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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
2020: Klimawandel stürzt Horn von Afrika in die Krise
Das sonderbare Jahr 2020 wird zweifellos in die Weltgeschichte eingehen. Die Corona-Pandemie hat die gesamte Menschheit unglaublich herausgefordert und tut es gegenwärtig immer noch. In den dennoch privilegierten „westlichen“ Ländern wird trotzdem oft vergessen, dass gerade die Länder des globalen Südens an den Fronten mehrerer Krisen kämpfen müssen. Diese Vergesslichkeit ist besonders deswegen zynisch, weil eben jene privilegierten „westlichen Staaten“ nicht selten die Ursache für die Krisen sind, die in den Ländern des globalen Südens unfassbaren Schaden anrichten. Im Fall von Kenia und Äthiopien reicht es nicht mehr aus, vom Krisenjahr 2020 zu sprechen. Vielmehr muss man für die beiden Länder von einem Katastrophenjahr 2020 sprechen. Dort zeigt der Klimawandel seit Monaten sein wahres Gesicht. Während er sich in Deutschland auf einen deutlich wärmeren Februar, Insektensterben und Zukunftsängste beschränkt, forderte selbiger in Kenia und Äthiopien im Jahr 2020 bereits die ersten Menschenleben und Existenzen ganzer Familien. Betrachtet man die Tatsache, dass gerade die großen Industrienationen für den Klimawandel verantwortlich sind, so lässt sich unwiderlegbar behaupten, dass auf der anderen Seite der Welt, Menschen für unser Handeln ins Kanonenrohr schauen müssen.
Heuschrecken vernichten trotz bereits bestehender Nahrungsmittelknappheit Hungersnöte dramatisch
Besonders einprägend waren die Bilder von zahllosen Schwärmen an Heuschrecken, die im Jahr 2020 über die arabische Halbinsel ihren Weg nach Äthiopien und Kenia gefunden haben. Ein Heuschreckenschwarm ist hierbei in der Lage, innerhalb eines Tages, 150 Kilometer zurückzulegen und die Nahrung von insgesamt 35.000 Menschen zu vernichten. Gerade in einem Land wie Äthiopien, dessen wirtschaftliche Handlungsfähigkeit im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Ländern nicht auf seinen Bodenschätzen, sondern auf der Landwirtschaft beruht, ist ein solche Heuschreckenplage fatal. In der Folge erlebten die beiden Länder eine ihre schlimmsten Hungersnöte seit Jahrzehnten. Schließlich handelte es sich bei der Invasion um die härteste seit 25 Jahren. In einigen Gebieten Äthiopiens wurden bis zu 50 Prozent der Ackerflächen von den Insekten zerstört. Spricht man zudem von zweiten oder dritten Wellen, so ist den beiden Ländern nicht klar, ob es um Corona oder um Heuschrecken geht. Nachdem sich die Heuschreckenplage im Frühjahr 2020 bekämpfen lassen konnte, rollte gegen Ende des Jahres 2020 eine zweite Heuschreckenwelle an. Der Landwirtschaftsminister von Kenia betonte zwar, dass die Gegenmaßnahmen sehr gezielt und schnell sind. Einen riesigen Schaden wird die Plage trotzdem anrichten. Problematisch ist zudem, dass die eingesetzten Pestizide nicht nur die Heuschrecken, sondern auch sonst alle weiteren Insekten bekämpfen. Letztendlich leidet also die Artenvielfalt zusätzlich unter der Plage. 1) unicef: Heuschreckenplage in Ostafrika und Südasien und führt zu Nahrungskatastrophe; Artikel veröffentlicht am 20.8.2020 2) tagesschau: Die Plage ist zurück; Artikel nicht mehr verfügbar
Die Schuld an dieser Katastrophe trägt der Klimawandel. Die Erwärmung der Erdatmosphäre und der Weltmeere bringen über vermehrte Verdunstung das Wasser in Form von Niederschlag auf das ostafrikanische Horn. In einer von ewigen Dürrezeiten geprägten Gegend, erscheint dies erstmal als positiv. Es handelt sich jedoch nicht um gemäßigten Regenfall, sondern vielmehr um extreme Wetterereignisse, die sich in den letzten Jahren häufen. Dies führte in den beiden Ländern zu mehr Vegetation und somit zu perfekten Grundlage für die gefräßigen Heuschrecken. Der feuchte Boden, in denen die Heuschrecken ihre Eier legen, ist ideal für die Vermehrung der Heuschrecken. 3) unicef: Heuschreckenplage in Ostafrika und Südasien und führt zu Nahrungskatastrophe; Artikel veröffentlicht am 20.8.2020
Dahingehend trägt der Klimawandel eine Mitschuld an der Heuschreckenplage. Die erste Welle an Heuschrecken konnte 2020 gut bekämpft werden, obwohl es wegen der Pandemie zu Lieferschwierigkeiten bei den Insektiziden kam. Einen Abbruch der extremen Wetterschwenkungen und der starken Regenfälle ist jedoch nicht in Sicht. Ob die folgenden Wellen ebenfalls bekämpft werden können, bleibt also fraglich.
Extreme Regenfälle wirken sich auch in Überschwemmungen aus
Die starken Regenfälle des letzten Jahres hatten jedoch auch direkte Folgen. Wo es übermäßig viel regnet, sind Überschwemmungen oftmals nicht weit. Dieser Gewissheit wird sich die Bevölkerung von Äthiopien und Kenia in der Zukunft des Öfteren stellen müssen. Der Klimawandel bedingt hier den Anstieg von Wetterextremen. Die Dürrephasen werden brutaler und die Regenphasen bringen immer mehr Wasser mit. Dies hat in Äthiopien zu der schlimmsten Flut geführt, die im Land jemals registriert wurde. In der Folge mussten 300.000 Menschen ihr Zuhause verlassen. In Kenia waren die Überschwemmungen rund um den Fluss Nzoia ebenfalls schlimm. Auch hier verlor eine Zahl von Menschen im sechsstelligen Bereich ihre Bleibe. In der Mitte des Jahres kosteten die Überschwemmungen innerhalb von drei Wochen 194 Menschen das Leben. Die Regierung Kenias riet angesichts ihrer Hilflosigkeit den Menschen sogar dazu, umzusiedeln. Das Vieh vieler Bauern fiel den Fluten vielerorts ebenfalls zum Opfer. In landwirtschaftlich geprägten Ländern wie Äthiopien ist dieser Umstand besonders tragisch. An diesen Beispielen in Ostafrika zeigt sich deutlich, wie der Klimawandel direkt als Fluchtursache agiert. 4) tagesschau: „Keine Erholung zwischen den Katastrophen“; Artikel nicht mehr verfügbar 5) Redaktionsnetzwerk Deutschland: Fast 200 Tote nach Überschwemmungen in Kenia; Artikel veröffentlicht am 6.5.2020 6) junge Welt: Überschwemmungen in Kenia: Fast 200 Tote; Artikel veröffentlicht am 6.5.2020
Seen des großen afrikanischen Grabenbruches füllen sich mit immer mehr Wasser
Die immer stärker werdenden Regenfälle gehen zudem mit einer geografischen Gegebenheit eine gefährliche Kombination ein, die den Anstieg des Wasserspiegels in einigen Seen bedingt. Äthiopien und Kenia liegen genau auf dem großen afrikanischen Grabenbruch. An dieser Stelle entsteht gerade eine neue tektonische Platte (Somaliaplatte), die sich von der afrikanischen und der arabischen Platte abtrennt . Der afrikanische Grabenbruch stellt somit das ideale Sammelbecken für Wasser dar. Dies hat zur Folge, dass die dort gelegenen Seen aufgrund der immer stärkeren Regenfälle deutlich anschwellen. Hinzu kommt das enorme Problem von Abholzungen. Bäume helfen mit ihren Wurzeln dabei, dass Regenwasser in tiefere Schichten ablaufen kann und verhindern so die Stauung von Wasser . Holz ist in Kenia jedoch ein maßgeblicher Faktor für die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit und gleichzeitig Energielieferant des Landes, sodass bereits große Mengen an Wald gerodet wurden. In der Folge kommt es zur Erosion und der Regen trägt Sedimente in die Seen, die deren Anschwellen mitverursachen. So hat der Baringosee im Westen Kenias seine Fläche in den letzten Jahren verdoppelt. Auf der Insel Longicharo ist der Wasserspiegel an einem Tag teilweise um 15 Zentimeter gestiegen. Infolgedessen mussten bereits 5000 Menschen flüchten. 7) Deutschlandfunk Kultur: Wenn das Wasser alles schluckt; Artikel veröffentlicht am 26.1.2021 8) SWR3: Tierschützer retten Giraffe mit selbstgebautem Boot vor Hochwasser; nicht mehr verfügbar
Für den Bogoriasee südlich des Baringosees ergibt sich ein ähnliches Bild. Lagen früher noch 20 Kilometer zwischen den beiden Seen, so sind es heute nur noch 13 Kilometer. Dass die beiden Seen verschmelzen ist demnach nur noch eine Frage der Zeit. Tragisch ist dies besonders deswegen, weil es sich beim Baringosee um einen Süßwassersee und bei dem Bogoriasee um einen Salzwassersee handelt. Diese ökologische Katastrophe ist kaum noch abwendbar und wie so oft bezahlen die Tierwelt und die dort wohnenden Menschen den Preis. Letztendlich kommen besonders die Menschen an diesen Orten nicht darum herum, vor den immensen Wassermassen zu flüchten. 9) NASA earth observatory: Rising Waters on Kenya’s Great Rift Valley Lakes; Artikel vom Stand 9.3.2021
Fußnoten und Quellen:
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