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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Huhn oder Ei: Unser Konsum führt in Afrika zur Wirtschaftsflucht
Was hat unser Eier- und Fleischkonsum mit Wirtschaftsflucht in Afrika zu tun? Obwohl laut einem Gutachten des Bundeslandwirtschaftsministeriums 80 Prozent der Verbraucher:innen gesundes Fleisch und Eier von Tieren, die nicht leiden müssen, wollen, entscheiden sich in der Realität viele für die kostengünstigere Variante beim Einkauf. Ohne darauf zu achten, welche Folgen das für Tiere und Menschen mit sich zieht. 1) TV Wunschliste: Armes Huhn armer Mensch; deutsche Erstausstrahlung auf arte am 30.04.2019
Im Durchschnitt isst jede:r Deutsche im Jahr ganze 230 Eier. Und auch der Konsum von Geflügelfleisch ist in Deutschland von 7,3 Kilogramm 1991 mit 13,3 Kilogramm 2020 um fast das doppelte gestiegen. Letztes Jahr wurden in diesem Land insgesamt 1,85 Millionen Tonnen des Fleisches verbraucht. Somit wird deutlich, dass die Nachfrage immer größer wird, was dazu führt, dass die Massentierhaltung weiter am Leben gehalten wird – und das mit Auswirkungen bis nach Afrika. 2) TV Wunschliste: Armes Huhn – armer Mensch; deutsche Erstausstrahlung vom 30.04.2019 3) statista: Pro-Kopf-Konsum von Geflügelfleisch in Deutschland in den Jahren 1991 bis 2020; Statistik vom 08.04.2021 4) statista: Konsum von Geflügelfleisch in Deutschland in den Jahren 1991 bis 2020; Statistik vom 08.04.2021
Durch unseren hohen Konsum an Eiern wurden die Hennen, die ursprünglich innerhalb eines Jahres nur 18 Eier legten, dazu gebracht, jeden Tag ein Ei zu legen. Wodurch die Menschen in die Natur der Hühner also drastisch eingegriffen haben. Über 90 Prozent der Eier, die in Deutschland verspeist werden stammen, unabhängig aus welcher Haltung sie kommen, aus Massentierzuchten. Mit 63 Prozent kommen die meisten Supermarkteier aus der Bodenhaltung – dort sind allein in Deutschland 26 Millionen Hühner untergebracht. Sie ist zwar günstig für Produzent:innen und Verbraucher:innen, allerdings wirkt sie sich negativ auf die Tiere und Umwelt aus. Obwohl es in deutschen Supermärkten verboten ist, Eier zu verkaufen, deren Legehennen in Käfighaltungen untergebracht sind, machen diese noch immer 7 Prozent aus. Statt sie im Stück zu verkaufen werden sie den Kund:innen in Fertignahrungsmitteln wie Nudeln und Mayonnaise untergejubelt und auch in vielen Gastronomien in die Speisen verarbeitet. Dabei ist das gar nicht mal so gesund, denn auf diesem geringen Raum können sich Viren und Krankheiten enorm schnell verbreiten und da es bei der Masse an Hennen quasi nicht möglich ist, nur einzelne Tiere bei einer Infektion zu behandeln, werden allen Tieren vorbeugend Schutzimpfungen sowie Antibiotika verabreicht. Diese Stoffe nehmen schlussendlich auch wir in unseren Körper auf, wenn wir später die verkauften Produkte verspeisen. So schreibt auch das Bundeslandwirtschaftsministerium, dass in 50 Prozent aller Masthähnchen, Bakterien sind, die beim Menschen über Kontakt oder Verzehr eine Antibiotikaresistenz auslösen können. 5) arte: Armes Huhn -armer Mensch; nicht mehr verfügbar
Doch was passiert mit den Hybridhennen die auf das maschinenartige Legen von Eiern gezüchtet wurden? Bereits nach 90 Wochen werden die Hühner der Käfighandlung aussortiert, mit der Begründung, dass sie ab der 85. Woche ihre Federn verlieren und dass das alle so machen. Früher haben Schlachthäuser für die Entsorgung der, in Europa als Abfallprodukt geltenden, Legehühner noch 15 bis 20 Cent bekommen, heute müssen sie zwischen 10 und 15 Cent dafür bezahlen. Um sich diese Kosten zu sparen, wird das Fleisch also billig nach Afrika exportiert. Dadurch werden innerhalb der EU circa 360 Millionen ausgelaugte Legehennen geschlachtet, was zu einem riesigen Angebot an Suppenhühnern führt, welches bei uns aber nicht genügend Nachfrage findet. 6) arte: Armes Huhn -armer Mensch; nicht mehr verfügbar
Der Konsum von Hühnerfleisch ist in Europa enorm, allein in Frankreich wurden 2019 pro Kopf 28,4 Kilogramm Geflügel verspeist. Allerdings wollen die Menschen nur das vermeintlich beste essen: Die Hühnerbrust. Denn diese wird durch Werbung als besonders gesund suggeriert. Somit bleibt der Rest des Huhns allerdings verschmäht und es stellt sich die gleiche Frage wie auch bei den Legehennen: Wohin mit dem Fleisch? Ganze 80 bis 90 Prozent der geschlachteten Hühner werden nach Afrika geliefert. So exportierte Europa 2017 über 650 Tausend Tonnen an gefrorenem Hühnerfleisch nach Afrika. Besonders in die Küstenländer West- und Zentralafrikas werden Reste wie Keulen, Flügel und Hühnerinereien gebracht, bis hin nach Namibia und Südafrika. Der Exportbestand hat sich innerhalb der letzten 20 Jahre knapp verdreifacht. Zwar schützen manche Länder wie Nigeria ihre heimische Produktion durch Importverbote, vor dem Schwarzmarkt können sie sich allerdings nicht wehren. Besonders aber in Südafrika, Namibia, Botswana und Ghana fällt das ankommen gegen die Konkurrenz schwer. Dort wurden Freihandelsabkommen mit der EU geschlossen. Dass nicht alle und besonders nicht die einheimische Bevölkerung von diesem Abkommen profitieren, zeigt sich bereits beim Export. Das Fleisch bleibt den langen Weg bis nach Afrika nicht konstant gekühlt. Das liegt an den fehlenden Kühlsystemen und einer schlechten Stromversorgung. So kann das Geflügel mehrmals aufgetaut und wieder eingefroren worden sein, bis es schlussendlich auf dem afrikanischen Markt landet. Dass dies gesundheitliche Auswirkungen in Form von Infektionen und Krankheiten für die Bevölkerung haben kann, steht außer Frage. Das Risikoprodukt wird den Menschen durch seinen spottbilligen Preis angepriesen und verkauft. Nicht einmal 1,70 Euro wird für ein Kilo verlangt – das ist fast nur halb so viel, wie die einheimischen Bauern und Bäuerinnen für ihre Produkte verlangen. Letztere können sich dadurch kaum mehr am Leben halten, denn nur dem wohlhabenderen Teil der Bevölkerung ist es möglich sich ihre Produkte zu leisten. Regionales Fleisch zählt hier zu den Luxusgütern. 7) arte: Armes Huhn -armer Mensch; nicht mehr verfügbar 8) statista: Pro-Kopf-Konsum von Geflügelfleisch in der Europäischen Union nach Ländern in den Jahren 2018 und 2019; Statistik vom 13.10.2020
Zusätzlich sorgt das importierte Billigprodukt allerdings auch noch dafür, dass ein Überleben allein durch die Geflügelwirtschaft für Geflügelunternehmen aus dem eigenen Land nicht mehr möglich ist. In Ghana beispielsweise werden heute nicht mal mehr fünf Prozent des dort konsumierten Fleisches lokal produziert. Da aber 70 Prozent der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sind, haben viele Jugendliche keine berufliche Perspektive mehr. Mit der Senkung der Arbeitsplätze steigt auch die Armut. 11,5 Prozent der 15- bis 24-jährigen sind arbeitslos und es bleibt ihnen oft keine andere Möglichkeit, als ihre Heimat zu verlassen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. 9) arte: Armes Huhn -armer Mensch;nicht mehr verfügbar
Im Allgemeinen muss sich also die europäische Fleischpolitik ändern. Die Problematik beginnt schon beim Futter für die Tiere. Da Soja eine gute und günstige Eiweißquelle darstellt, besteht circa ein Drittel des Futters daraus. Soja wird allerdings kaum in Deutschland angebaut. Für die benötigte Anbaufläche roden die Menschen Wälder in Südamerika und sorgen so bedacht- und rücksichtslos für die Vernichtung des Regenwaldes. Dass diese durch den Klimawandel auch negative Folgen für uns hat, scheint noch nicht aufgefallen zu sein. 10) arte: Armes Huhn -armer Mensch; nicht mehr verfügbar
Was allerdings ganz klar ist: Unsere Agrarpolitik hat Mitschuld an der Wirtschaftsflucht aus Afrika. „Wenn es um das Thema Fluchtursachenbeseitigung geht, dann ist die Änderung der Agrarpolitik in Europa meiner Meinung nach an erster Stelle. Wenn wir die Agrarpolitik nicht ändern, werden wir auch die Fluchtursachen nicht wirklich bekämpfen können. Denn unsere Art der Agrarpolitik in Europa (…) erzeugt auf der anderen Seite der Welt Flucht. Da sind wir schuldig, da haben wir Blut an den Händen und das muss sich ändern“, so Maria Noichel, SPD-Europaabgeordnete. 11) arte: Armes Huhn -armer Mensch; nicht mehr verfügbar
Einen möglichen Ansatz würde ein kontrolliertes, europaweit gültiges Haltungssigel, welches den Herstellungsprozess lückenlos nachvollziehen lässt, darstellen. Denn die Labels, die momentan existieren sind für die Nachfrager:innen noch zu undurchsichtig und unglaubwürdig. Laut einem Gutachten im Auftrag der Universität Göttingen und des Bundeslandwirtschaftsministeriums wären sogar 80 Prozent der Deutschen dazu bereit 30 Prozent oder mehr für wirkliches Tierwohl auszugeben. Und auch ein Großteil der französischen Verbraucher:innen würden unter diesen Voraussetzungen 10 Prozent mehr für Eier und Fleisch zahlen. Als Konsument:innen können wir durch Aktionen wie „Kaufe den Bruder“, wobei es keine Hybridzüchtungen gibt und die männlichen Küken nicht getötet werden, bereits selbst etwas verändern. Eine Reduzierung oder ein gänzlicher Verzicht auf Fleisch beziehungsweise tierische Produkte kann ebenso helfen. 12) arte: Armes Huhn -armer Mensch; nicht mehr verfügbar
Fußnoten und Quellen:
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