Schuldenkrise der Entwicklungsländer statt erfolgreicher Inflationsbekämpfung: Folgen der westlichen Zentralbankpolitik
Die Zentralbanken westlicher Länder wie die Europäische Zentralbank (EZB), die Bank of England, oder die amerikanische Federal Reserve (FED) heben allesamt stark die Zinsen an, um die seit langem höchste Inflation zu bekämpfen. Doch damit wird sowohl die Gefahr einer globalen Rezession als auch einer Schuldenkrise provoziert, worunter die ärmsten Länder dieser Welt am meisten leiden werden. Die UN schätzt, dass die Zinssteigerungen Entwicklungsländer 3,6 Billionen US-Dollar künftiger Einnahmen kosten könnten. 1)The Guardian: UN accuses richest countries of ‚imprudent gamble‘ in inflation fight; 03.10.2022 Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds(IWF) gehen davon aus, dass allein die Hälfte der ärmsten Länder der Welt vor einer Überschuldung stehen.
Die drohenden Folgen lassen sich bereits jetzt an Sri Lanka beobachten. Das Land hat kein Geld mehr, um lebensnotwendige Güter wie Lebensmittel, Benzin, Medikamente etc. zu importieren. Es gibt 60 Prozent Inflation und es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und Demonstrierenden. Es herrscht Hunger und Armut.
Viele Länder sind, wie Sri Lanka, auf Importe von Lebensmitteln, Medizin, fossilen Rohstoffen etc. angewiesen. Dafür brauchen sie jedoch meist Dollar, die sie nicht wie ihre eigene Währung erzeugen können. Dollar können die Entwicklungsländer nur durch die Exportorientierung der Wirtschaft verdienen. Deswegen ist der Tourismus und oft auch der Außenhandel so wichtig. Doch an diesem Modell gibt es ein Problem. Wenn der Dollarfluss ins Land sich verringert, können die Importe nicht mehr bezahlt werden und es müssen neue Kredite aufgenommen werden. Diese wiederum müssen aber wieder mit Dollar abgetragen werden, und die Länder stehen vor dem Dilemma entweder die Importe oder die Zinslast zu bezahlen. Ohne funktionierende Exportwirtschaft entkommen die ärmsten Länder diesem Teufelskreis nicht mehr. In der jetzigen Lage wird dies durch mehrere Faktoren erschwert. So sind zum einen aufgrund der Corona-Pandemie viele Lieferketten weggebrochen und der Tourismus kam zum Erliegen. Zum anderen bewirkt der Krieg in der Ukraine massive Preisschübe bei fossilen Rohstoffen.
Hinzu kommen die Zinssteigerungen der Zentralbanken. Diese haben mehrere Auswirkungen. Zum einen müssen Entwicklungsländer mehr Geld für Zinsen aufwenden. Dies gilt für neue Kredite, aber auch für solche mit variablen Zinsen. Der Anteil dieser hat seit den 2000er-Jahren beständig zugenommen.2)Geld für die Welt: Nächster Halt Schuldenkrise; 01.08.2022 Es wird geschätzt, dass etwa 22 Billionen Dollar für neue Zinskosten aufgewendet werden müssen, darunter etwa ein Viertel von Entwicklungsländern.
Außerdem kommt es zu einer Aufwertung des Dollars gegenüber anderen Währungen vieler Länder aufgrund der hohen Zinsen und, weil US-Staatsanleihen als sichere Anlage in einer solch chaotischen Zeit gelten. In der Vergangenheit war eine einprozentige Aufwertung des Dollars mit einem um 0,63 Prozent niedrigerem Wachstum für Entwicklungsländer verbunden. 3)Adam Tooze: Chartbook #158: Recession risk in a world in the grip of the global dollar cycle; 05.10.2022
Die Aufwertung macht die Importe für viele arme Länder teurer, was die Inflation im Land befeuert. Das wiederum führt zu höheren Risikoaufschlägen für die Anleihen der Länder. Somit muss noch mehr Geld für Zinskosten aufgewandt werden. Das führt dazu, dass ein Großteil des Staatshaushalts in die Kredittilgung fließt. In manchen Ländern ist die Zins-Steuer-Quote sogar bei über 100%. Das heißt die Steuereinnahmen reichen nicht einmal für alle Zinszahlungen geschweige denn für andere Ausgaben. In Deutschland beispielsweise liegt sie bei 2 Prozent.4)Geld für die Welt: Nächster Halt Schuldenkrise; 01.08.2022 Die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) schätzt, dass 60 Prozent der Länder mit niedrigem Einkommen vor der Überschuldung stehen. Damit ist das Risiko einer globalen Schuldenkrise hoch. Es stellt sich die Frage, wie lange sich die Entwicklungsländer dieser Gefahr entgegenstellen können, vor dem Hintergrund global steigender Zinsen.5)Adam Tooze: Chartbook #158: Recession risk in a world in the grip of the global dollar cycle; 05.10.2022 Deutschland sollte sich deshalb für Schuldenerlasse und Zinsstreckungen stark machen. Die UNCTAD empfiehlt zur Bekämpfung der Inflation Preiskontrollen, Übergewinnsteuern, strengere Regulierung der Rohstoffspekulation und verschärftes Kartellrecht. 6)The Guardian: UN accuses richest countries of ‚imprudent gamble‘ in inflation fight; 03.10.2022
Fußnoten und Quellen:
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