel vom 04.03.2020 64) Auswärtiges Amt: Syrien: Überblick; Artikel vom 05.07.2019