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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Zehn Jahre Syrienkrieg: Eine traurige Bilanz
Der Syrienkonflikt jährte sich dieses Jahr bereits zum zehnten Mal. Was im Kontext des Arabischen Frühlings als friedliche Demonstration gegen die autoritäre Regierung von Machthaber Baschar al-Assad begann, entwickelte sich zu einem – immer noch andauernden – brutalen Krieg, in den sich mit zunehmender Dauer Eigeninteressen verfolgende Drittstaaten einmischten. Den weiteren Verlauf des Syrienkonflikts erahnend, bezeichnete der damalige UN-Hochkommissar für Flüchtlinge António Guterres den Syrienkonflikt bereits im September 2013 als die „größte Tragödie des 21. Jahrhundert[s]“. Die ohnehin schon mehr als prekäre Situation wird durch die Corona-Pandemie weiter verschärft, da in den zerstörten Gesundheitseinrichtungen das Impfen und Behandeln fast unmöglich ist und sich das Virus in den notdürftigen Flüchtlingslagern fast ungehindert ausbreiten kann. 1) entwicklungspolitik online: Menschen ohne Perspektive – Zehn Jahre Krieg in Syrien; Artikel vom 12.03.2021 2) Redaktionsnetzwerk Deutschland: Syrien – Zehn Jahre Krieg und kein Ende in Sicht; Artikel vom 12.03.2021 3) Süddeutsche Zeitung: UN beklagen schwere Kriegsverbrechen im Syrien-Konflikt; Artikel vom 18.02.2021
600.000 Tote und 13 Millionen vertriebene Syrerinnen und Syrer
Der bisher zehn Jahre dauernde Krieg hat in der arabischen Republik deutliche Spuren hinterlassen: Wie aus einem Bericht der internationalen Hilfsorganisation World Vision hervorgeht, wurden insgesamt 600.000 Personen – darunter 55.000 Kinder – getötet. Knapp 13 Millionen Syrer und somit die Hälfte der syrischen Bevölkerung mussten aus ihrer Heimat fliehen. Ganze Regionen und Städte gleichen einer Trümmerlandschaft und infrastrukturelle Einrichtungen sind vielerorts gänzlich zerstört. Ein funktionierendes Gesundheitssystem ist besonders in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen von elementarer Bedeutung, in Syrien jedoch nicht mehr vorhanden. Ein Großteil der Gesundheitseinrichtungen ist gezielten Angriffen zum Opfer gefallen. Sind die Krankenhäuser, Arztpraxen etc. nicht zerstört, kann dennoch keine ausreichende Versorgung gewährleistet werden, da es an geschultem Personal, Medikamenten sowie ausreichenden finanziellen Mitteln der Patienten mangelt. Die militärischen Teilerfolge Assads erfolgten auf Kosten des ökonomischen Niedergangs: Die Wirtschaft ist im freien Fall und die syrische Lira aufgrund einer Hyperinflation so gut wie nichts mehr wert. Über 90 Prozent aller Syrer sind unter die Armutsgrenze gefallen. Die Menschen in Syrien führen aufgrund der brutalen Krise einen täglichen Überlebenskampf und über 12 Millionen von ihnen haben keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung, so Chalid Hbabati, Präsident des Syrisch-Arabischen Roten Halbmonds (SARC). Laut Berechnungen der Vereinten Nationen sei das Leben von über 13 Millionen Syrer von humanitärer Hilfe abhängig. Infolge der gewaltsamen Auseinandersetzung sowie der mehr als man-gelhaften Gesundheits- und Nahrungsversorgung ist die Lebenserwartung in Syrien um knapp 13 Jahre gesunken. 4) entwicklungspolitik online: Menschen ohne Perspektive – Zehn Jahre Krieg in Syrien; Artikel vom 12.03.2021 5) Süddeutsche Zeitung: Assads grausamer Sieg; Artikel vom 12.03.2021 6) Süddeutsche Zeitung: Das Elend in Syrien bekämpfen; Artikel vom 14.03.2021 7) Deutsche Welle: Syriens Bevölkerung leidet unermesslich; Artikel vom 04.03.2021 8) Der Tagesspiegel: Was der Krieg in Syrien kostet – Eine Billion Dollar, 600.000 Tote; Artikel vom 04.03.2021 9) Bundeszentrale für politische Bildung – Syrien; aufgerufen am 25.03.2021 10) Bayerischer Rundfunk: Assad „regiert“ weiter – Zehn Jahre Syrien-Konflikt; nicht mehr verfügbar 11) Redaktionsnetzwerk Deutschland: Syrien – Zehn Jahre Krieg und kein Ende in Sicht; Artikel vom 12.03.2021
Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen sind traurige Realität
Der UN-Menschenrechtsrat beklagt „abscheuliche Verstöße“ gegen Menschenrechte und schwere Kriegsverbrechen aller Konfliktparteien. So konnten beispielsweise laut UN-Bericht 32 der 38 dokumentierten Einsätze von Chemiewaffen auf die Assad-Regierung zurückgeführt werden. Es erfolgten ebenfalls rücksichtslose Bombardierungen und Einsätze von Giftgas – auch als gezielte Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen. Verschiedene Rebellengruppen sowie die von Kurden angeführten syrischen demokratischen Kräfte (SDF) haben ebenfalls Kriegsverbrechen begangen und mit wahllosen Angriffen zahlreiche Menschen getötet. Der Einsatz der russischen und amerikanischen Luftwaffe ging mit Kollateralschäden auf Kosten der Zivilbevölkerung einher. Willkürliche Inhaftierungen und Folter sind an der Tagesordnung. „Jeder der als Bedrohung […] oder Kritiker wahrgenommen wird, wird durch Attentat oder Inhaftierung zum Schweigen gebracht“, so Journalist Sam Dagher. Laut dem syrischen Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) befinden sich aktuell 130.000 Menschen in Internalisierungslagern der syrischen Regierung. Die inhaftierten Personen genießen keinen Rechtsschutz, bekommen meist keinen fairen Prozess und sind (sexueller) Gewalt und Folter ausgesetzt. Laut SNHR wurden bereits 14.300 in entsprechenden Lagern zu Tode gefoltert. Keine der Parteien kümmert sich um die Rechte der inhaftierten Personen. Das Schüren von Angst und das Ersticken jeden Widerspruchs der Zivilbevölkerung scheinen wertiger als das Achten von Menschenrechten. 12) Süddeutsche Zeitung: UN beklagen schwere Kriegsverbrechen im Syrien-Konflikt; Artikel vom 18.02.2021 13) ZDF heute: Menschenrechte in Syrien – Zehntausende weiter in Foltergefängnissen; Artikel nicht mehr verfügbar 14) United Nations Human Rights Council: Disappearance and detention to suppress dissent a hallmark of a decade of conflict in Syria – UN report; Artikel vom 01.03.2021 15) Redaktionsnetzwerk Deutschland: Syrien – Zehn Jahre Krieg und kein Ende in Sicht; Artikel vom 12.03.2021 16) Süddeutsche Zeitung: Das Elend in Syrien bekämpfen; Artikel vom 14.03.2021 17) Bayerischer Rundfunk: Assad „regiert“ weiter – Zehn Jahre Syrien-Konflikt; nicht mehr verfügbar
(K)ein Ende in Sicht?
Die Gewalt ist zwar zurückgegangen, jedoch zeichnet sich trotz diplomatischer Bemühungen keine politische Lösung ab. Bisherige Vereinbarungen mündeten lediglich in fragilen Kompromissen. Trotz eines Gewaltrückgangs haben 2020 insgesamt 61 Angriffe auf Schulen und 29 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen stattgefunden. „Not und Entbehrungen sind […] zu einem traurigen Dauerzustand geworden. Auch mit dem Abflauen der Gewalt ist keine Atempause […] in Sicht“, so Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland. Ganze Regionen und Städte liegen in Trümmern. „Der Krieg wird weitere Zerstörung des Landes nach sich ziehen, bis womöglich auch das letzte an ziviler und staatlicher Infrastruktur zerstört ist. Und dann wird sich Syrien – unabhängig von dem, der es regiert – in ein nicht mehr kontrollierbares Gebiet entwickeln“, so Nahost-Experte Daniel Gerlach. Die ursprüngliche Auseinandersetzung zwischen dem Assad-Regime und Teilen der syrischen Bevölkerung wird mittlerweile von einer Reihe weiterer Konflikte begleitet: Rivalität zwischen globalen Großmächten (USA, Russland), Kampf um regionale Vorherrschaft (Iran, Libanon, Türkei, Katar, Saudi-Arabien), Auseinandersetzung um das Gesellschaftsmodell des syrischen Staates, und Frontstellungen zwischen politisch-militärischen Gruppierungen und kriminellen Vereinigungen. Der Syrienkonflikt ist ein Stell-vertreterkrieg und das Schlachtfeld zahlreicher Armeen. Die vielen Splittergruppen mit ihren divergierenden Forderungen und Interessen gehen mit einer unübersichtlichen Akteurslandschaft einher und sorgen dafür, dass sich der Friedensprozess als äußerst komplex gestaltet. 18) Süddeutsche Zeitung: UN beklagen schwere Kriegsverbrechen im Syrien-Konflikt; Artikel vom 18.02.2021 19) UNICEF: Keine Atempause für syrische Kinder; Artikel vom 10.03.2021 20) Bayerischer Rundfunk: Assad „regiert“ weiter – Zehn Jahre Syrien-Konflikt; nicht mehr verfügbar 21) Bundeszentrale für politische Bildung – Syrien; aufgerufen am 25.03.2021 22) Süddeutsche Zeitung: Assads grausamer Sieg; Artikel vom 12.03.2021 23) ZDF heute: Zehntausende weiter in Foltergefängnissen; Artikel nicht mehr verfügbar
Abwesenheit von Krieg ist noch lange kein Frieden
„Abwesenheit von Krieg ist noch lange kein Frieden“, so findet Nahost-Experte Gerlach für die Zukunft der arabischen Republik passende Worte. Auch nach zehn Jahren kriegerischer Auseinandersetzungen haben sich die Konfliktparteien nicht annähern können, sondern sich die Fronten zwischen diesen eher verhärtet. Der Status quo von 2011 wird mittlerweile durch eine schwere Wirtschaftskrise sowie die Corona-Pandemie verschärft. Die Zivilisten im Land bezahlen den höchsten Preis für den ausbleibenden politischen Durchbruch. Das Land liegt in Trümmern, die Infrastruktur ist weitestgehend zerstört und der Bevölkerung mangelt es an elementarer Versorgung. Der syrischen Bevölkerung können – nicht zuletzt aufgrund der schlimmsten Bildungskatastrophe in der jüngsten Geschichte – keine Perspektiven dargeboten werden, die auf eine bessere Zukunft hoffen lassen. Ein zeitnaher Wiederaufbau ist angesichts fehlender Ressourcen und des abgewanderten Humankapitals mehr als utopisch. Der Staat hat das Gewaltmonopol längst nicht mehr inne und kann seine Pflichten nicht mehr erfüllen. Eine solche Situation bietet guten Nährboden für extremistische Gruppierungen, die beabsichtigen könnten, in das entstandene Machtvakuum einzudringen. Selbst wenn die Waffen niedergelegt werden und das Morden ein Ende findet, ist Syrien weit davon entfernt, ein friedlicher Staat zu werden. Die Situation – auf nationaler sowie internationaler Ebene – ist nach wie vor mehr als angespannt. Auch wenn der Konflikt in Syrien stattfindet, ist der Einfluss der internationalen Gemeinschaft auf den Verlauf des Krieges und dessen Brutalität immens. Die involvierten Drittparteien haben sich direkt – beispielsweise durch Militäreinsätze und Waffenlieferungen – sowie indirekt – u.a. durch das Verhindern und Verlangsamen der Friedensverhandlungen – am Krieg beteiligt und diesen in die Länge gezogen. Die Friedensverhandlungen sind bisher nicht erfolgreich gewesen, da internationale Dynamiken für den Friedensschluss fehlen und die internationale Gemeinschaft mit ihrer indifferenten Haltung die Spirale der Zerstörung weiterhin begünstigt. Der globale Norden interessiert sich nicht für das Wohlergehen der syrischen Bevölkerung, sondern sieht den Syrienkonflikt – und somit auch die syrische Zivilbevölkerung – als Spielball der eigenen geopolitischen Ambitionen an. Erst wenn die internationale Gemeinschaft eigene Interessen dem Leid von Millionen Menschen unterordnet und in einem gemeinsamen Konsens die Situation in der arabischen Republik entschärfen möchte, kann es Hoffnung auf ein friedliches Syrien geben. 24) ZDF heute: Zehntausende weiter in Foltergefängnissen; Artikel nicht mehr verfügbar 25) Deutsche Welle: Syriens Bevölkerung leidet unermesslich; Artikel vom 04.03.2021 26) ZDF heute: Zehn Jahre Bürgerkrieg in Syrien – Assad kann den Frieden kaum gewinnen; Artikel nicht mehr verfügbar 27) UNICEF: Keine Atempause für syrische Kinder; Artikel vom 10.03.2021
Fußnoten und Quellen:
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