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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
18 Jahre nach der Invasion: Der Irak an der Schwelle zum Failed-State
Katharine Gun arbeitete als Übersetzerin für die britische Regierungskommunikationszentrale und traf so auf eine E-Mail der NSA. Diese E-Mail zeigte, wie UN-Abgeordnete durch Abhöraktionen erpresst werden sollten. Ziel war es, vor allem kleine Staaten, die zu der Zeit ein Stimmrecht im Sicherheitsrat besaßen, dazu zu bringen für die Invasion in den Irak im Jahr 2003 zu stimmen. Trotz der Veröffentlichung des Dokuments, wurde der Irakkrieg nicht verhindert. Warum sich die Bush Regierung und Großbritannien trotz aller Kritik für die Militäroffensive entschieden, ist stark umstritten. Die offiziellen Gründe wie der Besitz bzw. die Produktion von Massenvernichtungswaffen und Atomwaffen stellten sich bekanntermaßen als falsch heraus. Auch die Behauptung, dass Saddam Hussein mit der Terror-Organisation Al-Quaida zusammenarbeitete, musste im Nachhinein revidiert werden. Kaum umstritten ist, dass das Handeln der USA und Großbritannien während und nach dem Krieg den Irak destabilisiert hat.1)Richard B. Miller: Justification of the Iraq war Exaimned; 2008 2)Tim Adams in The Guardian: Iraq whistleblower Katharine Gun: „Truth always matters“; 22.09.2019
Irak erst wieder nach dem Anschlag am 11. Sep. relevant für die US-Außenpolitik
Mit dem Anschlag auf das World Trade Center im September 2001 kommt der Irak und Saddam Hussein wieder verstärkt in den Fokus der US-Außenpolitik. Der 2003 geführte Irakkrieg zählt, neben den Kriegen in Afghanistan und Pakistan, zu den von George W. Bush verkündeten „global war on terrorism“. Laut mehrerer Studien hat dieser Krieg alleine im Irak etwa 1 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Neben menschlichen Leid hat der Krieg auch zu einer Zerstörung der Infrastruktur geführt. Die Invasion richtete sich vor allem gegen den Machthaber Saddam Hussein. Er war von 1970 bis 2003 mit seiner Baath-Partei an der Macht. Seine diktatorische Amtszeit war von Unterdrückung und Krieg geprägt. So gab es Menschrechtsverletzung und systematische Ermordungen der schiitischen Bevölkerung, insbesondere der kurdische Teil im Norden des Landes war betroffen. Seit Mitte der 90er Jahre haben sich inländischen gewalttätigen Konflikte etwas beruhigt. Saddam Hussein gehörte der sunnitischen Minderheit des Iraks an, die heute etwa 35 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Die Mehrheit der Bevölkerung ist damals wie heute schiitisch (heute ca. 60 Prozent). Dazu gehört auch der Großteil der kurdischen Bevölkerung, der zwischen 15 und 20 Prozent der Menschen angehören und seit 1990 eine autonomes Gebiet im Norden des Landes haben.
Das Handeln nach dem Regimesturz führt bis heute zu viel Leid
Die bereits vorhandenen internen Konflikte hat die Invasion und das viel zu kurzfristig gedachte Handeln der beteiligten Staaten verstärkt und zu einer Verschlechterung vieler Probleme geführt. Nach dem Sturz des Regimes wurde das Militär und die Baath-Partei komplett aufgelöst. Das dadurch entstandene Machtvakuum führte zu viel Gewalt und verschärfte religiöse und ethnische Konflikte im Land. Viele Sunniten, darunter auch viele ehemalige Soldaten, befürchteten eine Unterdrückung durch die schiitische Mehrheit. Es wurden verschiedenste Terrororganisationen gegründet, folglich nahm die Zahl der Terroranschlägen stark zu. Die chaotische Lage nach dem Irakkrieg ist ein Grundbaustein für den Erfolg des sogenannten Islamischen Staates, der Jahre später große Teile des Landes besetzte. Die Besatzungsmächte waren vor allem in den ersten Jahren, von vielen Iraker*innen nicht willkommen. Es wurde versucht, eine Demokratie aufzubauen und im Januar 2005 fanden die ersten Wahlen statt. Allerdings waren diese von Terrorangst geprägt und wurden von einem Großteil der Sunniten boykottiert. In den folgenden Jahren konnte die Lage nicht stabilisiert werden und viele Konflikte verschärften sich weiter. Dazu trug auch der von 2006 bis 2014 amtierende Premierminister Nuri al-Maliki bei, der durch die systematische Benachteiligung und Unterdrückung sunnitischer Iraker*innen konfessioneller Spannung verstärkte. Die Zeit zwischen 2005-2007 und 2015-2017 gilt als Bürgerkrieg. 2017 stimmte der kurdische Teil des Landes für eine Unabhängigkeit vom Irak, das Referendum konnte aber nicht durchgesetzt werden.
Bis heute hat sich kein stabiles politisches System etabliert. Es ist zersplittert und es können kaum Einigungen getroffen werden, da religiöse und ethnische Aspekte überwiegen. Viele Iraker haben kein Vertrauen in die offenzielen Behörden und wollen einen politischen Neuanfang, auch weil Korruption weit verbreitet ist und die Milliarden durch das Erdöl nicht bei der Bevölkerung ankommen. Es gibt seit Jahren Proteste gegen die Untätigkeit und das Versagen der Politiker. Durch die schwachen politischen Akteure halten Machtkämpfe bis heute an. Dazu gehören neben internen Akteuren, wie Terrororganisationen, auch externe Akteure. So versucht der Iran seine Interessen durchzusetzen, während Israel versucht Irans Einflussnahme zu verhindern. Nach dem der Islamische Staat zurückgedrängt werden konnte, sinkt die Einflussnahme westlicher Akteure, während China seine guten Beziehungen mit Irak ausbaut.3)MrWissen2go Geschichte: Golfkriege: Alle drei Kriege einfach erklärt; 15.10.2020 4)Achim Rode, Bundeszentrale für politische Bildung : Irak; 24.09.2020 5)BBC: Iraq profile-timeline; 03.10.2018 6)Informations-Portal zur politischen Bildung: Irak: Ein kriegsgeplagtes Land 7)Auswärtiges Amt: Irak: Politisches Porträt; 09.09.2020 8)CIA The World Factbook: Iraq; 10.05.2021
Durch den Krieg 2003 und seine Nachwirkungen wurden etwa 9.2 Millionen Menschen zur Flucht getrieben und gewalttätige Auseinandersetzung haben zugenommen. Ein fehlender Plan für den Aufbau nach dem Regimesturz und die Vernachlässigung interner Faktoren zeichnen das Land bis heute. Das geschaffene Machtvakuum hat konfessionelle Spannungen extrem verstärkt und eine weiteren Zersplitterung der Bevölkerung und der Politik waren die Folge. Aufgrund der Handlungsfähigkeit der Regierung, den fehlenden Freiheitsrechten, sowie anhaltender Gewalt, kann der Irak als gescheiterter Staat bezeichnet werden. Wahrscheinlich ist ohne internationale Unterstützung keine Verbesserung der Lage in absehbarerer Nähe möglich. Doch bevor gehandelt wird, muss die komplizierte Situation im Land berücksichtigt werden und natürlich sollte man wirklich die Intention haben dem Irak und seiner Bevölkerung zu helfen. 9)IPPNW: Body Count; 03.2015 10)KAS: Der „islamische Staat“ , nicht mehr verfügbar 11)Michael Safi in The Guardian: Conflicts since start of US ´war on terror´ have displaced 37m people – report; 09.09.2020 12)Achim Rode, Bundeszentrale für politische Bildung : Irak; 24.09.2020 13)Andrew Cockburn in Le Monde diplomatique: Der andere Krieg gegen den Irak; 10.09.2010
Fußnoten und Quellen:
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