![Die Gewinnung von seltenen Erden aus Manganknollen könnte ganze Ökosysteme zerstören. | Bild: "Unterwasserlandschaft mit Sonnenstrahlen" © Ribe | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime Eine Unterwasserlandschaft mit blauem Wasser und Sonnenstrahlen Die Gewinnung von seltenen Erden aus Manganknollen könnte ganze Ökosysteme zerstören. | Bild: "Unterwasserlandschaft mit Sonnenstrahlen" © Ribe | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime](https://www.fluchtgrund.de/files/2023/04/dreamstime_m_7777821-713x475.jpg)
Die Gewinnung von seltenen Erden aus Manganknollen könnte ganze Ökosysteme zerstören. | Bild: "Unterwasserlandschaft mit Sonnenstrahlen" © Ribe | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime
Tiefseebergbau könnte ganze Ökosysteme zerstören
In der Tiefsee herrschen absolute Dunkelheit und Temperaturen zwischen 2 und 3 Grad Celsius. Trotzdem gehen Forscher davon aus, dass 50 bis 80 Prozent allen Lebens dieser Erde genau dort vorkommen. Ökosysteme, von denen wir bisher vermutlich gerade einmal 0,1 Prozent erforscht haben. Bei jeder Expedition sind 70 bis 90 Prozent der gefundenen Spezies für Ozeanographen und Biologen neu. Die Tiefsee ist somit ein Raum über den Experten zum heutigen Forschungsstand nur wenige Prognosen machen können. Niemand kann sicher sagen, welche Folgen ein menschliches Eingreifen in die Ökosysteme der Tiefsee haben würde. Und trotzdem stehen wir kurz davor Lizenzen für Tiefseebergbau-Vorhaben zu vergeben. 1)National Geographic: Geheimnisse der Tiefsee: „Unglaubliche Artenvielfalt“; Artikel vom 15.07.22 2)Planet Wissen: Tiere im Wasser – Tiere der Tiefsee; Artikel vom 04.11.19 3)The Guardian: Deep-sea mining for rare metals will destroy ecosystems, say scientists; Artikel vom 26.03.23 4)Fauna & Flora: Report – Update to “An assessment of the risks and impacts of seabed mining on marine ecosystems”; Artikel vom 20.03.23
Bisher ist Tiefseebergbau noch nicht erlaubt. Die meisten Rohstoffvorkommen befinden sich außerhalb staatlicher Hoheitsgebiete im Pazifik, genauer in der Clarion- und Clipperton-Bruchzone zwischen Mexico und Hawaii. Laut der „United Nations Convention on the Law oft he sea“ darf sich das nationale Gebiet eines Staates nicht weiter als 12 Seemeilen von der Küste entfernt erstrecken. Die Majorität der Rohstoffansammlungen liegt allerdings außerhalb dieser Zonen in internationalen Gewässern. Für die Lizenzvergabe in diesen Arealen ist die „International Seabed Authority“ (ISA) zuständig. Bisher wurden durch sie 31 Explorationsverträge vergeben, die das Erkunden der Ressourcen erlauben aber noch keinen Abbau. Auch Deutschland hat seit 2006 einen solchen Vertrag für ein 75.000 Quadratkilometer großes Gebiet. Allerdings kann sich das bald ändern, da der Inselstaat Nauru durch seinen Abbauantrag 2021 eine 2 Jahres Klausel ausgelöst hat. Diese läuft am 09. Juli dieses Jahres ab. Sollte es der ISA bis dahin nicht gelingen umweltverträgliche Regularien aufzustellen, werden die Folgen laut Experten vermutlich verheerende für die gesamte Menschheit sein. 5)DW: Tiefseebergbau: Wichtig furs Klima, Gefahr für die Meere?; Artikel vom 04.04.23 6)United Nations: Convention on the Laws of the Sea; 1982 7)Entwicklungspolitik Online: Tiefseebergbau – Misereor setzt sich für Verbot ein; Artikel vom 13.04.23 8)Bundesregierung: Nachhaltigkeitspolitik – Tiefseebergbau – Einzigartige und fragile Ökosysteme schützen; Artikel vom 24.01.23 9)Zeit: Rohstoffe aus dem Meer – Keine Einigung bei Regelwerk für Tiefseebergbau; Artikel vom 01.04.23 10)Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: Marine Rohstoffe – Tiefseebergbau – Ökologische und Sozioökonomische Auswirkungen; Stand April 2023 11)Misereor: Eine Bedrohung für die Menschheit; Artikel vom 12.04.23
Von der Tiefsee spricht man ab einer Tiefe von 800 Metern. Die für den Bergbau besonders interessanten Manganknollen finden sich in trillionenfacher Ausführung 3000 bis 4000 Meter unter dem Meeresspiegel. Diese „Knollen“ bestehen vorwiegend aus Mangan und Eisen aber mit einem Anteil von 3 Prozent finden sich auch die seltenen Erden Nickel, Kupfer und Kobalt in ihnen. Die Förderung dieser Rohstoffvorkommen geschieht durch das Herablassen gesondert dafür entwickelter Maschinen, die in ihrer Größe und Aussehen Planierraupen ähneln. Unbemannt können sie dem hohen Wasserdruck standhalten und sind durch Rohrsysteme mit einem Schiff verbunden. Die Maschinen fahren auf Ketten über den Meeresboden, saugen durch Unterdruck die oberen Zentimeter Sedimentschichten ein und filtern die Manganknollen heraus. 12)The Guardian: Deep-sea mining for rare metals will destroy ecosystems, say scientists; Artikel vom 26.03.23 13)Greenpeace: Tiefseebergbau – der neue Goldrausch; Artikel vom 03.04.23 14)Tagesschau: Tiefseebodenbergbau – Folgen noch nicht abzusehen; Artikel vom 22.02.23
Diese Maschinen richten dabei viel Zerstörung an. Laut eines Berichts der Naturschutzorganisation „Fauna & Flora International“ über die Risiken und Auswirkungen von Tiefseebergbau auf die maritimen Ökosysteme wären die Folgen umfassend, unumkehrbar, dauerhaft und unvermeidbar. Anders ausgedrückt, die Meeresökologie, wie wir sie heute kennen, würde unwiederbringlich zerstört werden. Eine Auswirkung wäre die Verschmutzung der Meere durch die aufgewirbelten Sedimentteilchen. Sie werden einmal komplett durch die Maschine gesaugt und dann als „Abfall“ wieder ins Meer abgelassen. Es wird vermutet, dass die Mikroorganismen auf dem Meeresgrund sehr sensibel auf solche Sedimentwolken reagieren, da sie sauberes Wasser gewöhnt sind. Dadurch könnten die Atmung, die Biolumineszenz und die Reproduktion beeinträchtigt werden. Auch die Geräuschkulisse, die durch den Abbau entsteht, hätte negative Folgen. Der Lärm kann die Orientierungsfähigkeit, die Kommunikation sowie die Nahrungsbeschaffung stören und somit Fischbestände gefährden. Laut Experten ist der Lärm, der durch eine einzige Abbaumaschine erzeugt wird, mehrere 100 Kilometer zu hören. Hochrechnungen gehen von einer betroffen Fläche von etwa 5,5 Millionen Quadratkilometern aus, wenn man die Geräusche von allen möglichen Manganabbaugebieten im Pazifik zusammen nimmt. 15)Fauna & Flora: Report – Update to “An assessment of the risks and impacts of seabed mining on marine ecosystems”; Artikel vom 20.03.23 16)Umwelt Bundesamt: Unterwasserlärm; Artikel vom 24.06.22
Ein drittes Risiko des Tiefseebergbaus ist die Freisetzung der im Meeresboden gespeicherten Treibhausgase. Die Ozeane nehmen jährlich etwa 2,6 Gigatonnen Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre auf, was etwa einem Drittel der gesamten anthropogenen Emissionen entspricht. Zudem werden über 90 Prozent der überschüssigen Hitze durch die globale Erwärmung aufgenommen. Die Ozeane dienen uns also bisher als Puffer und schwächen die Auswirkungen des Klimawandels ab. Durch das Aufwirbeln des Meeresgrundes in Folge des Tiefseebergbaus lösen sich die gebundenen Kohlenstoffe und verstärken die Versauerung der Meere zusätzlich. Je saurer sie werden, desto weniger neuen Kohlenstoff können sie aufnehmen und die Meeresbewohner benötigen mehr Energie für ihr Wachstum oder die Fortpflanzung. 17)Fauna & Flora: Report – Update to “An assessment of the risks and impacts of seabed mining on marine ecosystems”; Artikel vom 20.03.23 18)Öko Test: Versauerung der Meere: Das sind die fatalen Auswirkungen auf die Umwelt; Artikel vom 20.08.20
All diesen Folgen des Tiefseebergbaus wären die Küstenbewohner des Pazifikbereichs sowie die Bewohner Ozeaniens als erste ausgesetzt. Laut der Welternährungsorganisation ist der Ozean für drei Milliarden Menschen die primäre Nahrungsquelle. Durch den Bergbau werden jedoch mikroskopisch kleine Metallpartikel oder andere Toxine freigesetzt, die dann durch die Nahrungskette auch Fische betreffen können. Bei Verzehr kann sich dies gesundheitsschädigend auswirken. Etwa 600 Millionen Menschen bestreiten ihren Lebensunterhalt entweder direkt oder indirekt durch Fischerei. Fischern könnten jedoch, durch eine Migration der Fischschwärme in weniger lärmbelastete Gebiete, die Fänge ausbleiben. Als Folge dessen müssten Hunderte Millionen Menschen unter Arbeitsverlust und Hunger leiden. Die langfristige Konsequenz wäre vermutlich ein Abwandern der Betroffenen in andere Gebiete. Zudem würden die Folgen einer Freisetzung von Treibhausgasen und die Auswirkungen des Klimawandels interagieren. Dies würde die globale Erwärmung beschleunigen und somit zu extremeren Umweltereignissen wie beispielsweise Überschwemmungen der Küstenregionen führen. Auch dadurch würden Menschen millionenfach zur Flucht aus ihrer Heimat getrieben. 19)Entwicklungspolitik Online: Tiefseebergbau – Misereor setzt sich für Verbot ein; Artikel vom 13.04.23 20)Fauna & Flora: Report – Update to “An assessment of the risks and impacts of seabed mining on marine ecosystems”; Artikel vom 20.03.23
All diesen Gründen gegen einen Start stehen die Argumente der Tiefseebergbau-Lobby gegenüber. Hauptrechtfertigung der Metallindustrie ist, dass es für die Energiewende benötigten Batterien nicht ausreichend irdische Rohstoffe gibt. Greenpeace konnte dies jedoch in Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut in einer eigenen Studie widerlegen. Lithium, ein Hauptbestandteil von Batterien, kann nicht aus Manganknollen gewonnen werden. Zudem greifen immer mehr Unternehmen auf Batterien zurück, die ohne Nickel und Kobalt funktionieren. Der technische Fortschritt lässt also eine immer geringer werdende Nachfrage nach diesen seltenen Erden schließen. Zweites Argument der Befürworter ist, dass die Maschinen „sauber“, also umweltfreundlich arbeiten. Wie schon erklärt, ist genau das Gegenteil der Fall, Bergbauarbeiten greifen massiv in die Ökosysteme ein und zerstören die Umwelt. Zuletzt weisen die Unternehmen noch auf die Menschenrechtsverletzungen in vielen Minen an Land hin, die durch Tiefseebergbau nicht entstehen würden. Hierbei stellt sich die Frage, ob man diese Unrechte gegeneinander aufwiegen kann. Es muss aktiv etwas gegen die Missstände an Land getan werden, ohne es gegen die Zerstörung der Ozeane einzutauschen. Um diese Entscheidung hinfällig werden zu lassen, ist es wichtig, dass der Recycling-Kreislauf für seltene Rohstoffe ausgebaut wird und wir unseren Konsum generell zurückschrauben. 21)Greenpeace: Tiefseebergbau – der neue Goldrausch; Artikel vom 03.04.23
Denn Forscher sind sich sicher: Wenn es diesen Sommer zur Genehmigung von Tiefseebergbau kommt, wird die Meeresökologie wie man sie heute kennt unwiederbringlich zerstört. Jährlich würden wir durch den Abbau eine Fläche von etwa 42.000 Fußballfeldern vernichten. Es würde Jahrtausende dauern, bis sich diese Ökosysteme wieder erholt haben. Deutschland hat sich dafür ausgesprochen die Unterstützung des Tiefseebergbaus auszusetzten, bis ausreichendes Wissen über Auswirkungen auf die Meeresbiologie bekannt ist. 22)Entwicklungspolitik Online: Tiefseebergbau – Misereor setzt sich für Verbot ein; Artikel vom 13.04.23
Fußnoten und Quellen:
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