![© Massimo Valicchia | Dreamstime.com | Bild: "Freies Palästina" © Massimo Valicchia | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime Viele Menschen halten ein "Free Palestine"-Schild, während sie die Straße überqueren. Ein friedlicher Protest italienischer Palästinenser gegen die israelische Besatzung und die Invasion der Hamas in Palästina. (Datum: 17. Januar 2009 am Nachmittag) © Massimo Valicchia | Dreamstime.com | Bild: "Freies Palästina" © Massimo Valicchia | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime](https://www.fluchtgrund.de/files/2023/05/dreamstime_m_7795745-713x477.jpg)
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Millionen Palästinenser auf der Flucht ohne Aussicht auf Rückkehr
Vor 75 Jahren, am 15. Mai 1948, spielte sich eine der größten Katastrophen in der Geschichte der palästinensischen Nation ab. Der sogenannte Nakba-Tag (auf Deutsch Katastrophen- oder Unglückstag) ist der Tag nach der Ausrufung des israelischen Staates und markiert nichts Geringeres als den Beginn des Heimatverlusts der palästinensischen Bevölkerung und des Nahostkonflikts. Seit Jahrzehnten gehen zahlreiche Palästinenser an diesem denkwürdigen Tag auf die Straßen und protestieren gegen den Verlust ihrer Heimat und den zunehmenden israelischen Siedlungsbau im Westjordanland und Ostjerusalem. Erst kürzlich kündigte die israelische Regierung weitere Legalisierungen von 10.000 Siedlungsbauten in palästinensischen Gebieten an, was die territoriale Grundlage für einen künftigen palästinensischen Staat immer weiter in die Ferne rücken lässt. Neben den Gebietsverlusten beklagen die Demonstrierenden die immer noch anhaltende systematische Unterdrückung und Diskriminierung des palästinensischen Volkes. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der israelischen Regierung vor, eine Apartheidherrschaft zu führen. 1)Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Die Geschichte Palästinas; Stand Mai 2023 2)ZDF: Deutschland lehnt israelische Siedlungspläne ab; Artikel vom 14. Februar 2023 3)Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Der Nahostkonflikt; Stand Mai 2023 4)Amnesty International: Israel´s apartheid against Palestinians: Cruel system of domination and crime against humanity; Artikel vom 1. Februar 2022
Wie der Nahostkonflikt angefangen hat
Um die heutigen Entwicklungen im Nahen Osten zu verstehen, ist es unerlässlich, den historischen Hintergrund des Konflikts kurz zu skizzieren. Infolge des zweiten Weltkriegs und dem Holocaust sah die U.N. für die jüdische Bevölkerung einen eigenen Staat vor. Hierzu sollte die historische Region Palästina aufgeteilt werden. Diese war zu dem Zeitpunkt britisches Mandatsgebiet, in dem es zunehmend zu Spannungen zwischen der palästinensischen Bevölkerung und den jüdischen Geflüchteten aus Europa kam. Der U.N.-Teilungsplan sah vor, dass die damals 1,3 Millionen Palästinenser rund 43 Prozent der Gesamtfläche des Landes bekommen sollten, während die knapp 600.000 Juden rund 56 Prozent des Landes erhalten sollten. Die arabischen Staaten sprachen sich klar gegen diesen Plan aus. Laut ihnen hätte die U.N. nicht das Recht, über Palästinas Zukunft gegen den Willen und auf Kosten der dort lebenden arabischen Mehrheit zu entscheiden. Daher marschierten die Armeen Ägyptens, Jordaniens, Syriens, des Libanons, des Iraks und Saudi-Arabiens am 16. Mai 1948 in Israel ein. Entgegen ihrem Ziel verloren sie immer mehr Gebiete. Gebiete, die nach dem U.N.-Teilungsplan ursprünglich der palästinensischen Bevölkerung zugeschrieben wurden. Immer mehr Palästinenser wurden von israelischen Truppen aus ihrer Heimat vertrieben. Allein im ersten arabisch-israelischen Krieg wird von etwa 750.000 Geflüchteten ausgegangen. Auf beiden Seiten kam es zu Übergriffen und zur Tötung von Zivilisten. In den Jahren danach folgten noch einige weitere Krisen und Kriege, die zu weiteren Gebietsverlusten, hunderttausenden palästinensischen Geflüchteten und Todesopfern auf beiden Seiten führten.

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Mit dem Osloer Friedensabkommen sollte der jahrzehntelangen Feindschaft zwischen Israelis und Palästinensern ein Ende gesetzt werden. Nach monatelangen Verhandlungen unter Vermittlung der USA erkannten sich Israel und die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO gegenseitig an. Sie vereinbarten einen Waffenstillstand und einigten sich auf eine fünfjährige Übergangszeit, in der die Palästinenser in Teilen des Westjordanlandes und im Gazastreifen die Selbstverwaltung übernehmen sollten. Die Osloer Friedensprozesse scheiterten jedoch aufgrund von Anschlägen der israelischen Ultrarechten und der rechtsradikal-palästinensischen Terrororganisation Hamas, die beide gegen die Pläne waren. 7)Deutschlandfunk: 25 Jahre Oslo-Abkommen – Vom Ende großer Hoffnungen; Artikel vom 13. September 2018
Wie die Lage im Nahen Osten heute aussieht
Bis heute hat der Nahostkonflikt kein Ende gefunden. Immer wieder kommt es zu Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas. Die Hamas verfolgt das Ziel, Gesamtpalästina zu „befreien“ und Israel als eigenständigen Staat aufzulösen. In diesem Jahr kam es schon zu zahlreichen gewaltsamen Zusammenstößen, wie zum Beispiel im April auf dem Tempelberg. Nach Angaben der israelischen Sicherheitskräfte hatten sich Palästinenser in der Al-Aksa-Moschee verbarrikadiert, Feuerwerkskörper gezündet und Steine geworfen. Israelische Sicherheitskräfte hätten daraufhin Tränengas, Blendgranaten und Schlagstöcke eingesetzt, um die Moschee zu räumen. Dutzende von Palästinensern wurden dabei verletzt. 350 Menschen wurden festgenommen. Kurze Zeit später kam es zu wechselseitigen Raketenangriffen zwischen der Hamas und Israel. 8)Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Der Nahostkonflikt; Stand Mai 2023 9)Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen: HAMAS; Stand Mai 2023

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Immer wieder kommt es zu Protesten seitens der Palästinenser, insbesondere dann, wenn die israelische Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu ankündigt, weitere Zwangsräumungen durchzuführen oder neue Siedlungseinheiten für jüdische Siedler in besetzten Gebieten im Westjordanland zu genehmigen. Die Proteste werden dann mit Gewalt von israelischen Sicherheitskräften aufgelöst. Bei vergangenen Protesten verhaftete die israelische Polizei willkürlich friedliche Demonstranten, warf Schall- und Blendgranaten, verscheuchte Demonstranten mit Gewalt, trieb sie mit Stinkwasser auseinander und feuerte Schockgranaten ab. 12)Amnesty International: Israel´s apartheid against Palestinians: Cruel system of domination and crime against humanity; Artikel vom 1. Februar 2022
Bislang ist kein Ende des Konflikts in Sicht. Es ist wahrscheinlich, dass es in Zukunft weitere palästinensische Geflüchtete sowie weitere gewaltsame Zusammenstöße geben wird, die möglicherweise weitere Verletzte und Tote auf beiden Seiten zur Folge haben werden.
Amnesty International beschuldigt israelische Regierung der Apartheidherrschaft
In einem öffentlichen Bericht wirft Amnesty International (AI) Israel vor, an Palästinensern Apartheid zu verüben. Ein Apartheidstaat ist ein Staat, der eine bestimmte Bevölkerungsgruppe aufgrund ihrer Hautfarbe, Abstammung, nationaler oder ethnischer Zugehörigkeit systematisch diskriminiert. Die israelische Regierung greift laut AI auf verschiedene Mittel zurück, um Palästinenser in allen Lebensbereichen zu unterdrücken und Widerstand zu unterbinden. Unter anderem versuche die israelische Regierung die Palästinenser weitgehend voneinander und von der Außenwelt abzuschotten. Im Zuge der Massenvertreibung und der Zerstörung palästinensischer Dörfer seit 1948 wurden palästinensische Geflüchtete in Enklaven gezwungen. Israelische Politiker haben Gesetze und Maßnahmen eingeführt, die Palästinenser geografisch und politisch zersplittern. Zur Fragmentierung der palästinensischen Bevölkerung wären außerdem unterschiedliche Rechtssysteme in den besetzten Gebieten eingeführt worden. Nach AI solle dies nicht nur dem Zweck dienen, die Palästinenser von der jüdischen Bevölkerung abzusondern, sondern auch, um sie untereinander unterschiedlich zu behandeln, damit die Bindungen zwischen den palästinensischen Gemeinschaften schwächer werden. 13)Amnesty International: Israel´s apartheid against Palestinians: Cruel system of domination and crime against humanity; Artikel vom 1. Februar 2022
Um die Bindung zwischen der palästinensischen Gemeinschaft weiter zu schwächen, würde auch ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Palästinenser in den besetzten Gebieten benötigen eine Genehmigung der israelischen Behörden, um zwischen Enklaven oder in den und aus dem Gazastreifen, dem annektierten Ost-Jerusalem und dem restlichen Westjordanland zu reisen. Zudem wird es palästinensischen Geflüchteten im Ausland verwehrt, in ihre Heimatorte zurückzukehren. Reisen von Palästinensern aus den besetzten Gebieten ins Ausland werden von Israel ebenfalls streng begrenzt. Mit Ausnahme von Bewohnern Ost-Jerusalems, die einen dauerhaften Aufenthaltsstatus in Israel haben, können Palästinenser aus den besetzten Gebieten nicht über israelische Flughäfen ins Ausland reisen, es sei denn, sie erhalten eine Sondergenehmigung, die allerdings nur in seltenen Fällen erteilt wird. 14)Amnesty International: Israel´s apartheid against Palestinians: Cruel system of domination and crime against humanity; Artikel vom 1. Februar 2022
Es werden noch einige weitere diskriminierende Maßnahmen genannt, wie Gesetze zur Staatsangehörigkeit, die Palästinensern in allen Gebieten eine Staatsangehörigkeit verweigern. Dies führt dazu, dass Palästinensern der Zugang zu Banken, zum Arbeitsmarkt, sowie zum Gesundheits- und Bildungssystem erheblich erschwert wird. Auch herrschen Gesetze, die die Familienzusammenführung einschränken. Zehntausenden ausländischen Staatsangehörigen, die mit Palästinensern aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen verheiratet sind, wird der Aufenthaltsstatus verweigert. Jüdische Siedler in derselben Situation haben hingegen keine Schwierigkeiten, von den israelischen Behörden eine Genehmigung für die Einreise ihrer Ehepartner zu bekommen. 15)Amnesty International: Israel´s apartheid against Palestinians: Cruel system of domination and crime against humanity; Artikel vom 1. Februar 2022 16)Deutsche Welle: Die Palästinenser und Israel: Was ist die Nakba?; Artikel vom 14. Mai 2023
Zur Durchsetzung der Maßnahmen wird das israelische Militär eingesetzt. Trotz der Einrichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde kontrollieren und beschränken mehr als 1.800 israelische Militärbefehle alle Aspekte des Lebens der Palästinenser im Westjordanland – von der Bewegungsfreiheit bis hin zur Inhaftierung und Verfolgung. Seit 1967 haben die israelischen Behörden über 800.000 palästinensische Männer, Frauen und Kinder im Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, und im Gazastreifen verhaftet. Viele von ihnen wurden vor Militärgerichte gebracht, die laut AI jedoch nicht die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren einhalten. Die Verfahren enden überwiegend mit Verurteilungen. Jüdische Siedler unterliegen nicht den Militärbefehlen und werden vor israelische Zivilgerichte statt vor Militärgerichte gebracht. 17)Amnesty International: Israel´s apartheid against Palestinians: Cruel system of domination and crime against humanity; Artikel vom 1. Februar 2022
Palästinensern bleiben wenig Möglichkeiten, sich gegen dieses Regime zu wehren. Man findet kaum Politiker, die den Bedürfnissen der Palästinenser gegenüber responsiv sind. Israel beschreibt sich zwar als liberale Demokratie und so sollten auch Palästinenser vom aktiven und passiven Wahlrecht Gebrauch machen können, jedoch wird die Repräsentation der palästinensischen Bürger durch mehrere Gesetze und Maßnahmen eingeschränkt. Friedliche Proteste seitens der Palästinenser werden oftmals mittels Massenverhaftungen und Gewalt durch die israelische Polizei unterbunden. Nach ihrer Verhaftung kommen Palästinenser in der Regel in Untersuchungshaft, während jüdische Demonstranten meistens auf Kaution freigelassen werden. 18)Amnesty International: Israel´s apartheid against Palestinians: Cruel system of domination and crime against humanity; Artikel vom 1. Februar 2022

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Nach Ansicht von AI kommen alle diese Maßnahmen der Apartheid gleich. Apartheid stellt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der Anti-Apartheidkonvention und des Römischen Statuts dar. Die israelische Regierung weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet den Bericht als „falsch, einseitig und antisemitisch“. Auch die deutsche Regierung widerspricht den Vorwürfen: „Begriffe wie Apartheid ebenso wie eine einseitige Fokussierung auf Israel lehnen wir ab“, sagte Regierungspressesprecher Steffen Hebestreit. Dennoch hat der Bericht eine Debatte in Israel entfacht. Dabei wird der Apartheid-Begriff nicht von allen Israelis abgelehnt. Das bestätigt eine repräsentative Umfrage unter der jüdischen Wahlbevölkerung in den USA im Jahr 2021 unterstützt, bei der 25 Prozent der Befragten der Aussage zustimmten, Israel sei ein Apartheidstaat. 20)Amnesty International: Israel´s apartheid against Palestinians: Cruel system of domination and crime against humanity; Artikel vom 1. Februar 2022 21)Stiftung für Wissenschaft und Politik: Amnesty International und der Apartheid-Vorwurf gegen Israel; Artikel vom 22. Februar 2022 22)SPIEGEL Online: Bundesregierung nimmt Israel gegen Amnesty in Schutz; Artikel vom 2. Februar 2022
Die Stiftung für Wissenschaft und Politik stimmt dem Bericht in vielen Aspekten zu, regt allerdings dazu an, die Bewertung von AI kritisch zu betrachten. Unter anderem würde der Bericht den Eindruck vermitteln, als seien alle Maßnahmen der israelischen Regierung von der Staatsgründung an geplant gewesen, mit dem Vorsatz die palästinensische Bevölkerung zu unterdrücken. Damit würde jedoch die Konfliktdynamik ausgeblendet, die immer wieder zu einer Verschärfung des Konflikts geführt und folglich alternative Entwicklungen verhindert hat. Auch die innerpalästinensische Spaltung würde nicht ausreichend berücksichtigt, ebenso wenig wie bestimmte Rechte, insbesondere das Recht auf Selbstbestimmung, das sowohl Israelis als auch Palästinensern zusteht. 23)Stiftung für Wissenschaft und Politik: Amnesty International und der Apartheid-Vorwurf gegen Israel; Artikel vom 22. Februar 2022
Welche Rolle Deutschland im Konflikt spielt
Einige weitere Staaten sind indirekt in den Konflikt involviert. So erhält das israelische Militär seine Waffen vor allem aus den USA und Deutschland. Obwohl beide Länder Maßnahmen wie den Ausbau weiterer israelischer Siedlungen in den besetzten Gebieten verurteilen und für Frieden in der Region plädieren, liefern sie weiterhin Waffen an Israel, die unter anderem gegen friedlich protestierende Palästinenser verwendet werden. Auf die USA entfallen 81,8 Prozent der zwischen 2000 und 2019 nach Israel importierten Waffen. Deutschland folgt mit 15,3 Prozent als zweitwichtigster Importeur für Israel. 24)Statista: Share of arms imported in Israel between 2000 and 2019, by supplier country; Artikel vom November 2020

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Fußnoten und Quellen:
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