![Militärisch auftretende Ranger zeigen reichen Touristen ihr Schutzgebiet. | Bild: "Ranger walking with tourists in Nairobi National Park" © Golasza [Royalty Free] - dreamstime.com Führung in einem Nationalpark Militärisch auftretende Ranger zeigen reichen Touristen ihr Schutzgebiet. | Bild: "Ranger walking with tourists in Nairobi National Park" © Golasza [Royalty Free] - dreamstime.com](https://www.fluchtgrund.de/files/2022/10/Nationalpark-713x475.jpg)
Militärisch auftretende Ranger zeigen reichen Touristen ihr Schutzgebiet. | Bild: "Ranger walking with tourists in Nairobi National Park" © Golasza [Royalty Free] - dreamstime.com
Indigene im Namen des Naturschutzes vertrieben
Angesichts der abnehmenden biologischen Vielfalt und den Millionen vom Aussterben bedrohten Spezies setzen sich viele Staaten, Klima- und Naturschützer, für eine Verdopplung der weltweiten Schutzflächen ein. So sollen bis 2030 30 Prozent aller Flächen unter Schutz gestellt werden. Bereits heute bedecken Schutzgebiete 15,73 Prozent der weltweiten Landfläche. Darunter fallen Wald –und Wildreservate sowie Nationalparks. Die meisten davon, etwa zwei Drittel, liegen im Globalen Süden. In Afrika haben Länder wie Sambia, Guinea und Namibia zwischen 36 und 42 Prozent ihrer Fläche unter Schutz gestellt, um Wildtiere und die Biodiversität zu erhalten. Das Prinzip der Schutzgebiete ist, dass Staaten die ehemaligen Bewohner aus diesen vertreiben, um sie vor menschlichen Eingriffen zu schützen. Doch dabei wurden die Interessen von Indigenen außen vor gelassen, denen jetzt unter dem Deckmantel des Naturschutzes eine Enteignung ihrer Gebiete droht. Indigene und Menschenrechtsaktivisten sprechen von einem Wettlauf um Afrika und warnen vor einem Landraub, der so groß wie der in der europäischen Kolonialzeit ist und genauso viel Leid und Tod bringen wird. Schätzungen gehen davon aus, dass bereits jetzt 10,8 bis 173 Millionen Menschen vertrieben wurden. In Zukunft könnten bis zu 300 Millionen Menschen direkt umgesiedelt und enteignet werden. 1)Foreign Policy: Western Nonprofits Are Trampling over African’s Rights and Land; 01.07.2022 2)euronews: Why the plan to protect 30% of the planet by 2030 is terrible news for Indigenous people; 15.03.2022
Trotz dieser Gefahren genießt der Plan, der als sogenannter „Post-2020 Global Biodiversity Framework“ bekannt ist, Unterstützung von zahlreichen einflussreichen Akteuren. Er wurde anfangs von westlichen gemeinnützigen Naturschutzorganisationen vorgeschlagen, dann von Firmenspendern vorangetrieben und schließlich vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen unterstützt. Die Idee von mehr Schutzgebieten, aber auch die damit einhergehenden Folgen sind hingegen nicht neu. Schon in den 80-er und 90-er Jahren, zur Zeit der Welle der neoliberalen Wirtschaftspolitik, erlebten Schutzgebiete ihr größtes Wachstum. Mächtige Institutionen wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank trieben mittels sogenannter Strukturanpassungsprogramme unter Zwang die wirtschaftliche Entwicklung im Tourismusbereich durch die Erhaltung von Wildtieren voran. Dies ermöglichte Touristen aus den Mittel –und Oberschichten die Wildnis voller berühmter Landschaften und Tiere zu genießen. Daneben werden Bildungsprogramme angeboten, wo meist westliche Wissenschaftler und ein örtlicher Reiseleiter um Spenden für die Rettung der Wildtiere bitten.
Doch die dahinterliegenden Strukturen von Schutzgebieten sind nicht so harmlos, wie es zunächst klingt. Die Interessen privater, meist westlicher, gemeinnütziger Organisationen und nicht die der Staaten und schon gar nicht die der lokalen Bevölkerung der Schutzgebiete stehen im Vordergrund.
So sind Schutzgebiete sehr oft mit der Vertreibung der indigenen lokalen Bevölkerung verbunden. Es finden militärisch disziplinierte Umsiedlungsprogramme statt und anschließend gibt es Überwachungsmaßnahmen, die die Vertriebenen davon abhalten sollen, wieder in ihre Gebiete zurückzukommen. Neben den Vertreibungen und der anschließenden Verwehrung des Zugangs zu ihren Gebieten, gibt es noch weitere Maßnahmen, die die Rechte der lokalen Bevölkerung beschneiden. So wird die Nutzung von Subsistenzressourcen kriminalisiert, was mit Nachdruck durchgesetzt wird. Es kommt dabei immer wieder zu Verhaftungen und Tötungen. Ein Beispiel ist ein Bericht darüber, wie 500 mosambikanische Männer wegen des Vorwurfs der Wilderei von südafrikanischen Parkwächtern getötet wurden. Die Folgen all dessen für die Indigenen sind katastrophal. Fischergemeinschaften, für die die Fischerei die Haupteinkommens- als auch Eiweißquelle ist, haben nicht mehr Zugang zu Süßwasserressourcen, andere keinen mehr zu Wildfleisch. Dies gefährdet die Ernährungssicherheit abgelegener ländlicher Gemeinschafen. Hinzu kommen dadurch entstehende Konflikte untereinander. So wird den Viehzüchtern Weideland weggenommen, was zu Streit mit den Ackerbauern führt. Der kulturelle Aspekt spielt auch eine Rolle. Die ehemalige Bevölkerung kann durch die Enteignungen ihre spirituellen Praktiken auf dem Land ihrer Vorfahren nicht mehr durchführen. Durch die Vertreibungen und die damit einhergehenden Folgen sind Indigene oft gezwungen, ihre Kultur mittels Darbietungen und dem Verkauf von Artefakten zu kommerzialisieren. 3)Foreign Policy: Western Nonprofits Are Trampling over African’s Rights and Land; 01.07.2022
Hinter diesen Schutzgebieten stehen meist westliche NGOS, die sehr erfolgreich sind und eine große Macht genießen. So verfügen die fünf größten Naturschutzorganisationen, alle aus dem Globalen Norden, zusammen über ein Vermögen, das größer als das Bruttosozialprodukt vieler afrikanischer Länder ist. Finanziert werden sie durch Investmentbanker, CEOs oder Milliardäre. Dadurch sind sie in der Lage, in Staaten ihr auf private Interessen ausgerichtetes Paradigma des Naturschutzes durchzusetzen. Ein Beispiel ist die Agentur Africa Parks, die von einem niederländischen Milliardär 2000 gegründet wurde, der aus Afrikas Natur Profit schlagen will. Africa Parks versucht ihr Schutzgebiet auszuweiten. Im Mai 2019 hat sie die Verwaltung des Pendjari-Nationalparks von der beninischen Regierung übernommen. Jetzt plant sie eine weitere Ausweitung ihrer Gebiete. Hierfür plant die tansanische Regierung, 70000 indigene Massai zu vertreiben. 4)Foreign Policy: Western Nonprofits Are Trampling over African’s Rights and Land; 01.07.2022 5)euronews: Why the plan to protect 30% of the planet by 2030 is terrible news for Indigenous people; 15.03.2022

So sehen militarisierte Ranger in Nationalparks aus. | Bild: „Park ranger at the Volcanoes National Park“ © Antonella865 [Royalty Free] – Dreamstime.com
Die Schutzflächen haben nicht nur negative Auswirkungen für die indigene Bevölkerung, sondern erfüllen zusätzlich oft auch nicht ihren Zweck. Im Gegenteil: Von Indigenen bewirtschafte Flächen haben die gleiche oder sogar höhere Biodiversität als von Staaten oder anderen Einrichtungen für den Naturschutz vorgesehenen Flächen. 7)NY Times: There’s a Global Plan to Conserve Nature. Indigenous People Could Lead The Way. ; 14.10.2021 Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Schutzgebiete die Artenvielfalt im Globalen Süden oft nicht erfolgreich schützen. Dies zeigt sich auch daran, dass es trotz der Ausweitung von Schutzgebieten zu einem stetigen Rückgang von Wildtierpopulationen kommt. Deswegen sollte über andere Schutzkonzepte diskutiert werden.
Diese Kritik wird aber von westlichen Regierungen und dem Gemeinsektor nicht aufgegriffen. So wird weiter an der Verdopplung der Schutzgebiete festgehalten und keine einzige Naturschutzorganisation hat einen Plan, um gegen die Ungerechtigkeiten gegenüber Indigenen vorzugehen. Auch wichtige globale Akteure wie die Vereinten Nationen oder die International Union for Conservation of Nature unterstützen weiterhin die Enteignung von Indigenen zur Ausweitung der Schutzflächen. Exemplarisch für die problematische Rolle vieler internationaler Naturschutzakteure steht der Vorfall beim World Wildlife Fund. Er wird beschuldigt, an Vertreibungspraktiken, von Vergewaltigung, Folter bis hin zu Mord an indigenen Völkern beteiligt gewesen zu sein. 8)Foreign Policy: Western Nonprofits Are Trampling over African’s Rights and Land; 01.07.2022
Die fehlende Einbeziehung indigener Gruppen ist ein wichtiger Grund für solch fatale Schutzgebiet-Politik. Bei den Verhandlungen über die Ausweitung der Schutzflächen beispielsweise können sie als Beobachter teilnehmen, werden aber nicht als Mitglieder anerkannt und können schlussendlich auch nicht abstimmen. In Kanada zeigt sich, wie eine bessere Zusammenarbeit zwischen Naturschützern, Indigenen und den Regierungen aussehen könnte. Dort wurde vor 50 Jahren versucht, im Gebiet der indigenen Gemeinschaft Łutsël K’é’ Dene ein Nationalpark zu errichten. In den 90-er Jahren wurde sie durch den Fund von Diamanten und dem möglichen Abbau dieser bedroht. Sie wandte sich an die kanadische Regierung und griff die Idee eines Nationalparks wieder auf, der aber diesmal die Rechte der Landnutzung, der Jagd und der Fischerei respektierte. Festzuhalten bleibt: Ohne eine Einbeziehung der Indigenen wird der Schutz der Biodiversität als auch die Bekämpfung des Klimawandels nicht gelingen. 9)NY Times: There’s a Global Plan to Conserve Nature. Indigenous People Could Lead The Way. ; 14.10.2021
Fußnoten und Quellen:
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