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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Die Doppelmoral westlicher Außenpolitik
In zahlreichen Staaten der Welt werden die Menschenrechte verletzt. Durch beispielsweise Krieg, Diktatoren, terroristische Milizen. Die westlichen Industriestaaten sprechen in höchsten Tönen von dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges, sicheres Leben. Dafür schreiten sie ein und verteidigen die Menschenrechte der Völker. Doch vergleicht man einmal China mit Syrien oder Myanmar wird schnell klar, dass dabei nicht jedes Volk dieselbe Priorität einnimmt. Es wirkt fast willkürlich, als gäbe es eine Art Rangliste der liebsten menschenrechtswidrigen Regierungen. Spielt der Westen ein doppeltes Spiel?
In China regiert seit Jahren die Kommunistische Partei mit eiserner Hand. Die Volksrepublik gehört zu den wichtigsten wirtschaftlichen Verbündeten der EU und der USA. Doch im eigenen Land spielen die Grundrechte der Menschen für die chinesische Regierung kaum eine Rolle. Die Unterdrückung und “Umerziehung” der muslimischen Uiguren durch Internierungslager und Zwangsarbeit ist längst kein Geheimnis mehr. Mit der Veröffentlichung der China Cables im Jahr 2019 wurden die Ausmaße der Menschenrechtsverstöße und das chinesische Lügen- und Propagandakonstrukt publik gemacht. Eine umfassende digitale Überwachung, willkürliche Inhaftierungen, Folter, Zwangssterilisationen. Das Geschehen in Xinjiang erinnert an eine systematische Auslöschung einer ganzen ethnischen Identität. Ein Völkermord. Mit diesen Handlungen, die längst mehr als einmal bezeugt und bewiesen wurden, verstößt die Volksrepublik sowohl gegen unzählige Menschenrechte als auch gegen die Völkermord-Konvention. Trotzdem hält sich Aktionismus seitens der westlichen Regierungen in Grenzen. Zu groß scheint die Angst vor dem Wirtschaftsgiganten. 1) süddeutsche: Die wichtigsten Fakten zu den China Cables; Artikel vom 24.11.2019 2) human rights watch: Die globale Bedrohung der Menschenrechte durch China; aufgerufen am 11.01.2021
Weitaus wachsamer ist die Weltengemeinschaft für die Ausschreitungen in Myanmar. Das hauptsächlich buddhistische Land diskriminiert seit Jahren die muslimische Minderheit der Rohingya. Als es im Herbst 2017 dann zur Eskalation kommt und das Militär der myanmarischen Regierung rohingyanische Dörfer plündert und abbrennt und die Menschen vertreibt und ermordet, geht ein Aufschrei durch die internationale Weltengemeinschaft. Die Regierung wird hier sehr viel stärker kritisiert und der Internationale Gerichtshof in Den Haag verpflichtet das Land zu Sofortmaßnahmen zum Schutz der muslimischen Minderheit. Auch Länder wie Deutschland setzten die Entwicklungszusammenarbeit mit Myanmar aus. 3) Malteser international: Wer sind die Rohingya?; aufgerufen am 18.01.2021 4) n-tv: Völkermord-Klage gegen Myanmar Gerichtshof fordert mehr Schutz für Rohingya; Artikel vom 23.01.2020 5) epo: Entwicklungsminister Müller: BMZ setzt Zusammenarbeit mit Myanmar aus; Artikel vom 27.02.2020
China erwartet leichte Kritik und Myanmar Sanktionen und ein Gerichtverfahren. Das kann man sich anscheinend leisten, da Myanmar weder wirtschaftlich noch geopolitisch von besonders großer Bedeutung für den Westen ist. Ist ein blutiger Völkermord menschenrechtswidriger als ein leiser wie in China? Und warum hat 1994 beim Völkermord an den Tutsis in Ruanda niemand der westlichen Mächte eingegriffen? Die Kritik an dem Kleineren verspricht Erfolg, während der Größere die Leinen der Abhängigkeit strammer ziehen kann. 6) Universität Konstanz: Der Völkermord in Ruanda; Artikel vom 03.04.2009 7) n-tv: Völkermord in Ruanda Wie das Töten begann und endete; Artikel vom 06.04.2019
Von der Diplomatie und Zurückhaltung ist im Umgang mit dem Nahen Osten so gut wie nichts zu spüren. Viele afrikanische und arabische Staaten befinden sich seit Jahren in bewaffneten Konflikten oder Kriegen. Nicht selten spielt die NATO dabei eine entscheidende Rolle.
So mussten die Menschenrechte in Syrien oder Libyen unbedingt von der NATO vor ihren diktatorischen Regierungen beschützt werden. Der syrische Präsident Bashar al-Assad und Herrscher Muammar Gaddafi aus Libyen sind nur zwei von vielen Diktatoren der arabischen und afrikanischen Welt. Machtmissbrauch und Folter, Brutalität und Inhaftierungen gehören zum Alltag ihrer Regierungszeit. Der Westen gewinnt daher großen Zuspruch dafür, mithilfe der NATO einen Regime Change in Syrien und Libyen voran zu treiben. Die menschenrechtsmissachtenden Diktatoren mussten unbedingt bombardiert und gestürzt werden. Seit Beginn der Kriege versinken die Länder in Leid und Elend. An die sechs Millionen Menschen fliehen aus Syrien vor Krieg und Gewalt. Die meisten Fliehenden strömen in Richtung Europa. Auch Libyen muss seit dem Sturz des Herrschers mit Bürgerkrieg und enormen Flüchtlingsbewegungen kämpfen. Das Land gilt als eines der wichtigsten Transitländer für Millionen von Migranten aus Afrika. Die EU leistet immense Finanzhilfen an Libyen, um die Flüchtlinge am Übersetzten in einen Sicheren Hafen Europas zu hindern. 8) Ganser, Daniele (2017): Illegale Kriege, 8. Auflage, Zürich: Orell Füssli Verlag 9) grin: Der Libyen-Konflikt aus Sicht des politischen Realismus; Arbeit aus dem Jahr 2011
Die Menschenrechte sind nach dem Sturz von Machthaber Gaddafi kaum noch von Bedeutung für den Westen. In Libyen werden die illegalen Flüchtlinge in gefängnisähnliche Flüchtlingslager gesteckt. Sie werden wie Sklaven gehalten, misshandelt und vergewaltigt. Hilfsorganisationen wie die Sea Watch berichten davon, dass die Migranten lieber den Tod durch Ertrinken wählen, als nach einer gescheiterten Flucht zurück in die Lager zu gehen. Die EU nimmt die menschenverachtenden Flüchtlingslager an den Küsten Libyens in Kauf und tut alles was sie kann, um die Menschen in dem lebensgefährlichen Land abzuschotten. 10) zdf: Endstation Libyen Europa schottet sich ab – zu welchem Preis?; nicht mehr verfügbar 11) welt: Europas neuer Flüchtlingsdeal; Artikel vom 07.12.2020
Deswegen gibt die EU unter anderem 60 Millionen Euro zur “Bewältigung der Migrationssituation” an die ägyptische Regierung. Das Nachbarland von Libyen wird vom Präsidenten Fattah al-Sisi regiert. Er setzt ebenfalls bei seiner Regierung auf Härte und Repression. Oppositionelle und Kritiker leben in ständiger Gefahr vor Verhaftungen und sogar Hinrichtungen. Proteste und Demonstrationen werden teilweise gewaltsam beendet und das Militär gewinnt immer mehr an Macht. Auch hier spielen westliche Mächte ein doppeltes Spiel. Sie appellieren an die Regierung, für Demokratie und Menschenrechte zu sorgen, doch solange Ägypten wirtschaftlich kooperiert und eine minimale nationale Stabilität aufweist, die die Flüchtlingsströme übers Mittelmeer bändigen kann, üben die EU und USA kaum Druck auf das Regime aus. Stattdessen wird das Land finanziell vom Westen unterstützt. 12) bpb: Ägypten; Artikel vom 09.07.2020 13) Europäische Kommission: EU will Beziehungen zu Ägypten stärken; Artikel vom 30.10.2017
Die Motivation hinter den Handlungen der westlichen Mächte ist nicht immer leicht zu überblicken. Auf den Fahnen steht meistens “Für die Menschenrechte!”. Der Westen mit der NATO behält sich vor, zu entscheiden, welche Regierung mit den Menschenrechten zu vereinbaren ist, und welche nicht. Dabei sind die Absichten nur allzu häufig von wirtschaftlichen oder politischen Interessen überschattet.
Der menschenrechtsmissachtende Diktator in Syrien wird bombardiert, doch der menschenrechtsmissachtende Diktator in Ägypten ist unser Freund. In Myanmar werden Akteure des Völkermordes zur Rechenschaft gezogen, aber beim Völkermord in Ruanda hält man die Füße still. Chinas Regierung wird kritisiert und man fordert Untersuchungen der Menschenrechtslage, während in Libyen Geld fließt, um Menschen daran zu hindern, Sicherheit und Menschenwürde zu erlangen. Warum müssen in dem einen Staat die Bomben fallen, wenn in dem anderen Staat diplomatische Wege gefunden werden? Moralisch gesehen ein NO-GO. Anscheinend gehen die großen Verfechter der Menschenrechte sehr dehnbar mit ihren Werten um. Letztendlich ist Moral dann doch immer eine Frage des Geldes.
Fußnoten und Quellen:
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