![das so sehr benötigte Weizen für die Ernährung der Welt | Bild: "Mähdrescher, der Weizenfeld erntet" © Subbotina [Royalty Free] - dreamstime.com Weizenfeld das so sehr benötigte Weizen für die Ernährung der Welt | Bild: "Mähdrescher, der Weizenfeld erntet" © Subbotina [Royalty Free] - dreamstime.com](https://www.fluchtgrund.de/files/2022/10/dreamstime_l_58358846-scaled-713x501.jpg)
das so sehr benötigte Weizen für die Ernährung der Welt | Bild: "Mähdrescher, der Weizenfeld erntet" © Subbotina [Royalty Free] - dreamstime.com
Drohende Hungerkrisen: Globales Ernährungssystem auf Probe
Der Krieg in der Ukraine verschärft den globalen Hunger. Russland und die Ukraine sind zwei der größten Weizenexporteure weltweit. Zusammen stellen sie ein Viertel des weltweiten Weizenbedarfs. Durch den herrschenden Krieg können viele Häfen nicht mehr für den Abtransport des Getreides genutzt werden und die Produktion selber kann auch nicht problemlos fortgeführt werden. Dies führt zu geringeren Ausfuhrmengen und damit auch steigenden Weltmarktpreisen. Doch viele afrikanische und arabische Länder sind extrem abhängig von diesen Importen. In diesen Ländern drohen jetzt Hungerkrisen, zusätzlich zu den 300 Millionen Menschen weltweit, die bereits heute unter Hunger leiden. 1)National Geographic: Drohende Hungerkrise: Krieg und Klima bringen unser Ernährungssystem an seine Grenzen; 01.06.2022
Doch der Ukrainekrieg ist nur ein Grund für den Welthunger. Er weist viel mehr auf ein dysfunktionales und ungleiches globales Ernährungssystem hin. Die lange bestehenden strukturellen Probleme sind viel tiefgreifender.
Ein zentrales Problem sind die immer wieder stark steigenden Lebensmittelpreise. Allein in den letzten 15 Jahren kam es dreimal zu massiven Preisschüben. 2)Geld für die Welt: Wetten auf Hunger; 05.06.2022 Hierfür gibt es mehrere Gründe. Eine große Verantwortung trägt die Spekulation.
Dies zeigt sich in der gegenwärtigen Situation. Schon vor dem Krieg stiegen die Preise für Lebensmittel. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine ließ sie dann endgültig in die Höhe schnellen. Dies sind beste Bedingungen für Spekulanten. Sie nutzen die Situation, um auf steigende Rohstoffpreise zu wetten. Allein in der ersten Märzwoche wurden 4,5 Milliarden Dollar in rohstoffgebundene, börsengehandelte Fonds investiert. Die zwei größten Agrarfonds verzeichneten im April 2022 1,2 Milliarden Dollar Investitionen verglichen zu den nur 197 Millionen Dollar im gesamten Jahr 2021. ((Lighthouse Reports: The Hunger Profiteers; 06.05.2022)) Dies zeigt die riesigen Geldflüsse in der Spekulation, welche aber völlig von der realen Produktionsmenge entkoppelt sind. So wurden 2019 in den USA sogenannte Termingeschäfte (englisch: futures) in der Höhe von 5 Milliarden Tonnen Ernte abgeschlossen. Die Jahresernte lag jedoch nur bei 731 Millionen Tonnen. Somit wurde mit dem 7-fachen der Ernte gehandelt. Die Idee hinter Termingeschäften ist eigentlich, dass sich zum Beispiel ein Bauer gegen Preisschwankungen absichern kann. So vereinbart er mit einem Käufer, dass dieser eine gewisse Erntemenge für einen festgesetzten Preis in der Zukunft kaufen wird. Doch mittlerweile werden 50 bis 80 Prozent aller futures für spekulative Zwecke genutzt beispielsweise durch Investmentbanken oder Fonds. Durch dieses riesige Spekulationsgeschäft haben die Preise dann auch nichts mehr mit realen Knappheiten oder Produktionsmengenveränderungen zu tun. Im Gegenteil bei den meisten Preissteigerungen gab es weltweit gar keine Knappheit. 3)Geld für die Welt: Wetten auf Hunger; 05.06.2022 Es ist also nur eine Frage der Verteilung und Logistik.
Trotzdem kommt es aufgrund der steigenden Preise zu katastrophalen Auswirkungen, die die Ärmsten dieser Welt am härtesten treffen. So führt jeder Anstieg der Lebensmittelpreise um ein Prozent zu 10 Millionen Menschen mehr in extremer Armut. 4)Lighthouse Reports: The Hunger Profiteers; 06.05.2022 Dies liegt auch an den globalen Import- und Exportstrukturen und den damit einhergehenden Abhängigkeiten.
Westliche Staaten brachten viele Entwicklungsländer dazu, ihre Landwirtschaft auf Exporte von Baumwolle, Bananen, Kaffee, Tabak etc. für den Weltmarkt auszurichten. Dies führte unweigerlich zu einer Vernachlässigung der heimischen auf die Selbstversorgung ausgerichteten Landwirtschaft. Dies liegt unter anderem auch daran, dass viele Entwicklungsländer mit subventionierten Billigprodukten wie Fleisch und Milchprodukten aus Europa überschwemmt werden. Das macht die Länder aber, wie schon im letzten Artikel: „Schuldenkrise der Entwicklungsländer statt erfolgreicher Inflationsbekämpfung: Folgen der westlichen Zentralbankpolitik“ aufgezeigt, von Importen wie Lebensmittel, Rohstoffe, Medizin aus dem Ausland abhängig. Diese Abhängigkeit ist ein wichtiger Grund für die Anfälligkeit vieler Länder auf steigende Weltmarktpreise für Lebensmittel.
Dass Europa tierische Produkte für den Export herstellt, führt auch schon zum nächsten Problem. Für die Ernährung der europäischen Tiere wie Rinder und Schweine werden große Mengen Soja benötigt, die aus den USA und Brasilien importiert werden. Diese Form von Lebensmittelherstellung ist aber sehr ineffizient. In Deutschland beispielsweise werden 60 Prozent des Getreides an Tiere verfüttert, anstatt es direkt zu essen. Hinzu kommt eine Lebensmittelverschwendung von 30 Prozent. Die für den Soja benötigen Anbauflächen werden wiederum durch Abholzung von riesigen Naturflächen geschaffen. Das verschärft weiter den Klimawandel, der mittlerweile auch eine entscheidende Rolle für steigende Lebensmittelpreise und Ernteausfälle spielt. Beispiele dafür gibt es zuhauf, von Hitzewellen in Indien, den USA oder Frankreich, Überschwemmungen in China bis zur schlimmsten Dürre in Ostafrika seit über 40 Jahren. Häufig spielen dabei auch die Monokulturen eine entscheidende Rolle. Sie sind nicht resilient gegenüber extremen Umweltbedingungen. So erreichte der Boden der Weizenfelder bei der letzten indischen Hitzewelle eine Temperatur von 62 Grad. Es gab einfach keine kühlenden Bäume.
All diese Probleme zeigen, dass unser Ernährungssystem effizienter und vor allem resilienter werden muss. Um das globale Ernährungssystem widerstandsfähiger gegen Schocks aller möglichen Art zu machen, gibt es viele Maßnahmen. Die Reregionalisierung der Landwirtschaft würde die Importabhängigkeit vieler Länder verringern und Selbstversorgung gewährleisten. Eine Abschaffung der Monokulturen und mehr Biodiversität schützt vor immer mehr werdenden extremen klimatischen Bedingungen. Was den Hunger betrifft könnte durch die Reduzierung von Tierbeständen und Lebensmittelverschwendung die Menschheit effizienter ernährt und der Hunger reduziert werden. 5)National Geographic: Drohende Hungerkrise: Krieg und Klima bringen unser Ernährungssystem an seine Grenzen; 01.06.2022
Den finanziellen Gründen für den Hunger müsste mit einer Eindämmung der Spekulation begegnet werden. So dürften nur noch jene, die nachweisen können, Weizen lagern, transportieren sowie ernten zu können, damit handeln. In finanzielle Schwierigkeiten geratene Länder sollte mit Schuldenerlassen, günstigen Kredite etc. geholfen werden. 6)Geld für die Welt: Wetten auf Hunger; 05.06.2022
Fußnoten und Quellen:
Keine Kommentare