![China hat in den letzten 10 Jahren den größten Überwachungsapparat der Erde aufgebaut - Heute exportiert Peking ihn in die Welt. | Bild: "Chinesische CCTV-Kamera auf der Flagge Chinas" © Artmim | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime Chinesische CCTV-Kamera auf der Flagge Chinas China hat in den letzten 10 Jahren den größten Überwachungsapparat der Erde aufgebaut - Heute exportiert Peking ihn in die Welt. | Bild: "Chinesische CCTV-Kamera auf der Flagge Chinas" © Artmim | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime](https://www.fluchtgrund.de/files/2023/10/dreamstime_m_260891919-713x476.jpg)
China hat in den letzten 10 Jahren den größten Überwachungsapparat der Erde aufgebaut - Heute exportiert Peking ihn in die Welt. | Bild: "Chinesische CCTV-Kamera auf der Flagge Chinas" © Artmim | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime
Wie China die „digitale Diktatur“ in den globalen Süden exportiert
Xi Jinping arbeitet seit seinem Amtsantritt 2012 emsig daran, Orwells 1984 zu kopieren – In knapp 10 Jahren hat er sein Land zur ersten „digitalen Diktatur“ der Welt umgebaut. Das Internet ist bis zum letzten Winkel unter staatlicher Kontrolle, fast jede Straße und jeder öffentlicher Platz werden videoüberwacht und alle Bürgerrechte hängen an der Gnade der Partei. Zum neunten Mal in Folge hat China so das am stärksten kontrollierte und zensierte Internet der Welt – ein autokratisches Erfolgsmodell. Die Technologie und das Know-How hinter diesem Erfolg exportiert XI Jinping nun in den globalen Süden. Dort nutzen die Mächtigen Pekings Schlüssel zur schönen neunen Welt, um gegen Verbrecher durchzugreifen – und Kritiker zu verfolgen.1)Freedomhouse: Freedom on the Net 2023 – The Repressive Power of Artificial Intelligence; stand 02.11.20232)AidData: Exporting the Tools of Dictatorship: The Politics of China’s Technology Transfers to Africa; vom 08.12.2022
Die Kommunistische Partei Chinas (KPC) ist ein Pionier im modernen Überwachungsstaat und tüftelt schon lange an ihrem Traum des gläsernen Untertanen: Seit 1998 hat sie sich ein eigenes Parallelinternet geschaffen, inklusive Zensur, Klarnamenpflicht und allumfassender Datenkleptomanie. Die KPC kann nach Belieben Inhalte löschen und moderieren und hat über Messenger- und Social-Media-Apps Informationen über fast jeden Bürger. Auch in der physischen Welt greift Peking nach der vollen Kontrolle: 600 Millionen Überwachungskameras überziehen die Straßen des Landes, Gesichtserkennungssoftware und Künstliche Intelligenz ordnen den Bildern Profile zu, sogar um die 100 Millionen DNA Proben lagern in den riesigen Datenbanken der Regierung. 3)AidData: Exporting the Tools of Dictatorship: The Politics of China’s Technology Transfers to Africa; vom 08.12.20224)Atlantic Council: China’s surveillance ecosystem and the global spread of its tools; vom 17.10.20225)Deutsche Welle: China – Überwachungsstaat oder Zukunftslabor?; vom 30.09.20216)TutaNota: Wie sich chinesische Überwachungsmethoden global verbreiten.; vom 21.07.20237)Freedomhouse: Freedom on the Net 2023 – The Repressive Power of Artificial Intelligence; stand 02.11.20238)Freedomhouse: Freedom on the Net 2018 – The Rise of Digital Authoritarianism; stand 02.11.2023
Die volle orweillsche Kraft des Systems zeigt sich in der Uigurenprovinz Xinjiang. Hier hat Peking im Zuge seiner Anti-Terrorkampagne eines der lückenlosesten Überwachungsnetze der Welt errichtet: Die Regierung hat Daten und DNA- Proben von fast allen Einwohnern und benutzt KIs, die auf das Erkennen ethnischer Minderheiten programmiert sind. Das Gebiet ist überzogen von Polizeistationen, jede Aktion der dortigen Bürger wird vermerkt. Algorithmen überwachen die Profile Hunderttausender und schon kleinste Abweichungen von der Norm wie ein erhöhter Stromverbrauch können zu vorläufigen Verhaftungen führen. Die NGO Freedomhouse spricht mittlerweile vom ersten digitalen Freiluftgefängnis der Welt.9)Freedomhouse: Freedom on the Net 2018 – The Rise of Digital Authoritarianism; stand 02.11.2023
Die Kommunistische Partei hat so ein System mit großer internationaler Anziehungskraft geschaffen. Mit chinesischer Überwachungstechnik können Schwellenländer Kriminalität eindämmen, Demokratien die Sicherheit ihrer Straßen erhöhen – und Autokratien unliebsame Journalisten einsperren. Peking nutzt diese Anziehungskraft ganz bewusst im geopolitischen Ringen mit den USA und gewinnt so Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent.10)AidData: Exporting the Tools of Dictatorship: The Politics of China’s Technology Transfers to Africa; vom 08.12.2022 11)TutaNota: Wie sich chinesische Überwachungsmethoden global verbreiten.; vom 21.07.202312)Atlantic Council: China’s surveillance ecosystem and the global spread of its tools; vom 17.10.202213)Freedomhouse: Freedom on the Net 2018 – The Rise of Digital Authoritarianism; stand 02.11.2023
Das wichtigste Werkzeug dabei sind Chinas halb-private Firmen. Unternehmen wie Huawei, ZTE oder Hikvision sind unerlässlich für Pekings Infrastrukturprojekte und haben monopolartige Stellungen auf afrikanischen Märkten. Sie sind zwar theoretisch privat geführt, in der Realität hält die KPC aber immensen Einfluss: Mitglieder der Partei segnen wichtige Entscheidungen ab, die Regierung hat jederzeit Einblick in alle Daten der Unternehmen und die Wettbewerbsfähigkeit wird von staatlichen Subventionen garantiert. Alleine Huawei investierte zwischen 2000 und 2016 1,6 Milliarden USD nach Afrika – Heute ist der Konzern der größte Smartphone-Anbieter des Kontinents und verantwortlich für über 70 Prozent des 4G-Netzes. Die chinesischen Anbieter sind oft billiger als die westliche Konkurrenz, stellen keine Fragen und haben technologisch gleichwertige Produkte und sind damit oftmals das beste Angebot für ärmere Staaten.14)Atlantic Council: China’s surveillance ecosystem and the global spread of its tools; vom 17.10.202215)AidData: Exporting the Tools of Dictatorship: The Politics of China’s Technology Transfers to Africa; vom 08.12.202216)Freedomhouse: Freedom on the Net 2018 – The Rise of Digital Authoritarianism; stand 02.11.202317)Deutsche Welle: Warum Afrika auf Huawei-Netztechnik setzt; vom 07.02.2022
Viele der Investitionen sind dabei sogenannte Dual-Use Güter, also Waren die sowohl für besseres Internet und sichere Städte, als auch Zensur und Überwachung genutzt werden können. Das ist kein Zufall, sondern Kern des Geschäftsmodells: 81 Prozent der Gelder flossen an Autokraten, Huawei hilft Regierungen teilweise direkt dabei politische Gegner abzuhören und der Konzern lädt regelmäßig junge afrikanische Politiker ein, um in Schulungen die Grundlagen des Überwachungsstaat zu lernen.18)AidData: Exporting the Tools of Dictatorship: The Politics of China’s Technology Transfers to Africa; vom 08.12.2022 19)Freedomhouse: Freedom on the Net 2018 – The Rise of Digital Authoritarianism; stand 02.11.202320)Freedomhouse: Freedom on the Net 2023 – The Repressive Power of Artificial Intelligence; stand 02.11.2023
Ein konkretes Beispiel für solche Dual-Use Programme sind Huaweis „Safe Cities“. Mit dem Projekt soll die öffentliche Sicherheit in Städten revolutioniert werden: Ein flächendeckendes Netz privater und öffentlicher Kameras, alle vernetzt in einer einzigen, gigantischen Datenbank. Algorithmen erkennen im Strom der Bilder Gesichter und Nummernschilder, KIs werten das Gesehene aus und leiten die Polizei. 15 Prozent weniger Gewaltverbrechen, 45 Prozent höhere Aufklärungsquoten und fast 100 Prozent Zufriedenheit der Bürger, nichts weniger verspricht der Konzern. Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, um den Schaden zu sehen, den ein solches System in autokratischen Händen anrichten könnte. Und trotzdem: Zwischen Belgrad und Nairobi, Taschkent und Spanien unterhält Huawei mittlerweile 73 „Safe Cities“.21)Freedomhouse: Freedom on the Net 2023 – The Repressive Power of Artificial Intelligence; stand 02.11.2023 22)BBC Future: Safe cities: Using smart tech for public security; stand 02.11.202323)The Diplomat: Smart Cities or Surveillance? Huawei in Central Asia; vom 07.08.201924)Centre For Asian Affairs: WHAT’S NEXT FOR HUAWEI’S SAFE CITY PROJECT IN BELGRADE?; vom Dezember 202125)Centre for strategic & international Studies: Watching Huawei’s „Safe Cities“; vom 04.11.201926)Deutsche Welle: Chinas Griff nach Europa, Teil 2; vom 29.12.2020
Steigende Repression durch chinesische Technologie ist dabei nicht nur eine theoretische Option, sie ist nachweisbar und sehr real. Forschende des AidData Forschungslabors haben alle afrikanischen Länder mit chinesischen Sicherheitsinvestments untersucht und fanden einen klaren Trend: Wenn Demokratien Überwachungstechnologie beziehen, ändert sich bei politischen Freiheiten oft nichts, in Autokratien dagegen stiegen länderübergreifend Internetshutdowns, Zensur und Verfolgung der Opposition.27)AidData: Exporting the Tools of Dictatorship: The Politics of China’s Technology Transfers to Africa; vom 08.12.202228)Washington Post: Documents link Huawei to China’s surveillance programs; vom 14.12.2021
So hat zum Beispiel Tansania kurz nachdem China in die Region investierte die Redefreiheit im Netz eingeschränkt, in Äthiopien helfen Kameras und Algorithmen von ZTE der Zentralregierung Journalisten auszuspähen, Simbabwe arbeitet mit Chinas KI-Riesen Cloudwalk zusammen, um biometrische Daten und Gesichtserkennung von jedem Bürger zu haben und in Uganda helfen Huawei-Mitarbeiter direkt dabei, Oppositionelle zu verhaften. China wird so zwar nicht direkt zum Fluchtgrund in Afrika, stützt aber Regime ohne Respekt vor Bürgerrechten.29)Freedomhouse: Freedom on the Net 2018 – The Rise of Digital Authoritarianism; stand 02.11.202330)Freedomhouse: Freedom on the Net 2023 – The Repressive Power of Artificial Intelligence; stand 02.11.2023 31)Washington Post: Documents link Huawei to China’s surveillance programs; vom 14.12.202132)Deutsche Welle: Warum Afrika auf Huawei-Netztechnik setzt; vom 07.02.2022
Ein starker Überwachungsstaat heißt nicht zwangsläufig die Demokratie zu verlieren – Südkoreas Städte sind auch bis in die letzte Gasse videoüberwacht, trotzdem ist das Land eines der freiesten der Welt. Für viele afrikanische und asiatische Staaten bieten Konzerne wie Huawei die Möglichkeit, der grassierenden Kriminalität Herr zu werden und eine sichere Umgebung für ihre Bürger zu schaffen. Für Xi Jinping und seine KPC auf der anderen Seite, haben solche Sicherheitspartnerschaften ebenfalls enormen Wert: Viele Staaten sind abhängig von Peking für ihr Telekommunikationsnetzwerk, viele Autokraten für ihren Machterhalt. Außerdem hat China so die Möglichkeit, über Hintertüren und Schlupflöcher sensible Daten aus afrikanischen Netzen abzuschöpfen, wie es auch schon beim Hauptquartier der Afrikanischen Union passiert ist. Peking präsentiert sich der ganzen Welt als alternative zum Westen und sicherer Hafen für Autokraten, die Privatsphäre seiner eigenen Bürger ist dabei egal, die von ausländischen erst recht.33)Freedomhouse: Freedom on the Net 2018 – The Rise of Digital Authoritarianism; stand 02.11.2023 34)Le Monde: A Addis-Adeba, le siége de l’Union africane espionné par Pekin; vom 26.01.2018
Fußnoten und Quellen:
Keine Kommentare