![Die Korruption in Nigeria ist extrem stark ausgeprägt. Das liegt einerseits an einer kulturell bedingten Akzeptanz, andererseits an westlichen Konzernen, die diese fördern. | Bild: "Stack of coins with Nigeria flag." © Chormail [Royalty Free] - Dreamstime.com Münzstapel neben einer kleinen nigerianischen Flagge Die Korruption in Nigeria ist extrem stark ausgeprägt. Das liegt einerseits an einer kulturell bedingten Akzeptanz, andererseits an westlichen Konzernen, die diese fördern. | Bild: "Stack of coins with Nigeria flag." © Chormail [Royalty Free] - Dreamstime.com](https://www.fluchtgrund.de/files/2022/03/muenzen_nigeria_flagge-scaled-713x475.jpg)
Die Korruption in Nigeria ist extrem stark ausgeprägt. Das liegt einerseits an einer kulturell bedingten Akzeptanz, andererseits an westlichen Konzernen, die diese fördern. | Bild: "Stack of coins with Nigeria flag." © Chormail [Royalty Free] - Dreamstime.com
Korruption lähmt Nigeria
Obwohl die Regierung in letzter Zeit immer wieder Erfolge im Kampf gegen Boko Haram vermelden konnte – beispielsweise ergaben sich in den letzten Monaten tausende Kämpfer der Organisation -, bleibt Terrorismus und Gewalt weiterhin ein großes Problem in Nigeria. Neben der erwähnten Terrorgruppe leidet das Land auch unter dem lokalen Ableger des IS sowie unter ethnischen Unruhen. Doch wie konnte es soweit kommen, dass Gewalt in Nigeria immer noch so bestimmend ist und sogar ein solcher Extremfall wie Boko Haram entstehen konnte? Die Gründe hierfür sind äußerst vielfältig. Auf ein zentrales Problem liefern die für die Gründung von Boko Haram angegebenen Motive einen Hinweis. Ursprünglich richtete sich die Gruppe nämlich vor allem gegen die grassierende Korruption in Nigeria und machte den Westen dafür verantwortlich.
Dass die Korruption tatsächlich ein massives Problem ist, ist in der Bevölkerung weitestgehend unumstritten. Nigeria schneidet mit 25 von 100 Punkten im Korruptionswahrnehmungsindex äußerst schlecht ab und belegt damit Platz 144 von 180. Die meisten Probleme, die es im Land gibt, sind eng mit der Korruption in der ganzen Bevölkerung aber besonders bei den Eliten verknüpft. Eigentlich müsste der Staat nämlich durch seine Bodenschätze relativ wohlhabend sein, da aber jährlich dutzende Milliarden US-Dollar illegal ins Ausland verschwinden und noch viel mehr auf die Privatkonten von hohen Militärs, Regierungsvertretern, Beamten und anderen Eliten wandert, ist das Land in großen Teilen bitterarm. Vor allem fehlt dieses Geld dann für Investitionen in Infrastruktur, Wirtschaftshilfen, Bildung, Terrorismusbekämpfung oder für Sozialprogramme. Diese massive Korruption hat Tradition: Schon vor der Kolonialzeit waren Geschenke im Gegenzug für Gefallen und Vorteile ein weit verbreitetes Mittel. Das erhöht auch heute noch die Toleranz für Korruption, besonders wenn davon nicht nur eine Einzelperson, sondern auch Familie und Stamm profitieren. Auch die Kolonialherren machten das Problem nicht besser, im Gegenteil: Dadurch, dass sie das Land ohne funktionierende staatliche Strukturen zurückließen, waren zusammen mit Bürgerkrieg und Militärdiktatur die perfekten Bedingungen für Korruption vorhanden.
Das heutige Ausmaß entstand allerdings erst in der zweiten Phase der Militärdiktaturen zwischen 1985 und 1998. Diverse Regularien, vor allem in der Ölbranche, wurden gelockert und im Gegenzug floss Geld in die Taschen der Militärs. Aber auch nach der Wiederherstellung der Demokratie wurden diese Praktiken fortgesetzt und Land und Bevölkerung immer weiter ausgebeutet. 2015 schließlich wurde die bisherige Regierung abgewählt. Die Wahl gewann Buhari mit den Versprechen hart gegen Korruption vorzugehen. Wie dessen Umsetung letztendlich aussah, zeigt gut, wie groß das Problem ist: Buhari ging nämlich durchaus gegen Korruption vor, allerdings nicht in seiner Partei. Zudem ermutigte er mehr oder weniger öffentlich Mitglieder anderer Parteien zu ihm zu wechseln, um der Verfolgung zu entgehen. Somit nutzte er den Vorwand der Korruptionsbekämpfung, um die Opposition zu schwächen. Aber nicht nur der Präsident scheint kein wirkliches Interesse an dem Thema zu haben: Auch das Parlament, dessen Aufgabe eigentlich die Überwachung der Regierung wäre, scheint weder fähig noch willig zu sein, etwas zu unternehmen. Nicht fähig, da die Abgeordneten oft nur eine Periode im Amt sind. Das ist grundsätzlich sinnvoll, da dadurch die verschiedenen Gruppen abwechselnd repräsentiert werden, allerdings wird dadurch (durchaus absichtlich) verhindert, dass das Parlament Erfahrung sammeln kann und damit auch mächtiger wird. Nicht willig, da die Abgeordneten oft selbst gut mitverdienen und von ihnen auch erwartet wird, dass Geld zu denen fließt, die ihm zum Parlamentseinzug verholfen haben. Allerdings gehören zur Korruption immer zwei, wer profitiert neben der Regierung also davon? Einerseits sind hier lokale Eliten zu nennen. Militärs oder lokale Volksvertreter bekommen oft nicht zweckgebundene Finanzmittel, mit denen sie sich einerseits selbstbereichern und andererseits die Gunst der Bevölkerung erkaufen können, z.B. durch Geschenke an religiöse Führer. Auch die Mehrzahl der Journalisten gab zu, schon Bestechungsgelder angenommen zu haben. 1)PRNigeria: On Mass Surrender of Boko Haram Fighters By Mukhtar Ya’u Madobi; Artikel vom 30.8.21 2)Britannica: Nigeria under Buhari; Stand 9.3.22 3)Konrad-Adenauer-Stiftung, Vladimir Kreck: Nigerias aussichtsloser Kampf gegen Korruption; Artikel vom 12.12.19 4)Zeit: Boko Haram – alles zur Terrororganisation; zuletzt aktualiert am 29.3.18 5)Daily Post: Expose Boko Haram sponsors if you are not part of them – PDP dares Buhari, APC; Artikel vom 21.9.21 6)The Borgen Project: 10 Facts About Corruption in Nigeria; Artikel vom 27.1.20
Die Hauptprofiteure (neben der Regierung) des ganzen Systems sind allerdings westliche Ölkonzerne. Von diesen geht auch ein großer Teil der Bestechung aus. Im Gegenzug erhalten sie neue Förderlizenzen, die Umweltauflagen werden gelockert, sie zahlen weniger Steuern, Proteste werden (gewaltsam) unterbunden oder die Kontrolleure schauen mal nicht so genau hin. 2011 sollen ein britisches und ein italienisches Ölunternehmen ca. 1 Milliarde US-Dollar an Bestechungsgeldern für eine Ölbohrlizenz gezahlt haben. Durch solche Geschäfte gehen dem Staat nicht nur dringen benötigte Einnahmen verloren, es wird auch ganz aktiv Schaden dadurch verursacht, in erster Linie durch die Verschmutzung der Natur. Die Ölpest im Nigerdelta entzieht großen Teilen der Bevölkerung dort ihre Lebensgrundlage, da durch die hunderten Vorfälle von auslaufendem Öl jährlich Land unfruchtbar wird und die Fische in den Flüssen absterben. Durch das giftige Öl ist auch die Krebsrate stark erhöht und es kommt vermehrt zu Hautkrankheiten. Dadurch dass durch die Ölförderung auch viel Gas abgefackelt wird, ist die Luftqualität äußerst schlecht. Amnesty National nennt dieses Vorgehen einen der größten Firmenskandale unserer Zeit.7)BBC: Nigeria oil spills ’spark environmental genocide‘; Video vom 1.11.19 8)Amnesty International: Ölpest im Nigerdelta; Artikel vom 7.1.15 9)nowestversusrest: Das Erdölgeschäft in Nigeria: Finanzielle Profite internationaler Konzerne auf Kosten der lokalen Bevölkerung und Umwelt; Artikel vom 3.1.20
Die Bekämpfung der Korruption in Nigeria ist eine Mammutaufgabe, die auch nicht von jetzt auf gleich erfüllt werden kann, gerade da Bestechung und Bestechlichkeit eine lange Tradition haben und zu einem gewissen Grad auch in der Bevölkerung akzeptiert sind. Zudem muss man sagen, dass Korruption kein rein nigerianisches Problem ist, sondern im gesamten globalen Süden grassiert, wobei es den Ländern, die im Korruptionswahrnehmungsindex hinter Nigeria landen meist noch schlechter geht. Letztendlich müssen diese Länder ihr Korruptionsproblem selbst lösen. Nigeria scheint die Problematik immerhin erkannt zu haben und auch die (wenn auch unvollständige) Demokratie kann dabei helfen. In der aktuellen Situation wird dieser Prozess allerdings noch massiv durch die Industriestaaten behindert, vor allem durch die (Öl)Konzerne, die Nigeria und den Rest des globalen Südens ausbeuten. Sie liefern einen großen Teil des Geldes, der die Korruption am Laufen erhält und profitieren massiv von ihr. Die Konzerne müssten, statt die Eliten und auch niedrigere Beamte zu bestechen, vernünftig ihre Abgaben zahlen und sich an geltende Gesetze halten. Dadurch wären einerseits die ökologischen Auswirkungen der Ölbohrungen weniger katastrophal. Andererseits würde das Geld in Infrastruktur, Bildung und andere wichtige Dinge fließen. Das würde mittelfristig zu deutlich mehr Wohlstand in der Bevölkerung führen – was in der Regel auch ein gutes Mittel gegen Korruption darstellt. 10)Amnesty International: Ölpest im Nigerdelta; Artikel vom 7.1.15 11)nowestversusrest: Das Erdölgeschäft in Nigeria: Finanzielle Profite internationaler Konzerne auf Kosten der lokalen Bevölkerung und Umwelt; Artikel vom 3.1.20 12)Transparancy International: Korruptionswahrnehmungsindex 2021; abgerufen am 9.3.22 13)Konrad-Adenauer-Stiftung, Vladimir Kreck: Nigerias aussichtsloser Kampf gegen Korruption; Artikel vom 12.12.19
Fußnoten und Quellen:
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