Europas Energiehunger lässt asiatische Länder im Dunkeln stehen
130 Millionen Menschen hatten für mehrere Stunden keinen Strom mehr. Ladenbesitzer versuchten mit Taschenlampen zu arbeiten, der Verkehr kam zum Erliegen und es gab einen Ansturm auf Diesel für Generatoren. 1)Quartz: Power-hungry Europe is leaving developing countries starving for electricity; 10.06.2022 Am 29. September kam es in Bangladesch zu einem Stromausfall, der 80 Prozent der Bevölkerung betraf. Doch das war nicht der erste. Das südasiatische Land ist schon das ganze Jahr von Stromausfällen betroffen, die im Juli bis zu 13 Stunden lang währten. Zeitweise kam es zu Stromabschaltungen, um Strom zu sparen, viele Industrien mussten ihre Aktivitäten verringern und die Regierung beschloss Kürzungen bei den Entwicklungsausgaben. 2)DW: Bangladesh: Blackouts leave 130 million people without power; 04.10.2022 3)DW: Bangladesh seeks loans as economic woes grow; 05.08.2022 Dies führte zu Protesten gegen die Stromausfälle, wobei 3 Demonstranten von Sicherheitskräften getötet wurden. 4)DW: Bangladesh: Blackouts leave 130 million people without power; 04.10.2022 Dieses Chaos ist unter anderem auf die weltweit stark gestiegenen Energiepreise zurückzuführen.
Beim Gas beispielsweise lag der Preis für eine Megawattstunde einen Tag vor dem Kriegsausbruch in der Ukraine bei 90 Euro, im September schon bei 270 Euro, also ca. eine Verdreifachung. 5)klimareporter: Europa kauft den Gasmarkt leer und Asien schaut in die Röhre; 03.09.2022 Diese hohen Preise treffen Bangladesch hart, da Erdgas drei Viertel der Stromversorgung ausmacht. 6)DW: Bangladesh: Blackouts leave 130 million people without power; 04.10.2022
Ein wichtiger Grund für die hohen Energiepreise ist Europas enormer Energiehunger. Um die Abhängigkeit von russischem Gas schnellstmöglich zu beenden, ist Europa auf der Suche nach Alternativen. Das Flüssiggas LNG und Kohle spielen dabei die Hauptrolle.
Nach dem gegenüber Russland verhängten Kohleembargo im August gab es einen Ansturm europäischer Käufer auf indonesische Kohle. Ein Kohlebergbaugigant aus Indonesien verzeichnete Verkäufe von 300.000 Tonnen Kohle an Spanien und die Niederlande. Bis Ende des Jahres und bis 2023 wird ein weiterer Anstieg der Importe erwartet, wenn die Energiepreise in Europa wahrscheinlich noch weiter steigen werden. 7)DW: How the EU’s new energy plans impact Southeast Asia; 27.09.2022 Beim Flüssiggas LNG sieht es nicht anders aus. So kauften 2022 europäische Länder mehr Gas als in jedem anderen Jahr zuvor. In Frankreich stieg die Nachfrage um 88 Prozent, in Belgien um 157 Prozent und in den Niederlanden um 109 Prozent verglichen zum Vorjahr.
Doch das hat Konsequenzen für arme Länder auf dieser Welt, die bereits LNG in großen Mengen importieren. Einerseits leiden sie unter den dadurch verursachten Preisanstiegen, andererseits ist weniger Flüssiggas für sie auf dem Markt vorhanden. Sie können sich den Rohstoff schlicht und einfach nicht mehr leisten und werden von europäischen Händlern überboten. 8)DW: Europe’s Liquefied Natural Gas demand surge hits Asia; 11.10.2022
Dass dies möglich ist, liegt auch daran, dass viele Länder keine langfristigen Lieferverträge mit festgesetzten Preisen haben, sondern ihr Gas am sogenannten Spotmarkt kaufen. Dieser bildet ungefähr zwei Fünftel des LNG-Markts und das Erdgas ist dort billiger. 9)klimareporter: Europa kauft den Gasmarkt leer und Asien schaut in die Röhre; 03.09.2022 Doch das Ganze hat einen Haken. Viele Verträge besitzen Ausstiegsklauseln. Das bedeutet, dass der Versorger kurzfristig ankündigen kann kein Gas zu liefern, unter der Zahlung einer Strafe. Trotz der Strafzahlung ist es für viele Händler profitabler, aus den alten Verträgen auszusteigen und das LNG etwa auf dem europäischen Markt zu verkaufen. Dies erklärt, warum in vielen Ländern Energieknappheit herrscht. Und auf der Suche nach neuen Verträgen sind die Länder oft auch nicht erfolgreich. Pakistan beispielsweise erhielt für eine Ausschreibung von einer Ladung Flüssiggas pro Monat für vier bis sechs Jahre kein einziges Angebot von Lieferanten. Außerdem hat der Staat Monaten Schwierigkeiten LNG auf den Spotmärkten zu kaufen. 10)DW: Europe’s Liquefied Natural Gas demand surge hits Asia; 11.10.2022
Die Folgen der hohen Energiepreise und der Energieknappheit sind für viele vor allem asiatische Länder fatal. In Bangladesch mussten Schulen einmal in der Woche schließen sowie Beamten und Banken ihre Arbeitszeiten reduzieren. Es trifft aber nicht nur Bangladesch, sondern vor allem weitere asiatische Länder. Indien leidet unter der schlimmsten Energiekrise seit 6 Jahren und hat Probleme Lieferanten zu finden. 11)Quartz: Power-hungry Europe is leaving developing countries starving for electricity; 10.06.2022 Sri Lanka hat kaum noch Devisenreserven um Importe, wie etwa Medikamente oder Gas zu bezahlen. Thailand, dessen Produktion seit Jahren unter anderem aufgrund von westlichen Sanktionen gegen Myanmar, welche Energieimporte verhindern, zurückgeht, hat mit steigenden Strompreisen zu kämpfen. 12)klimareporter: Europa kauft den Gasmarkt leer und Asien schaut in die Röhre; 03.09.2022 In Pakistan droht aufgrund des nicht erfolgreichen Einkaufs von Treibstoff, dass Stromausfälle zur Tagesordnung gehören werden. 13)DW: Europe’s Liquefied Natural Gas demand surge hits Asia; 11.10.2022
Die hohen Energiepreise und die Energieknappheit in den asiatischen Ländern reihen sich ein in eine Vielzahl weiterer Probleme. Die hohe Aufwertung des Dollars gegenüber den nationalen Währungen, wie etwa dem Thai Baht, dem bangladeschischen Taka oder pakistanischen Rupien, bereitet vielen Ländern Schwierigkeiten, da dadurch die ohnehin schon teureren Importe weiter verteuert werden. 14)klimareporter: Europa kauft den Gasmarkt leer und Asien schaut in die Röhre; 03.09.2022 Von den Importen besteht aber in vielen Ländern eine große Abhängigkeit. Bangladesch beispielsweise importiert Speiseöl, Weizen und weitere Lebensmittel. Hinzu kommen schwindende Devisenreserven, die für den Import benötigt werden. In Bangladesch sind diese von 45,5 Milliarden Dollar 2021 auf 39 Milliarden Dollar gesunken. Das würde nur noch für den Import für mehr als 5 Monate reichen. All dies bringt die Staatsfinanzen der Länder in die Bredouille. So ist Bangladesch dieses Jahr das dritte Land in Südasien nach Pakistan und Sri Lanka, das auf Hilfe des Internationalen Währungsfonds angewiesen ist. 15)DW: Bangladesh seeks loans as economic woes grow; 05.08.2022
Eine Besserung ist noch nicht in Aussicht. Wieder sinkende Energiepreise, vor allem für LNG, sind erstmal nicht zu erwarten, da erst in 4 Jahren Kapazitätsausweitungen zu sehen sein werden. Wenn die Nachfrage nach LNG in Europa weiterhin hoch bleibt, wovon auszugehen ist, werden andere Länder für Jahre verzichten müssen. Viele vor allem asiatische Länder werden also aufgrund Europas Energiehungers für lange Zeit im Dunkeln stehen gelassen. 16)DW: Europe’s Liquefied Natural Gas demand surge hits Asia; 11.10.2022
Fußnoten und Quellen:
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