![Eine halbe Millionen Menschen sind ums Leben gekommen, die Hälfte der Bevölkerung ist geflohen - die Krieg in Syrien dauert nun schon über zwölf Jahre an. Ein Ende des Konfliktes ist noch nicht in Sicht. | Bild: "Stadt nahe Palmyra in Syrien 2017" © Smallcreativeunit5 [Royalty Free] - dreamstime.com Syrien Eine halbe Millionen Menschen sind ums Leben gekommen, die Hälfte der Bevölkerung ist geflohen - die Krieg in Syrien dauert nun schon über zwölf Jahre an. Ein Ende des Konfliktes ist noch nicht in Sicht. | Bild: "Stadt nahe Palmyra in Syrien 2017" © Smallcreativeunit5 [Royalty Free] - dreamstime.com](https://www.fluchtgrund.de/files/2022/09/dreamstime_m_104934757-713x475.jpg)
Eine halbe Millionen Menschen sind ums Leben gekommen, die Hälfte der Bevölkerung ist geflohen - die Krieg in Syrien dauert nun schon über zwölf Jahre an. Ein Ende des Konfliktes ist noch nicht in Sicht. | Bild: "Stadt nahe Palmyra in Syrien 2017" © Smallcreativeunit5 [Royalty Free] - dreamstime.com
Unterschiedliche Akteure lassen den Syrienkonflikt nicht zu Ende kommen
Die in London sitzende Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat am 11. August einen mutmaßlichen Angriff der dschihadistischen Terrormiliz ,,Islamischer Staat‘‘ im Osten Syriens gemeldet. Dabei wurde ein Bus des Militärs in der Provinz Dair al-Saur angegriffen. Mindestens 26 syrische Regierungssoldaten sind getötet worden. 11 weitere Soldaten wurden außerdem verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich. Die islamische Terrormiliz bekannte sich zunächst nicht zu der Tat. Syriens staatliche Nachrichtenagentur Sana spricht momentan lediglich von einer ,,Terrorgruppe‘‘. Bereits vor 3 Wochen wurden zehn Kämpfer der syrischen Armee bei einem mutmaßlichen IS-Angriff auf Kontrollposten in der Nähe der Stadt Rakka in Nordsyrien getötet. Außerdem attackierten IS-Anhänger schon Anfang August einen Konvoi mehrerer Öl-Tankwagen im Westen Syriens, wobei mindestens 7 Menschen ums Leben gekommen sind. 1) Deutschlandfunk: Mindestens 26 Soldaten bei mutmaßlichem IS-Angriff getötet; Artikel vom 11.08.2023 2) Der Standard: Mindestens 33 syrische Soldaten bei IS-Angriff getötet; Artikel vom 12.08.2023
Die letzte Tragödie ist bereits vor einem Tag passiert. Islamistische Rebellen haben in der Provinz Idlib einen Militärposten angegriffen. Dabei starben mindestens 11 Soldaten, 20 weitere wurden verletzt. Nach letzten Angaben geht es um Mitglieder der Gruppe Ansar al-Tawhid und der Islamischen Turkestan-Partei, die beide mit der Dschihadistengruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) verbündet sind. Sie hatten einen Tunnel unter einem Armeeposten gegraben und diesen durch Explosionen zum Einsturz gebracht. Der vereinbarte Waffenstillstand wird immer wieder verletzt. Der Terror eskaliert. Im Bürgerkrieg konnte Damaskus mit Unterstützung Russlands und des Irans einige Erfolge gegen die Rebellen erreichen. Jedoch wurden im Krieg mehr als eine Million Menschen getötet, die Anzahl der Vertriebenen ist viel höher. 3) tagesschau: Islamistische Rebellen töten mehrere Soldaten; Artikel vom 26.08.2023 4) dw: Syrische Soldaten bei Dschihadisten-Angriff getötet; Artikel vom 26.08.2023 5) faz: Islamistische Rebellen töten mehrere Soldaten; Artikel vom 27.08.2023
Der islamische Staat kontrollierte jahrelang große Gebiete im Bürgerkriegsland Syrien. Nach einem langen Kampf haben die von Iran und Russland unterstützten syrischen Regierungstruppen 2019 den IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet vertrieben. Die USA und die Türkei haben seit Anfang 2022 außerdem drei „Kalifen“ des IS getötet und so die dschihadistische Führung erheblich geschwächt. Jedoch ist es offensichtlich, dass IS-Zellen nach wie vor im Untergrund aktiv bleiben. Vor allem in den Wüstenregionen Syriens werden von IS-Mitgliedern regelmäßige Anschläge auf Regierungstruppen, pro-iranische und kurdische Kämpfer, aber auch auf Zivilisten verübt. In den letzten Wochen ist es klar geworden, dass der IS dank seiner dezentralisierten Struktur wieder in die Offensive geht. Dabei profitiert die Terrormiliz viel von internationalen Herausforderungen, besonders von Spannungen zwischen Russland sowie der syrischen Regierung auf der einen und den USA auf der anderen Seite. Im Osten Syriens befinden sich nur noch ungefähr 900 US-Soldaten, die zusammen mit der kurdischen Miliz YPG eine Eskalation der Lage verhindern sollen. Mehrere Gebietsstreifen im Norden Syriens sind von der Türkei besetzt, die oft die mit den USA verbündete kurdische Miliz angreift. Russland, die wichtigste militärische Kraft in Syrien, hat auch viele Soldaten aus dem Land abgezogen, um sie im eigenen Krieg gegen die Ukraine einzusetzen. Mittlerweile erstarken IS-Schläferzellen und warten auf Einsatzbefehle. 6) dw: Mehr als 20 syrische Soldaten sterben bei IS-Angriff; Artikel vom 11.08.2023 7) orf: Aktivisten: 26 syrische Soldaten sterben bei IS-Angriff; Artikel vom 11.08.2023 8) tagesspiegel: „Islamischer Staat“ in Syrien: Der Schrecken kehrt zurück; Artikel vom 13.08.2023
Die Entstehung des IS hat mit der westlichen Nahostpolitik viel zu tun. Als die Amerikaner 2003 Saddam Hussein stürzten, die irakische Armee und die Baathpartei auflösten, löste sich eine große Welle der Frustration unter Hunderttausenden Irakern aus. Das waren Soldaten, ehemalige Führungskader und Beamte, die sich dazu entschlossen, Widerstand gegen die US-Truppen zu leisten. So ist die Terrororganisation „Al Qaida im Irak“ entstanden. Daraus wurde 2006 der „Islamische Staat im Irak“ (ISI). Die ISI expandierte 2003 ins zerfallende Syrien und strebt seitdem die Errichtung eines Kalifates im Irak, in Syrien, Jordanien, dem Libanon und Palästina an. Die USA hat noch ein zweites Mal zum Aufstieg des Islamischen Staates beigetragen. In Syrien kämpften die Dschihadisten zunächst nicht gegen die Armee von Bashar al-Assad, sondern um die Vorherrschaft in den zuvor von syrischen Rebellen befreiten Gebieten. Somit konnte die Regierung in Damaskus ungehindert und gewaltsam gegen die Aufständischen vorgehen. Die USA hatten damals tatenlos zugesehen, als die syrischen Zivilisten bombardiert und ausgehungert wurden. Als 2006 der Schiit Nuri al-Maliki zum ersten regierenden Ministerpräsidenten von dem Irak wurde, begann er die Menschen der anderen größten Glaubensrichtung, die Sunniten, zu unterdrücken. Proteste wurden brutal niedergeschlagen. So entstanden in der Region immer mehr Konflikte. Das resultierte in einer fatalen gesellschaftlichen Spaltung, wobei sich immer mehr Islamisten Widerstandsbewegungen oder radikalen Gruppen anschlossen. 9) taz: Die doppelte Schuld der USA; Artikel vom 17.08.2014
Wie wirkt sich diese Lage auf die Bevölkerung Syriens aus? Die Währung ist kollabiert. Die Menschen leiden unter Krankheiten und Mangel ärztlicher Hilfe. Laut dem Welternährungsprogramm haben 12,4 Millionen Syrer keinen gesicherten Zugang zu Nahrung. Die soziale Lage hat sich in den letzten Jahren durch die Corona-Pandemie noch verschlechtert. Der gewaltsame Konflikt hat mehr als die Hälfte der Bevölkerung in die Flucht getrieben. Im März 2022 betrug die Anzahl der im Ausland lebenden syrischen Flüchtlinge 6,5 Millionen. Die Türkei ist für den Großteil davon der Zufluchtsort. Obwohl die Syrer im Ausland Schutz finden, wächst unter der Bevölkerung mancher Aufnahmeländer die Unzufriedenheit, da die Flüchtlinge als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt betrachtet werden. Manche Länder fordern sogar, dass die Syrer in ihre Heimat zurückkehren. Laut Human Rights Watch drohen ihnen in Syrien jedoch Inhaftierung, Folter und Hunger. Trotzdem beharren viele Länder auf ihrem Standpunkt. Die dänische Einwanderungsbehörde hat sogar die Aufenthaltstitel der Syrer im Land widerrufen und so einen gefährlichen Präzedenzfall für die EU geschaffen. Falls eine neue Offensive des Regimes stattfindet, könnten noch Hunderttausende fliehen. Selbst die Zahl der Binnenflüchtlinge erhöht sich ständig. Viele davon leben in riesigen Lagern und in schwierigen Bedingungen an der türkischen Grenze. 10) Neue Zürcher Zeitung: Bürgerkrieg in Syrien: Mindestens vier Tote nach mutmasslichem israelischen Angriff; Artikel vom 07.08.2023 11) Human Rights Watch: Syria: Returning Refugees Face Grave Abuse; 20.10.2021
Nach mehr als 12 Jahren ist in Syrien immer noch kein Ende des Kriegs zu sehen. Durch den Krieg sind rund 13 Millionen Menschen auf der Flucht – die Hälfte von ihnen hat Syrien verlassen, die anderen leben als Geflüchtete im eigenen Land. Auch in den Gebieten des Regimes leiden die Menschen an Armut und Hunger. Mittlerweile verwickeln sich immer mehr Interessensgruppen in den Konflikt und tragen somit zu einer der größten Krisen unserer Zeit bei.
Fußnoten und Quellen:
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