![Die humanitäre Katastrophe in Libyen betrifft vor allem Menschen, die als Flüchtlinge nach einem besseren Leben suchen. | Bild: "Transit camp Benghazi 2011" © EU Civil Protection and Humanitarian Aid [CC BY-ND 2.0] - Flickr Benghazi Die humanitäre Katastrophe in Libyen betrifft vor allem Menschen, die als Flüchtlinge nach einem besseren Leben suchen. | Bild: "Transit camp Benghazi 2011" © EU Civil Protection and Humanitarian Aid [CC BY-ND 2.0] - Flickr](https://www.fluchtgrund.de/files/2021/04/Benghazi-713x401.jpg)
Die humanitäre Katastrophe in Libyen betrifft vor allem Menschen, die als Flüchtlinge nach einem besseren Leben suchen. | Bild: "Transit camp Benghazi 2011" © EU Civil Protection and Humanitarian Aid [CC BY-ND 2.0] - Flickr
Flüchtlinge in Libyen leiden
Flüchtlinge erzählen von grausamen Umständen
In Libyen ereignet sich eine humanitäre Katastrophe. Es befinden sich schätzungsweise 1 Millionen Flüchtlinge im Land. Durch Nachforschungen von Oxfam ergibt sich ein erschreckendes Bild der menschenrechtlichen Lage innerhalb des nordafrikanischen Staates. Einige Interviews mit Geflüchteten auf Sizilien zeigen die Strapazen, die die Menschen auf ihrer Flucht von Libyen nach Europa auf sich nehmen. So geben die meisten Befragten an, dass sie entwürdigende Behandlungen, Folter oder Mord an anderen Flüchtlingen beobachtet haben. Gleichzeitig erfuhr fast jeder unmenschliche Behandlungen, Folter oder Gewalt am eigenen Leib. Die regelmäßige Verweigerung von Wasser und Nahrung war üblich und beinahe alle Frauen waren betroffen von sexueller Gewalt. 1) Oxfam: Folter, Vergewaltigung, Zwangsarbeit: Geflüchtete berichten aus Libyen; Artikel vom 9.8.2017
Diese Menschen sind Opfer von Banden und Schmugglern, die sich durch die instabilen Verhältnisse im Land ein Geschäft aus den hohen Flüchtlingszahlen machen. Über die Südgrenzen Libyens werden Menschen, die oft aus südlicheren Gebieten (z.B. Westafrika) kommen, in das Land gebracht. Daraufhin werden sie in die Auffanglager geführt, von denen manche in staatlicher Hand sind, jedoch einige von Banden kontrolliert werden. Insgesamt sind diese Unterkünfte nicht geeignet für die Vielzahl der Menschen und bieten weder Freiheiten, noch eine ausreichende Versorgung. Folgt man den Berichten der Zeugen, sind Gewalt, Folter und Mord an der Tagesordnung, um Lösegeld von den Familien der Betroffenen zu erpressen. Doch schon die letzten 10 Jahre ist die Lage im Land instabil und geprägt von bewaffneten Kämpfen zwischen Milizen. Auch der Westen mischte zu Beginn mit und beteiligte sich vor allem an den Kämpfen gegen Gaddafis Truppen. 2) Deutschlandfunk: Verzweiflung der Rechtlosen; Artikel vom 23.8.2017 3) infosperber: Libyen: Routinesmässig Folter und Vergewaltigung; Artikel vom 12.5.2019
Der Westen ist mitverantwortlich für die Lage in Libyen
Um zu klären inwieweit Europa und die NATO mitverantwortlich sind für die instabile Situation im Land, muss man den Blick auf den arabischen Frühling und die einhergehenden kriegerischen Auseinandersetzungen richten:
Im Zuge des arabischen Frühlings ereigneten sich Aufstände in Libyen, die in einen bewaffneten Kampf zwischen der Regierung und Rebellengruppen mündeten. Gleichzeitig fiel der Staatsapparat innerhalb von wenigen Monaten auseinander, da sich einige Diplomaten und Militärs auf die Seite der Opposition schlugen. Maßgeblich unterstützt wurden die Rebellen durch die NATO-Intervention ab dem 31.März 2011. Im Oktober desselben Jahres nahmen die Truppen des Militärbündnisses die Heimatstadt Gaddafis ein, wenige Tage später wird der Diktator getötet.
Der Beginn des Bürgerkrieges 2011 in Libyen stellt den Zerfall des Gleichgewichts und der Mächteverhältnisse innerhalb des Landes dar. Seit 2014 steckt das Land in einem bewaffneten Kampf, da sich Milizen und Interessengruppen auf kein Regierungsbündnis einigen konnten. Gleichzeitig rivalisieren das Parlament im östlichen Tobruk und das Parlament in Tripolis um die Vorherrschaft im Land, während die Bevölkerung unter den tiefgreifenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Folgen leidet. 4) bpb: Libyen; Artikel vom 16.12.2020
Inwiefern trägt der Westen eine Mitverantwortung an der Instabilität im Land? Um diese Frage zu beantworten, sollte man den Blick auf die militärische Intervention der NATO, während des Bürgerkrieges 2011, die Resolutionen der UN und geltendes Völkerrecht richten. Die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates diente der Aufgabe des Schutzes der Bevölkerung bei militärischen Operationen. Militärschläge durfte die NATO offiziell nur zum Schutz der Bevölkerung oder bei Missachtung der Flugverbotszone einsetzen. Jedoch wurden Flugschläge auch verübt auf zivile Ziele, z.B. Gebäude von Fernsehsendern, die als Säulen der Macht Gaddafis galten. Eine weitere Verletzung des Schutzes der Zivilisten war die Ablehnung jedes Angebotes des Diktators zum Waffenstillstand. Hierbei zeigte die NATO, dass es ihr primär nicht um die Libyer ging, sondern darum den Diktator zu stürzen, womit sie gegen das Mandat des Sicherheitsrates verstieß. Denn eine der zentralen Forderungen der Resolution 1973 war es, einen sofortigen Waffenstillstand zu erreichen. Außerdem war in ihr verankert, wann der Staat an Souveränität verliert: Sobald der Schutz der eigenen Bevölkerung und des inneren Friedens nicht mehr gewährleistet ist. In diesem Fall waren es Befürchtungen der NATO, dass Gaddafi Militärschläge auf zivile Ziele ausführen könnte. Jedoch scheinen diese Gedanken vage, bei der Vorstellung, dass der Diktator es mit dem mächtigsten Militärbündnis aufnehmen müsste, wenn er einen dementsprechenden Schritt wagt. Dem kann man hinzufügen, dass bewaffnete Rebellen nach geltenden Rechtsprinzipien bekämpft werden dürfen und keine Zivilisten sind. 5) bpb: Meinung: Die NATO-Intervention gegen das Gaddafi-Regime war illegitim; Artikel vom 11.7.2012
Die Folgen der anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen sind nicht nur im Inland zu sehen und zu spüren, sondern spielen sich auch jenseits des lybischen Festlandes ab. Nachdem die Menschen nach Libyen flüchten, um der Armut in der Heimat zu entkommen, fliehen sie aus den brutalen Verhältnissen der Lager, über das Mittelmeer nach Europa.
Menschen ertrinken und Europa schaut zu
Die Überfahrt an die Küsten Italiens stellt die nächste Lebensbedrohung für die Flüchtenden dar, sobald sie das libysche Festland verlassen haben. Zwischen dem 1.Januar 2015 und dem 31.Dezember 2018 kamen 12.748 Menschen im Mittelmeer um ihr Leben. 6) pro asyl: Was unternommen werden muss, um das Sterben im Mittelmeer zu stoppen; Artikel vom 9.9.2019 7) faz: Illegale Überfahrt übers Mittelmeer gefährlich wie nie; Artikel vom 7.10.2018 Die EU weist im Umgang mit der Situation jedoch ein skandalöses Verhalten auf. Statt europäische Seenot-Rettungs-Organisationen zu unterstützen, finanziert sie die libysche Küstenwache, welche als korrupt gilt und unterwandert ist von denselben Menschenschmugglern und Warlords, die für die prekäre Lage in den Flüchtlingslagern verantwortlich sind. Selbst die deutsche Bundesregierung unterstützte die EUNAVFOR Operation „Sophia“ mit 53 Millionen Euro, um die lybische Küstenwache und ihre Ausbildung zu unterstützen. Zwar gehört zu der Operation auch die Kontrolle und Überwachung der libyschen Küstenwache, jedoch seien diese seit Mai 2018 nicht mehr durchführbar – aus „Sicherheits- und administrativen Gründen“.
Das alles tut die EU, obwohl das völkerrechtliche „Non-Refoulement“-Gebot die Zurückweisung von Flüchtlingen bei den bereits geschilderten Umständen verbietet. Selbst der europäische Gerichtshof verurteilte 2012 solche Vorgehensweisen, die dazu dienen Flüchtlinge von einem Asylantrag fernzuhalten. Die Europäische Union verstößt damit gegen international geltendes Recht und billigt wissentlich die Menschenrechtsverletzungen in Libyen. 8) proasyl: Der menschenverachtende Deal der EU mit Libyen; Artikel vom 26.3.2019
Fußnoten und Quellen:
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