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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
EU-Mercosur-Abkommen: In keinem Fall ein Schritt in die richtige Richtung
Nach 20 Jahren Verhandlung einigten sich 2019 die EU und die Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay auf ein Handelsabkommen. Es wäre die weltweit größte Freihandelszone und würde 780 Millionen Menschen aus insgesamt 31 Ländern betreffen. Da im November letzten Jahres das EU-Parlament mit 345 zu 295 Stimmen für einen Änderungsantrag stimmte, ist eine Ratifizierung des Abkommens in den nächsten Monaten unwahrscheinlich. Dass sich die Ratifizierung so lange zieht, hängt auch mit der großen Kontroverse zusammen, die das Abkommen ausgelöst hat. 1)Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Assoziierungsabkommen mit der EU und den MERCOSUR-Staaten 2)Tagesschau: Mercosur-Abkommen vor dem Aus; Artikel nicht mehr verfügbar
Massive Zolleinsparungen führen zu mehr Handel
Geplant ist ein weitreichender Abbau von Handelsbarrieren. Europa profitiert vor allem durch den vergünstigten Import von Landwirtschaftsprodukten und Rohstoffen. Eine wichtige Rolle nehmen dabei Soja, Fleisch, Milcherzeugnisse sowie die aus Zuckerrohr gewonnenen Produkte: Zucker und Ethanol ein. Im Gegenzug werden die Zölle von Industrieprodukten (Fahrzeuge/Fahrzeugteile, Maschinen und chemische Produkte) in die südamerikanischen Staaten abgeschafft oder verringert. Es wird mit einer starken Zunahme der Handelsmenge bezüglich der meisten Produkte gerechnet. Welche weiterführenden Folgen das Handelsabkommen hat, ist stark umstritten. 3)Süddeutsche Zeitung: Vergiftete Stimmung; Artikel vom: 20.08.2020 4)Spiegel Wirtschaft: Das bringt die weltgrößte Freihandelszone; Artikel vom 29.06.2019
Negative Folgen für Natur und Menschen
Die Kritikpunkte sind zahlreich und die Vertreter der Gegner kommen aus Südamerika und Europa. Unteranderem haben sich 450 NGOs zusammengetan und gegen das geplante Handelsabkommen ausgesprochen. Es wird befürchtet, dass das Abkommen der Umwelt, der Gesundheit, der europäischen Landwirtschaft und der wirtschaftlichen Entwicklung der beteiligen Mercosur-Staaten schadet. 5)Brief der 450 NGOs: Stopp EU-Mercosur Erklärung 6)Friederike Teller, Katharina Brandt und Berit Thomsen: Auswirkugen des EU-Mercosur-Abkommens auf den Agrarhandel und die Ziele für nachhaltige Entwicklung; Germanwatch; 12.2020
Im Fokus der Kritik stehen die katastrophalen Umweltschäden und Menschrechtsverletzungen, die das Handelsabkommen mit sich ziehen kann. Soja und Zuckerrohr werden – meist in Form von Monokulturen – auf riesigen Plantagen angebaut. Durch die erhöhte Produktion wird von einem Anstieg der Anbaufläche ausgegangen. Diese entsteht oft durch eine Brandrodung des Regenwaldes. Millionen von zusätzlichen Tonnen CO2-Emmissionen wären die Folge (Klein 2020). Der billigere Import von Soja macht den Umstieg der europäischen Fleischproduzenten auf andere Futtermittel schwieriger und damit unwahrscheinlicher. Hinzukommen Menschrechtsverletzung, die im Zusammenhang mit der Abholzung des Regenwaldes stehen. Insbesondere die dort ansässige indigene Bevölkerung leidet oftmals unter der rücksichtlosen Landwirtschaft und wird unter anderem Opfer von Landraub. Durch den hohen Pestizid Einsatz in der Landwirtschaft Südamerikas wird außerdem das Gesundheitsrisiko der umliegenden Bevölkerung erhöht und die Bodenbelastung verstärkt.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die hemmenden Auswirkungen, die der erleichterte Import von europäischen Industriegütern für südamerikanische Industrie-Unternehmen hat. Langfristig könnte dadurch die wirtschaftliche Unabhängigkeit der betroffenen Länder erschwert werden und sie dadurch noch anfälliger für wirtschaftliche Druckmittel der heutigen Industrienationen machen. Auch europäische Landwirte, vor allem diejenigen, die auf eine nachhaltige Landwirtschaft setzen, haben Angst, dass fallende Preise ihrem Geschäft schaden. 7)Heinrich Böll Stiftung – Green Campus: Das Mercosur-EU-Abkommen: Freihandel zu Lasten von Umwelt, Klima und Bauern; Artikel vom 17.01.2020
Ist die Kritik berechtigt?
Für das Abkommen sind vor allem Unterstützer der Wirtschafssektoren, die von den geschätzten 4 Milliarden Euro Zolleinsparungen pro Jahr profitieren. In Deutschland sind das in erster Linie die Automobilindustrie und die chemische Industrie. Gegenüber der Kritikpunkte wird auf die im Vertrag festgehaltenen Vereinbarungen zur Einhaltung der Menschrechte und den Schutz des Klimas verwiesen. Auch die Vorteile internationale Kooperation für einen effektiven Schutz des Regenwaldes und des Klimas wird als Argument für das Abkommen ausgelegt.
Allerdings sind im Bereich des Klimaschutzes der EU keine Sanktionsmöglichkeiten geboten, sondern es handelt sich fast ausschließlich um unverbindliche Absichtserklärungen. Falls es zu Menschrechtsverletzungen kommt, kann die EU theoretisch aus relevanten Abmachungen im Vertrag zurücktreten. Doch es ist fraglich wie weit das kontrolliert werden kann/wird. Aktuell können in Brasilien Menschrechtverletzungen in der Lieferkette nicht ausgeschlossen werden, wie ein neuer Bericht der brasilianischen Organisation Réporter Brasil und Friends oft the Earth Europe, dem europäischen Dachverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigt. Der von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Folgebericht argumentiert, dass in Brasilien in der Vergangenheit die Produktion von Raps und Soja gestiegen ist, während die Abholzung des Regenwaldes zurückging. Außerdem wird von keinem Anstieg der gehandelten Sojamenge ausgegangen und keine Zunehmende Waldrodung vermutet. Laut der Studie führt das Abkommen zu einer leichten Zunahme der Emissionen in den Mercosur Länder und zu einer leichten Abnahm in der EU Deshalb seien die Folgen des Abkommens für den Klimawandel vernachlässigbar. Doch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro legt bekanntermaßen keinen Wert auf Klimaschutz und lässt sich nicht gerne von anderen Staaten dazwischenreden. Da die in dem Bericht genannte Entwicklung vor allem mit inländischen Abkommen zu tun hatte, ist es schwer vorstellbar, dass eine Vergrößerung des Landwirtschaft Sektors aktuell nicht mit einer steigenden Waldrodung einhergeht. Die Studie wurde von vielen Seiten kritisiert, so unterschrieben 197 Ökonom*innen einen öffentlichen Brief, der die Ergebnisse als irreführend bezeichnet. Doch selbst der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die gehandelten Mengen an Fleisch- und Milcherzeugnissen stark steigen wird. Wie oben erwähnt, ist der Fleischkonsum indirekt für die Abholzung des Regenwaldes verantwortlich. Doch die negativen Folgen der Fleischindustrie für das Klima sind viel weitreichender. Außerdem wird durch den erleichterten Import europäischer Fahrzeuge/Teile und Maschinen ein leichter Rückgang der Produktivität in Südamerika prognostiziert. Somit unterstützt der Bericht das Argument, dass das Abkommen der wirtschaftlichen Entwicklung der Mercosur-Staaten im Weg steht, wenn auch nur gering. 8)Réporter Brasil: Brasiliens Fleisch und das EU-Mercosur Abkommen; vom 12. 2020 9)The London School of Economics and Political Science: Nachhaltigkeitsprüfung zur Unterstützung der Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem MERCOSUR-Zusammenfassung; nicht mehr verfügbar 10)Seattle To Burssels Network: Offener Brief zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des EU-Mercosur-Abkommens; vom 17.03.2021
Klimaschutz muss eine größere Rolle spielen
Erhöhter Handel von Fleisch und Fleischfuttermittel, stehen konträr zu dem Ziel Europas, eine Nachhaltige Zukunft zu schaffen. Brasiliens rücksichtslose Landwirtschaft schadet jetzt schon zahlreichen Menschen und es ist seit Jahren bekannt, welche wichtige Funktion der Amazonas-Regenwald für das Weltklima hat. Doch man sollte die Schuld nicht allein auf Bolsonaro schieben und sich von ihm abschotten. Europäische Industrien und Großunternehmen tragen ebenfalls dazu bei, dass der Klimaschutz eine untergeordnete Rolle spielt und werden von vielen Politikern unterstützt. Natürlich spielt auch das Konsumentenverhalten eine wichtige Rolle.
Gemeinsames Handeln, um die Lage der Menschen zu verbessern und den Klimawandel zu bekämpfen, ist zweifelsfrei hilfreich und nötig. Doch das EU-Mercosur Abkommen führt bezüglich des Klimaschutzes in seiner jetzigen Form im besten Fall zu keiner großen Verschlechterung der Situation und ist keinesfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Die europäische Industrie wären die größten Profiteure und Umwelt- und Menschrechtsaspekte werden mal wieder hinter wirtschaftliche Interessen gestellt. Deswegen ist das jetzige Handelsabkommen mehr als nur ein falsches Signal und die Ziele des Abkommen sollten neu überdacht und die Verhandlungen neu aufgesetzt werden. Bereits jetzt können effektive Anreizmechanismen für nachhaltiges Wirtschaften südamerikanischer Staaten geschaffen werden und in ein späteres Abkommen aufgenommen werden. Auch Sanktionsmöglichkeiten im Bereich des Klimaschutzes sollten in Erwägung gezogen werden.
Fußnoten und Quellen:
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