![Solchen Kleinbauern wird oft Land von großen Unternehmen oder Investoren geraubt. | Bild: "Working in the field" © Edwardje [Royalty Free] - Dreamstime.com Landraub von Kleinbauern Solchen Kleinbauern wird oft Land von großen Unternehmen oder Investoren geraubt. | Bild: "Working in the field" © Edwardje [Royalty Free] - Dreamstime.com](https://www.fluchtgrund.de/files/2015/11/Bauer_Feld_300-300x189.jpg)
Solchen Kleinbauern wird oft Land von großen Unternehmen oder Investoren geraubt. | Bild: "Working in the field" © Edwardje [Royalty Free] - Dreamstime.com
Landgrabbing gefährdet weiterhin Kleinbauern
Peter Nezi ist geblieben. Der Bauer aus dem kleinen Dorf Guluku im Süden Kenias ist einer der wenigen Bewohner, der sich nicht vom australischen Bergbaukonzern Base Titanium umsiedeln ließ. Dieser baut auf einer fast 2000 Hektar großen Fläche wertvolle Titaniumoxide und Zirkon ab. Im Gegensatz zu vielen Bewohnern des Dorfes konnte Nezi sich nicht mit dem Konzern auf eine Entschädigung einigen. Für die Landflächen bot das Unternehmen extrem niedrige Preise, pro Hektar veranschlagten sie nur 100 Euro. Andere wurden mit für den Anbau ungeeignetem, teils sumpfigem Land ohne Bäume entschädigt. 1)tagesschau: Landnahme zu Spottpreisen; nicht mehr verfügbar
Solch ein Aufkauf von Land mit oft unlauteren Mitteln ist keine Seltenheit. Dieses Phänomen wird als „land grabbing“ bezeichnet und beschreibt die Sicherung großer Agrarflächen seitens privater Investoren als auch staatlicher Akteure für den Anbau von Agrarrohstoffen oder Lebensmitteln für den globalen Markt. Das Ausmaß dieser Geschäfte ist enorm. So schätzte Oxfam 2011, dass bereits eine Fläche Westeuropas aus dem Besitz von Kleinbauern in den von Kapitalgesellschaften gewechselt ist. Das Netzwerk Land Matrix verzeichnet zwischen den Jahren 2000 und 2014 den Kauf oder die Pachtung von insgesamt 51,61 Millionen Hektar Ackerfläche von ausländischen Investoren und insgesamt 1807 Deals. 2)WELTERNÄHRUNG: Der große Appetit auf Agrarland; 04/2020 3)weltagrarbericht: Landgrabbing; Stand 2022 4)bpb: Landgrabbing: Wie der Hunger nach Boden die Welternährung bedroht; 22.12.2017
Viele verschiedene Akteure sind an diesen Geschäften beteiligt, einen wichtigen stellt die Energiewirtschaft dar. Sie nutzen die Flächen für den Anbau von Agrorohstoffen für Agrogas, Agrosprit oder Agrodiesel. Allein die Hälfte der Landnahmen geht auf sie zurück. Weitere Industrien, die nach Ersatz für das für ihre Prozesse benötigte Erdöl suchen, sind auch zunehmend beteiligt. Solch eine Nutzung von Agrarflächen für Energie und Industrierohstoffe ist als Konzept der Bioökonomie bekannt und wird von Deutschland und weiteren Industrieländern als Zukunft für viele Industrien angesehen. Damit steht die Bioökonomie aber in Konkurrenz mit der Lebensmittelproduktion und kann die Ernährungssicherheit gefährden. Dass bei Landgrabbing die Ernährung nicht im Vordergrund steht, zeigt sich in der Nutzung der akquirierten Flächen. So werden nur 9 Prozent für die reine Lebensmittelproduktion genutzt, 38 Prozent für Pflanzen, die nicht für die menschliche Ernährung vorgesehen sind und 15 Prozent für sogenannte Flex Crops, also entweder für Sprit, Tierfutter oder als Nahrungsmittel. 5)weltagrarbericht: Landgrabbing; Stand 15.10.2022 6)bpb: Landgrabbing: Wie der Hunger nach Boden die Welternährung bedroht; 22.12.2017
Doch Landgrabbing gefährdet nicht nur die Ernährungsversorgung im Allgemeinen, sondern hat direkte negative Folgen für die Kleinbauern vieler Länder. Oft werden sie unfreiwillig enteignet, verlieren ihren Zugang zu Wasser oder werden nicht ausreichend entschädigt. Es drohen Einkommensverluste und Ernährungsunsicherheit, auch weil der Anteil von Land, das nach Investition rein für die Lebensmittelproduktion genutzt wird, so gering ist. Viele Kleinbauern sehen sich deswegen gezwungen in die Städte abzuwandern, wo sie aber auch oft arm bleiben. Ohnehin schon arme Länder und schwache Staaten, wie in Südamerika, Afrika, Osteuropa oder Südostasien, sind besonders von Landgrabbing betroffen. In Afrika finden dabei die meisten Geschäfte statt, mehr als 40 Prozent in den letzten Jahren. Das liegt an schwachen Regularien, Bodenmärkten und Staaten. Vereinfacht werden die Landnahmen auch dadurch, dass ca. 2,5 Milliarden Menschen 50 Prozent ihrer Landfläche nur nach dem Gewohnheitsrecht nutzen. Auf nur ein Fünftel ihres Landes haben ländliche und indigene Gemeinschaften Landrechte. ((weltagrarbericht: Landgrabbing; Stand 15.10.2022)) 7)bpb: Landgrabbing: Wie der Hunger nach Boden die Welternährung bedroht; 22.12.2017 8)WELTERNÄHRUNG: Der große Appetit auf Agrarland; 04/20209)tagesschau: Landnahme zu Spottpreisen; nicht mehr verfügbar
Reiche Industrieländer tragen auch eine Verantwortung für Landgrabbing, indem sie entweder selber an den Geschäften beteiligt sind oder die nötige Regulierung nicht gewährleisten. So spielten unter den an Landgrabbing beteiligten Akteuren europäische Firmen eine zentrale Rolle. In der Vergangenheit eigneten sich 60 britische Firmen insgesamt 1,97 Millionen Hektar Land an. Danach folgen französische und italienische Unternehmen mit 600 Tausend Hektar. Was die Regulierung betrifft, setzen die Industriestaaten nur auf unzureichende freiwillige Selbstverpflichtungen. 10)bpb: Landgrabbing: Wie der Hunger nach Boden die Welternährung bedroht; 22.12.2017 11)weltagrarbericht: Landgrabbing; Stand 15.10.2022 12)WELTERNÄHRUNG: Kein Ende in Sicht: die globale Jagd nach Land; 04/2020
In den letzten Jahren war eine Veränderung beim Landgrabbing festzustellen. Land wird zunehmend als Geldanlage genutzt über Fonds institutioneller Anleger wie Pensionsfonds oder über Investitionsbeteiligungen. Neuerdings wird auch mit sogenannten Klimazertifikaten gehandelt. Dabei werden Flächen für die Land- und Forstwirtschaft gekauft, um über Pflanzen Treibhausgase zu binden. Die erhaltenen Zertifikate können dann an Klimabörsen in Geld umgewandelt werden. Auch die Landschaft der Akteure hat sich verändert. Heute treten statt großen Pensionen- oder Staatsfonds auch eher kleinere Investoren und Fonds in die Geschäfte ein. Die Finanzwirtschaft nimmt eine immer bedeutendere Rolle ein. Diese Veränderung der Landschaft hat dazu geführt, dass Landgrabbing-Geschäfte nicht mehr so sichtbar wurden und zu hören war, dass diese sogar abnahmen. Doch das ist nicht in Sicht. Beispiele dafür sind der in Paraguay gelegene Trockenwald Chaco, der jedes Jahr allein 150000 Hektar Fläche für Großfarmen verliert. Ähnliches ist in Brasilien oder Myanmar zu beobachten. Der Kampf um Land hält also weiter an. 13)WELTERNÄHRUNG: Der große Appetit auf Agrarland; 04/2020 14)bpb: Landgrabbing: Wie der Hunger nach Boden die Welternährung bedroht; 22.12.2017
Um Landgrabbing zu verhindern und die damit verbundenen negativen Folgen zu vermindern, gibt es mehrere Maßnahmen. Im Mittelpunkt sollten dabei die Kleinbauern stehen, deren Landrechte anerkannt und enteignetes Land zurückgegeben werden sollte. Zusätzlich sollte dem Privatsektor durch Rechenschaftspflichten mehr Transparenz abverlangt werden. Dies könnte durch verbessertes Monitoring von Landgeschäften ergänzt werden. Bei diesem Prozess wird es entscheidend sein, die Betroffenen einzubeziehen. 15)WELTERNÄHRUNG: Warum große Landgeschäfte weitere Landrechte bedrohen; 04/2020 16)WELTERNÄHRUNG: Kein Ende in Sicht: die globale Jagd nach Land; 04/2020
Fußnoten und Quellen:
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