![Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] - Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -](https://www.fluchtgrund.de/files/2021/07/was_bringt_menschen_dazu-713x628.png)
Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Klimawandel verschärft die humanitäre Situation in Zentralamerika: Krise an der südlichen US-Grenze
Seit Beginn des Jahres steigen die Zahlen ankommender Migranten an der südlichen US-Grenze zu Mexiko dramatisch an. Allein in den letzten Wochen wurden 10.000 Menschen von der Grenzschutzbehörde CBP in Gewahrsam genommen, darunter alleinstehende Erwachsene, unbegleitete Kinder und Familien. Besonders bei den unbegleiteten Kindern spitzt sich die Situation derzeit zu. So wurden zwischen Ende Februar bis Mitte März ca. 11.000 von ihnen in Einrichtungen der Grenzschutzbehörde untergebracht. Ein Gesetz in den USA schreibt vor, dass die Kinder maximal 72 Stunden von der CBP festgehalten werden dürfen und anschließend von der Grenzpolizei an die Behörden des Gesundheitsministeriums übergeben werden müssen. 70 Prozent der aktuell 4800 Kinder in Gewahrsam verblieben jedoch deutlich länger in den Einrichtungen der CBP. 1)Süddeutsche Zeitung: „Rekordzahl“ an Migranten: US-Katastrophenschutz soll helfen; Artikel vom 14.03.2021 2)CNN: Nearly twice as many unaccompanied migrant children apprehended daily at US-Mexico border as at 2019 peak; Artikel vom 24.03.2021
Die aktuelle Situation an der Grenze führt dazu, dass sich Republikaner und Demokraten gegenseitig die Schuld zuweisen- dabei ist der derzeitige Migrationsstrom das Resultat der seit Jahren andauernden humanitären Krise in Zentralamerika. Besonders aus den drei Staaten des nördlichen Dreiecks, Guatemala, Honduras und El Salvador, verlassen täglich hunderte Migranten ihre Heimat in Richtung USA. Ursächlich dafür sind die seit Jahren andauernden politischen Unruhen, Korruption, Banden- und Drogenkriminalität, hohe Mordraten, chronische Armut, Lebensmittelknappheit – und zunehmend auch Umweltzerstörung in Folge des Klimawandels. 3)Vox: Migrants are heading north because Central America never recovered from last year’s hurricanes; Artikel vom 22.03.2021 4)CFR: Why Central American Migrants Are Arriving at the U.S. Border; Artikel vom 22.03.2021 5)WPR: A Persistent Crisis in Central America; Artikel vom 26.03.2021
Zentralamerika ist eine der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen der Welt. Dies führt dazu, dass die Region mit starken Temperaturanstiegen und der Zerstörung der Ökosysteme zu kämpfen hat. Seit 1950 ist die örtliche Durchschnittstemperatur um ein halbes Grad angestiegen. Bis 2050 erwarten Wissenschaftler einen weiteren Anstieg um ein ganzes Grad. In Folge der klimabedingten Veränderungen und Umweltzerstörungen treten Überflutungen, extreme Regenfälle, starke Hurrikans und Dürreperioden immer häufiger auf. Laut dem Klimawissenschaftler Leandro Lenin Banegas Barahona begünstigt die geographische Lage Honduras, Guatemalas und El Salvadors extreme Wetterumschwünge. Zudem tragen der Pazifische Ozean auf der einen Seite Zentralamerikas und das Karibische Meer auf der anderen Seite zur Verschärfung der Klimakrise bei. Einerseits werden durch die Erhitzung der Meeresoberfläche Windgeschwindigkeiten von Tropenstürmen wie Hurrikans verstärkt. Andererseits kann der Anstieg des Meeresspiegels zu Erosion, Überflutungen und im schlimmsten Fall zur Kontamination landwirtschaftlicher Produkte führen. Besonders Honduras machen die Auswirkungen des Klimawandels zu schaffen. Laut dem Global Climate Risk Index von German Watch war das Land zwischen 1994 und 2013 weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffen. Aus diesem Grund erwarten Forscher zukünftig 60 Prozent mehr Überflutungen in Honduras. In Guatemala hingegen, prognostizieren sie unvorhersehbare Regenmuster und extreme Regenfälle. 6)The Years Project: CLIMATE CHANGE IS HITTING CENTRAL AMERICA HARD. HERE’S WHY IT MATTERS; Stand vom 09.04.2021
Dürre aufgrund des Ausbleibens von saisonalem Regen sowie zu starke Regenfälle und Hurrikans in Folge des Klimawandels bedrohen auch zunehmend die Landwirtschaft in Zentralamerika und damit die Existenzgrundlage von Millionen von Menschen. In Honduras macht die Landwirtschaft circa ein Drittel der dortigen Wirtschaft aus. Ähnlich ist es in den anderen Staaten Zentralamerikas. Grundnahrungsmittel wie Mais und Bohnen können nicht mehr regelmäßig geerntet werden und führen zu Lebensmittelknappheit. Viele Kleinbauern in der Region berichten von ausgetrockneten oder überfluteten Feldern und niedrigen Ernteerträgen. Klimakatastrophen wie die Dürreperiode zwischen 2014 und 2016 und die Hurrikans Eta und Iota im November 2020 zerstörten nicht nur weite Teile der Landwirtschaft des nördlichen Dreiecks, sondern verschlechterten die bereits prekäre Situation. Rund 8 Millionen Menschen in der Region sind aktuell von Lebensmittelknappheit betroffen, aufgrund der klimabedingten Auswirkungen des „Trockenen Korridors“, der sich von Mexiko über El Salvador, Guatemala und Honduras bis nach Nicaragua erstreckt. Die Klimakrise bedroht ohne Zweifel die Lebensmittelproduktion und die Ernährungssicherheit Zentralamerikas. 7)The Years Project: CLIMATE CHANGE IS HITTING CENTRAL AMERICA HARD. HERE’S WHY IT MATTERS; Stand vom 09.04.2021 8)Migration Policy Institute: Climate Extremes, Food Insecurity, and Migration in Central America: A Complicated Nexus; Artikel vom 18.02.2021 9)UN: Climate crisis and economic shocks leave millions food insecure across Central America; Artikel vom 23.02.2021
Um den Klimawandel und der damit einhergehenden Lebensmittelknappheit zu entfliehen, entschließen sich täglich hunderte Menschen, in die USA zu migrieren. In den meisten Fällen jedoch ist der Klimawandel nicht die einzige Fluchtursache. Die Staaten des nördlichen Dreiecks gehören zu den gefährlichsten Staaten der Welt. Drogen-und Bandenkriminalität sowie hohe Mordraten und sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt zeichnen die Region aus. Korruption und politische Verfolgung, sozio-ökonomische Instabilität und Armut spitzen die humanitäre Krise in Zentralamerika zusätzlich weiter zu. Seit Anfang 2020 hat sich aufgrund der Covid-19-Pandemie die Lage nochmals verschlechtert, denn das Virus wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit der Menschen aus, sondern auch auf die bereits problematische Ernährungssituation. So hat sich die Zahl der an Hunger leidenden Menschen in Guatemala fast verdoppelt, während sie in Honduras um 50 Prozent gestiegen ist. 10)UN: Climate crisis and economic shocks leave millions food insecure across Central America; Artikel vom 23.02.2021 11)UNHCR: Displacement in Central America; Stand vom 09.04.2021 12)WPR: A Persistent Crisis in Central America; Artikel vom 26.03.2021
Wenn die zentralamerikanischen Regierungen mit allen Mitteln versuchen die Klimakrise abzuwenden, könnten die derzeitige humanitäre Krise und die Migrationsströme erheblich reduziert werden. Hierfür sollten die Regierungen jedoch mit den Industriestaaten kooperieren, da sie Hauptverursacher des Klimawandels sind.
Fußnoten und Quellen:
Keine Kommentare