![Nach dem Sturz Gaddafis ist 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Viele Menschen haben ihre Heimat verlassen. | Bild: "Muammar al Gaddafi" © Kucijarov | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime Muammar al Gaddafi im Zelt Nach dem Sturz Gaddafis ist 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Viele Menschen haben ihre Heimat verlassen. | Bild: "Muammar al Gaddafi" © Kucijarov | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime](https://www.fluchtgrund.de/files/2023/09/dreamstime_m_18523977-686x713.jpg)
Nach dem Sturz Gaddafis ist 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Viele Menschen haben ihre Heimat verlassen. | Bild: "Muammar al Gaddafi" © Kucijarov | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime
12 Jahre nach dem Sturz Gaddafis: Libyer leiden immer noch
Der Sturm Daniel, der in letzter Zeit extreme Regenfälle und schwere Überflutungen in Südosteuropa und Nordafrika verursacht hat, hat diese Woche Libyen erfasst. Die libyschen Rettungsdienste berichten, dass der Nordosten am stärksten von den Unwettern betroffen sei. Die selbst ernannte Libysche Nationalarmee (LNA) sprach von mindestens 2000 Toten allein in der Stadt Darna. Nach Angaben des Gemeinderats ist die Lage in Darna katastrophal. Die Stadt wurde von der Außenwelt abgeschnitten, ein Viertel davon ist praktisch verschwunden. Tausende Menschen sind momentan immer noch vermisst. Zwei Staudämme sollen in Darna gebrochen sein. Ganze Häuserblöcke wurden weggespült. Die Opfer wurden unter Trümmern begraben. Die Städte Al-Baida, Al-Mardsch und Susa sind auch betroffen. Auch in die Hafenstadt Bengasi wurden Flüge mit Bergungstrupps samt Rettungsbooten, Zelten und Versorgungsgütern geschickt. Obwohl unabhängige Informationen zur Anzahl der Todesopfer noch nicht vorhanden sind, behaupten die beiden rivalisierenden Regierungen, dass die Situation außer Kontrolle geraten ist. Hubschrauber sollten eingesetzt werden. Außerdem sind Strom und Internetverbindung unterbrochen und die Retter befürchten, dass die Zahl der Toten noch steigen werde. Nach dem Hurrikan ruft Libyen den Notstand aus. Laut Reuters bittet der libysche Präsidialrat um internationale Hilfe. Georgette Gagnon, die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Libyen, ruft die internationale Gemeinschaft dazu auf, schnell Hilfe zu leisten. 1) spiegel: Tausende Tote nach Unwetter und Überschwemmungen in Libyen befürchtet; Artikel vom 12.09.2023 2) Kölner Stadt-Anzeiger: Mittelmeer-Hurrikan trifft auf die Küste – 10.000 Menschen in Libyen vermisst; Artikel vom 12.09.2023 3) tagesschau: Tausende Tote in Libyen befürchtet; Artikel vom 11.09.2023 4) focus: Überschwemmungen in Libyen – über 10.000 Vermisste; Artikel vom 12.09.2023 5) zdf: Libyen: Tausende Tote erwartet:“Leichen im Meer, in Tälern, unter Gebäuden“; Artikel vom 12.09.2023
Viele Regionen in der Türkei, Griechenland und Bulgarien wurden durch die Unwetter ebenfalls überflutet. Die Regierung in Tripolis sprach von den schwersten Regenfällen seit mehr als 40 Jahren. Solche Extremwetterereignisse sind in letzter Zeit keine Einzelfälle. Extreme Dürren und katastrophale Überschwemmungen als Folge des abrupten Klimawandels sind auf dem afrikanischen Kontinent besonders stark zu spüren. Die Lebensgrundlagen der Menschen in diesen Ländern sind sehr klimasensibel, deshalb ist der Großteil der Bevölkerung Afrikas nach solchen Naturkatastrophen noch stärker von Armut und Hunger bedroht. Die politische Lage im Land macht die Situation der Libyer noch schwieriger. Zwei verfeindete Regerungen mit jeweils einem Sitz im Osten und Westen des ölreichen Staates kämpfen um die Macht. Im Westen sitzt die von den Vereinten Nationen anerkannte Regierung. Im August wurde von den schwersten Gefechten in Libyen seit langer Zeit berichtet. Obwohl die Lage in den letzten zwei Jahren relativ ruhig war, kam es in der Hauptstadt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Special Deterrence Forces (SDF), einer religiösen Hardliner-Miliz, und der 444. Brigade, die mit dem Verteidigungsministerium des Landes lose verbunden ist. Das sind nur zwei von vielen bewaffneten Gruppen, die in Tripolis aktiv um die Vorherrschaft konkurrieren. Diesmal wurden mindestens 55 Menschen getötet, 140 weitere wurden verletzt. Viele Familien mussten ihre Häuser verlassen. Nach dem Kriegsausbruch in Libyen 2011 versank das Land im Chaos. Zahlreiche Milizen kämpfen um Einfluss. Seit 2011 sind tausende Menschen ums Leben gekommen, hunderttausende sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die einzelnen Interessensgruppen können sich nicht auf ein Bündnis einigen. Die beiden rivalisierenden Regierungen tragen zu den instabilen Verhältnissen im Land bei. Ausländische Staaten sind für diese verfahrene Situation auch mitverantwortlich. 6) n-tv: Unwetterkatastrophe in Libyen“Überall liegen Leichen“ – Tausende Tote und 10.000 Vermisste; Artikel vom 12.09.2023 7) nau.ch: Mindestens 27 Tote bei schwersten Gefechten in Libyen seit Monaten; Artikel vom 16.08.2023 8) dw: Libyens Machtkampf: Wer sind die rivalisierenden Milizen?; Artikel vom 18.08.2023
Im Zuge des arabischen Frühlings wurden im Februar 2011 in Libyen Aufstände von Rebellengruppen organisiert, die in den nächsten Monaten in Bürgerkrieg mündeten. Die NATO-Intervention unterstützte die Rebellen. Damals herrschte in Libyen der Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi. Als Erklärung für die Einmischung stellte die NATO das Argument vor, dass Gaddafi tausende Menschen getötet und friedliche Demonstranten bombardiert habe. Tatsächlich beging die Regierung viele Menschenrechtsverletzungen, um die eigene Macht zu erhalten. Die libysche Bevölkerung wurde durch den Inlandsgeheimdienst ISA überwacht, Menschen wurden verhaftet. Jedoch genossen die Libyer kostenlose Krankenversorgung, auch Strom- und Wasserversorgung. Libyen hatte das höchste BIP pro Kopf und die höchste Lebenserwartung in Afrika. Kurz nach der Machtübernahme Gaddafis waren 51 Prozent aller nicht-libyschen Erdölkonzerne verstaatlicht worden. Sein Ziel war es, die Preise des Öls besser kontrollieren zu können. Er plante außerdem die Schaffung einer goldgestützten afrikanischen Währung, die den CFA-Franc, die in den ehemaligen französischen Kolonien gültige Währung, ersetzen sollte. All das und die Möglichkeit einer unabhängigen afrikanischen Währungsunion betrachtete der Westen als eine klare Bedrohung für seinen Einfluss in der Region. So entstand das Bild von Gaddafi als brutaler Diktator. Im Jahr 2011 griffen die USA, Großbritannien und Frankreich mit der Unterstützung vieler NATO-Länder Libyen an. Sie sollten eine Flugverbotszone einrichten, die Zivilbevölkerung schützen und die Aufständischen gegen die Regierungstruppen unterstützen. Jedes Angebot von Gaddafi zum Waffenstillstand wurde abgelehnt. So wurde klar, dass das wichtigste Ziel NATO nicht der Schutz der Bevölkerung war, sondern der Sturz des Diktators. Das war ein Verstoß gegen das Mandat des Sicherheitsrates, der als Rettungsoperation verschleiert wurde. Im Oktober nahm die NATO die Heimatstadt Gaddafis ein. Er selbst wurde einige Tage später ermordet. Libyen wurde komplett destabilisiert. Seit 2014 erschüttern ständige Kämpfe das Land. Demokratische Präsidentschaftswahlen können nicht durchgeführt werden. Der Konflikt wird auch durch andere Länder befeuert. Neue Interessensgruppen mischen sich ein. Eine diplomatische Lösung ist nicht in Sicht. So wird Dschihadisten die Ausbreitung in Nordafrika erleichtert. Mittlerweile hat diese Lage gravierende humanitäre Folgen für die Bevölkerung und für alle Geflüchteten. 9) spiegel: Bißchen Halsabschneiderei; Artikel vom 12.07.1970 10) BPB: Libyen; Artikel vom 16.12.2020 11) BPB: Meinung: Die NATO-Intervention gegen das Gaddafi-Regime war illegitim; Artikel vom 11.07.2012 12) Foreign Policy Journal: Hillary Emails Reveal True Motive for Libya Intervention; Artikel vom 06.01.2016 13) GlobalResearch: Hillary Emails Reveal NATO Killed Gaddafi to Stop Libyan Creation of Gold-Backed Currency; Artikel vom 04.11.2018
Die Herrschaft Gaddafis darf in Hinsicht auf das westliche Verständnis von Freiheit und Gerechtigkeit kritisiert werden. Trotzdem bleibt seine Amtszeit die letzte relativ ruhige Periode in der Geschichte des Landes. Seine Absichten standen in Konflikt mit den Plänen des Westens, weshalb er beseitigt wurde. Für diese Entscheidung zahlen die Libyer den Preis noch heute. Das unsichere und gefährliche Leben führt zur Vertreibung und Flucht ins Ausland. Die westlichen Mächte verfolgen anscheinend eigene Interessen und halten somit die kriegsmüde Bevölkerung immer noch von Frieden ab.
Fußnoten und Quellen:
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