Pressefreiheit weltweit lässt nach – eine Gefahr für die Demokratie
“Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeglicher Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.” So steht es in Artikel 19 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Pressefreiheit, also die Möglichkeit für Journalisten frei über Angelegenheiten des öffentlichen Interesses zu berichten, kennzeichnet eine Demokratie entscheidend. Wo die Menschen Informationen und Ideen austauschen und sich eine eigene Meinung bilden können, ist die Regierung angreifbar für Kritik und Rufe nach Veränderungen. Deshalb versuchen repressive Regierungen in der Regel, die freie unabhängige Berichterstattung zu unterdrücken oder zu kontrollieren. Nicht selten müssen Medienschaffende und Journalisten deshalb mit Verfolgung, Inhaftierung und sogar dem Tod rechnen. 1) un: Resolution der Generalversammlung Allgemeine Erklärung der Menschenrechte; aufgerufen am 03.02.2021
Fast überall auf der Welt leben Journalisten und Journalistinnen gefährlicher als noch zu Beginn des Jahrtausends. Die internationale NGO Reporter ohne Grenzen veröffentlicht jährlich eine Bilanz zur weltweiten Pressefreiheit. Die Ergebnisse sind erschreckend. Um 12 Prozent ist der von ihnen entwickelte Indikator zur Bestimmung der Pressefreiheit innerhalb der letzten 7 Jahre gesunken. Die untersten Plätze auf der Länder-Rangliste der Pressefreiheit nehmen ausschließlich Länder Zentralasiens, Nordafrikas und des Nahen Ostens ein. Schlusslicht ist Nordkorea, gefolgt von Turkmenistan und Eritrea. Dabei fällt auf, dass mehr als die Hälfte aller Verfechter der Presse- und Medienfreiheit, die im Jahr 2020 verhaftet wurden, in den Gefängnissen Chinas, Saudi-Arabiens, Vietnams und Syriens inhaftiert wurden. Mindestens 50 Medienschaffende wurden wegen ihrer Arbeit in Mexiko, Irak, Afghanistan, Indien und Pakistan getötet. 2) grimme lab: Pressefreiheit in Gefahr; aktualisiert am 07.06.2018 3) Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit; aufgerufen am 01.02.2021
Mehrere Fälle von Verletzungen der Pressefreiheit verdeutlichen den Trend, der weltweit die freie Meinungsäußerung gefährdet. Die chinesische Bürgerjournalistin Zhang Zhan beispielsweise wurde in China inhaftiert und zu mehreren Jahren Haft verurteilt, weil sie zum Covid-19-Ausbruch in Wuhan berichtet hatte. Yirgalem Fisseha Mebrahtu, eine eritreische Journalistin, Lyrikerin und Schriftstellerin musste aus dem stark zensierten afrikanischen Land flüchten, weil sie mit langen Inhaftierungen und Folter rechnete. 2018 wurde der regierungskritische saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi ermordet, als er sich im Exil in der Türkei befand. Der Mord wird mit dem saudischen Königshaus in Verbindung gebracht. Und erst im Dezember 2020 wurde nahe Teheran im Iran ein ebenfalls regierungskritischer Journalist, Ruhollah Zam, in einem Schauprozess hingerichtet. Er lebte zuvor im Exil in Frankreich und wurde während einer Reise in den Irak entführt und in einem iranischen Gefängnis erhängt. 4) amnesty international: Bürgerjournalistin verurteilt; veröffentlicht am 08.01.2021 5) uno-flüchtlingshilfe: Schuldspruch: Journalist*in; veröffentlicht am 29.10.2021 6) deutschlandfunkkultur: Saudi-Arabien und der Khashoggi-Mord Alles wieder gut nach 2 Jahren?; veröffentlicht am 30.11.2020 7) süddeutsche: Empörung nach Hinrichtung eines Journalisten in Iran; veröffentlicht am 13.12.2020
“Der Trend ist mit einem globalen Niedergang der Demokratie selbst verbunden”, schreibt Freedom House, eine unabhängige Organisation, die die Herausforderungen der Freiheit weltweit betrachtet. In Europa sind die Veränderungen der Freiheit von Medien und Presse am akutesten zu erkennen, sowie im Nahen Osten und Zentralasien. Demnach eröffnen sich immer neue Formen von Repression und Unterdrückung. Die menschenrechtsmissachtenden Diktaturen, ebenso wie gewählte Präsidenten und Führer von hoch angesehen Demokratien, versuchen explizit kritische Stimmen in den Medien zum Schweigen zu bringen. 8) freedom house: Media Freedom: a Downward Spiral; aufgerufen am 08.02.2021 9) Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit; aufgerufen am 01.02.2021
Die Bevölkerung einiger Demokratien weltweit erhält nur noch eingeschränkt unabhängige Informationen und Nachrichten, nicht weil die Journalisten getötet oder inhaftiert sind, sondern weil die Regierung versucht die Unabhängigkeit der Medien langsam zu beeinflussen. Dafür werden öffentliche Sender und Medien finanziell und juristisch unter Druck gesetzt, das Personal oder die Eigentümer werden ausgetauscht oder die Recherche erschwert. Kritische Journalisten müssen dafür immer mehr mit öffentlichen Verurteilungen kämpfen, die unter anderem ihren Ruf in der Bevölkerung verschlechtern. Nebenbei geht ein zunehmender Rechtsruck durch Gesellschaft und Politik, welcher radikaleren Gruppierungen die Grundlage bilden, an Einfluss zu gewinnen und demokratische Werte abzubauen.
In Osteuropa zeigt sich das besonders stark. In Ungarn zum Beispiel unterzieht die Regierung Viktor Orbáns die Medien und Nachrichten strukturell seiner Kontrolle. Fast 80 Prozent der Medien befinden sich im Besitz von regierungstreuen Eigentümern, wodurch die Unterstützung der Regierung über die Berichterstattung garantiert ist. Schon vor seiner Wahl kündigte Orbán juristische und politische Genugtuung seiner Gegner gegenüber an. Den Oppositionellen ist durch die Kontrolle der Medien eine wichtige Plattform genommen. Uneingeschränkte Berichterstattung ist kaum noch möglich. 10) freedom house: Media Freedom: a Downward Spiral; aufgerufen am 08.02.2021 11) grimme lab: Pressefreiheit in Gefahr; aktualisiert am 07.06.2018
Auch in der USA, die allgemein als demokratisches Land bekannt ist, verzeichnen sich besorgniserregende Tendenzen. Die gezielten Feindseligkeiten des ehemaligen Präsidenten Donald Trumps gegen Medien und Journalisten schüren Misstrauen in der Gesellschaft. Die Bevölkerung verliert ihr Vertrauen in die freie Berichterstattung. Das hat gravierende Auswirkungen auf den Umgang mit aktiven Medienschaffenden, sei es bei Recherchen, auf Demonstrationen oder nach der Veröffentlichung von journalistischen Beiträgen. Die Gewalt gegenüber Journalisten nimmt zu und Hasskampagnen im Internet bleiben ohne juristische Verfolgung auch zunehmend in Deutschland. 12) freedom house: Media Freedom: a Downward Spiral; aufgerufen am 08.02.2021 13) Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit; aufgerufen am 01.02.2021
Ein Beispiel für die negativen Entwicklungen von demokratischen Staaten in Bezug auf die Freiheit der Presse und Medien ist die Situation des Journalisten Julian Assange. Der Amerikaner hatte 2010 über die Internet-Plattform WikiLeaks Dokumente veröffentlicht, welche mögliche Kriegsverbrechen des US-Militärs offenlegten. Daraufhin leitet die US-Justiz Ermittlungen in 18 Anklagepunkten gegen ihn ein, da er mit der Veröffentlichung gegen das Spionagegesetz sowie das Cybergesetz verstoßen hätte. Assange flieht nach London, wo er Unterstützung durch die ecuadorianische Botschaft und politisches Asyl in England erhält. 2019 wird er dann doch von der britischen Polizei verhaftet. Seitdem lief die Entscheidung über seine Auslieferung an die USA. Amnesty International kritisiert, dass die Vorwürfe der US-Regierung politisch motiviert seien und durch immense Hetzkampagnen keine gerechten Gerichtsverfahren gegen den Verfolgten möglich wären. Vor wenigen Tagen entschied das Londoner Gericht, Julian Assange solle nicht ausgeliefert werden. Damit wurde er zu einem bedeutenden Präzedenzfall von politischer Verfolgung von Journalisten durch demokratische Regierungen. Die US-Regierung trägt eine deutliche Verantwortung im Verlust der Freiheit von Meinung und Informationen öffentlicher Interessen. Aber auch die britische Regierung macht sich mitschuldig, da sie sich nur widerwillig und in langem Prozess für die Pressefreiheit und gegen eine Unterstützung der politischen Verfolgung des Journalisten entschieden hat. 14) amnesty international: USA müssen Anklage gegen Julian Assange fallen lassen!; aufgerufen am 03.02.2021 15) grimme lab: Pressefreiheit in Gefahr; aktualisiert am 07.06.2018
Wie Yirgalem aus Eritrea geht es auch dem türkischen Exiljournalisten Can Dündar und vielen anderen. Er floh aus seinem Heimatland, um politischer Schikane, Verhaftungen und den Menschenrechtsverletzungen zu entkommen. In seiner Rede zum Auftakt des Exile Media Forums der Körber Stiftung sagt er: “Manche verlassen lieber das Land, das ihre Ideen nicht erträgt, als die Ideen aufzugeben.” Um die Idee von Demokratie nicht aufzugeben, ist eine freie und unabhängige Medienbranche ebenso von Bedeutung wie faire Wahlen. Deshalb müssen die Pressefreiheit und freie Journalisten geschützt und unterstützt werden. Denn ohne sie können die Menschen keine unvoreingenommenen eigenständigen Beurteilungen über die Regierung und eventuellen Machtmissbrauch oder Menschenrechtsverletzungen treffen. 16) körber-stiftung: Exiljournalismus in Deutschland – ein Lagebild zu aktuellen Herausforderungen und Initiativen; nicht mehr verfügbar 17) freedom house: Media Freedom: a Downward Spiral; aufgerufen am 08.02.2021
Reporter ohne Grenzen schätzt jährlich mehrere Dutzend Medienschaffende und Journalisten, die zur Flucht gezwungen werden. Es lässt sich nicht leicht darstellen, wie viele es wirklich sind, da die Gründe für die Flucht meistens vielseitig sind. Menschenrechsverletzungen und Gewalt jeglicher Art drängen Menschen auch im Medienbusiness dazu, ihre Heimat zu verlassen. Bei der Asylsuche wird nur selten der ursprüngliche Beruf mit angegeben. Trotzdem werden es immer mehr Journalisten werden, die sich zur Flucht gezwungen sehen, wenn sich die Situation um die Pressefreiheit weiter verschlechtert. 18) körber-stiftung: Exiljournalismus in Deutschland – ein Lagebild zu aktuellen Herausforderungen und Initiativen; nicht mehr verfügbar
Fußnoten und Quellen:
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