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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Im Jemenkonflikt ist kein Ende in Sicht und der Westen lässt es zu
Die derzeit größte humanitäre Katastrophe ist von Menschenhand geschaffen. Im arabischen Jemen sind momentan etwa 80 Prozent der Bevölkerung auf intensive humanitäre Hilfe von außen angewiesen. Gerade Länder wie Deutschland gehören zu den größten Gebern für Hilfsgüter im Jemen. Wirkt wie ein Beruhigen des eigenen Gewissens, wenn man bedenkt, dass eben diese westlichen Staaten den Konflikt, der seit 2015 in dem Land wütet, jahrelang angeheizt und milliardenstark davon profitiert haben. Die prekäre Lage durch die Covid-19-Pandemie und die androhende Hungerkatastrophe könnten Millionen Menschen das Leben kosten. Fast die gesamte zivile und medizinische Infrastruktur wurde zerstört. Über acht Millionen Menschen droht der Hungertod. Doch die Weltengemeinschaft sieht noch immer weg und stopft sich die Taschen mit den Trümmern voll. 1) aktiongegendenhunger: Fragen und Antworten rund um die humanitäre Krise im Jemen; Artikel vom 10.03.2020 2)Auswärtiges Amt: Zwischen Hoffen und Bangen: Neue Perspektiven zur Lösung des Jemenkonflikts?; Artikel vom 19.12.2019
Die Lage macht das Land so bedeutsam
Aber dann fragt man sich doch, warum Jemen? Was soll der Krieg in dem ohnehin schon ärmsten Land des nahen Ostens? Wenn man sich die geografische Lage Jemens einmal ansieht, wird einiges klar. Das Land liegt direkt an der Meerenge Bab al-Mandab. Das sogenannte Tor der Tränen ist das wichtige Nadelöhr zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Aden. Täglich werden rund 4 Millionen Barrel Öl aus dem indischen Ozean über das rote Meer nach Europa transportiert. Wer die Meerenge kontrolliert, kontrolliert den weltweiten Handel mit dem Erdöl aus dem nahen Osten. Und da kommt Jemen ins Spiel. Eine Blockade der Meerenge bei Jemen würde drastische Folgen für die Ölpreise bedeuten. Jemen ist daher für internationale Mächte von großem Interesse. 3)Tiroler Tageszeitung: Warum der Jemen wichtig ist; Artikel vom 27.03.2015
Hinzu kommt, dass seit kurzer Zeit die Gerüchte über Ölvorkommen unter jemenitischem Boden immer lauter werden. In der Grenzprovinz zu Saudi-Arabien Al-Jawf soll das größte Ölvorkommen der Golfstaaten verborgen sein. Das Ölfeld soll größer sein als die Vorkommen Saudi-Arabiens, Kuwait und der Vereinigten Arabischen Emirate zusammengenommen. Ist Jemen also nicht das ärmste Land der Region, sondern eigentlich das reichste? Wäre ein riesiges neues Ölfeld im Angesicht des immer näher rückenden „Peak-Oil“ nicht ein berechtigter Grund, die Vorherschaft des Landes zu erlangen? 4)der Freitag: Erdöl und Wirtschaftskrieg; Artikel vom 22.11.2015 5)Telepolis von heise online: Der wahre Grund des Jemenkriegs?; Artikel vom 30.10.2018
Ein weitaus stärker kommunizierter Grund für die Intervention verschiedener Golfstaaten in Jemen ist die politische Gesinnung. Der Iran, als Nachbarstaat Saudi-Arabiens, konnte in den letzen Jahren seinen Einfluss in der Welt stark ausbauen. Das sunnitische Saudi-Arabien und die shiitische Regierung Teherans sehen sich gegenseitig seit jeher als Bedrohung. Gewinnen die ebenfalls shiitisch gesinnten Houthi-Rebellen im Jemen die politische Überhand, sehe sich Saudi-Arabien von feindlich gepolten Herrschaftsformen eingekesselt. Das versucht das Land mit aller Kraft zu verhindern.
Internationale Mächte ziehen die Fäden
Der Jemenkonflikt wird immer wieder auch als Stellvertreterkrieg bezeichnet. In erster Linie ist er jedoch ein Bürgerkrieg, in den internationale Kräfte eingreifen und die lokalen Gruppierungen und Parteien unterstützen. Im Groben stehen sich zwei Kriegsparteien gegenüber. Die Houthi-Rebellen kontrollieren den Norden und die Hauptstadt Sanaa und waren bis zu seinem Tod mit dem abgesetzten jemenitischen Präsidenten Saleh und seinen Streitkräften verbündet. Sie erhalten Ratschläge und eingeschränkt Waffen vom Iran. Der international anerkannte Präsident Hadi auf der anderen Seite, erbittet sich Unterstützung von Saudi-Arabien. Das Land führt daraufhin eine Allianz von Golfstaaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien, Kuwait, Ägypten und noch einigen mehr an. Das Ziel ist, den Präsidenten Hadi zu stärken und die Macht der Houthi-Rebellen einzudämmen. Unterstützt wird die Golfallianz vor allem von den USA, Großbritannien und Frankreich durch militärische und politische Mittel. Auch die Al-Qaida und die Unabhängigkeitsbewegung des Südens kontrollieren Küstenstädte und Provinzen. Mit Voranschreiten des Krieges erlangen diese Gruppen immer mehr an Zuwanderung. Es agieren im Jemen also mehrere lokale und internationale Akteure, die alle ein eigenes Ziel verfolgen. Seit 2015 konnte keine der Kriegsparteien die militärische Überhand gewinnen. Klein beigeben ist für niemanden eine Option. Das Land steckt in einer aussichtslosen Lage. 6)urgewald: Geschäfte mit dem Tod – Die Rolle Deutschlands im Jemen-Krieg; Factsheet von 2018
Schulen und Krankenhäuser sind vor Bomben nicht mehr sicher
Die Situation in Jemen ist katastrophal. Unterschiedliche Faktoren haben dazu geführt. Doch was den Konflikt zur größten humanitären Krise der Welt gemacht hat, sind die massiven Vergehen an Zivilisten. Alle Konfliktparteien, die Houthis und die Golfkoalition, haben Verbrechen am Menschenrecht begangen. Jemen ist stark auf den Import von allen möglichen Waren angewiesen, allen voran Nahrungsmittel, Treibstoff und medizinische Versorgung. Und genau darauf baut die saudi-arabische Strategie auf, die Hunger-Strategie. Mit einer vollständigen Blockade aller Importwege zu Land, Wasser und Luft sollte die Bevölkerung ausgehungert werden. Die Hoffnung war die Kapitulation der Houthi-Rebellen. Mit Kollektivstrafen für die Zivilbevölkerung verstößt die Allianz allerdings gegen das Völkerrecht. Und der Krieg geht weiter, ohne Halt vor zivilen Einrichtungen. Etwa ein Drittel aller Luftangriffe treffen Ziele der zivilen Infrastruktur wie Märkte, Bauernhöfe, Schulen, Gesundheitszentren oder Wasser- und Elektrizitätsnetze. Über die Hälfte der Kriegstoten im Jemen sind Zivilisten. Immer wieder werden Schulbusse und Wohnhäuser bombardiert. Saudi-Arabien scheint sich nicht viel aus den getöteten Kindern, Frauen und einfachen Bürgern zu machen. 7)urgewald: Geschäfte mit dem Tod – Die Rolle Deutschlands im Jemen-Krieg; Factsheet von 2018 8)Deutsche Welle: Kommentar: Drei Jahre Jemen-Krieg und die Verantwortung des Westens; Artikel vom 26.03.2018
Der Westen muss sich mit verantworten
Der Westen, vor allem die USA als wichtigster Verbündeter, positioniert sich im Jemenkrieg klar auf der Seite der saudi-arabischen Allianz. Immerhin müssen die Erdöllieferungen durch die Meerenge gesichert werden und den enormen Profit durch die Belieferung der Kriegsparteien mit Waffen wollte man sich natürlich auch nicht entgehen lassen. Auch deutsche Unternehmen wie die Airbus Defence and Space GmbH oder Rheinmetall AG gehören neben Airbus Defence and Space S.A. aus Spanien, der italienischen Tochterfirma RMW Italia sowie BAE Systems Plc. aus Großbritannien und Thales aus Frankreich zu den großen Rüstungsexporteuren von europäischen Waffensystemen. Tornados, Eurofighter und MK-80-Bomben kommen besonders häufig bei Luftangriffen auf jemenitische Zivilisten zum Einsatz. Mit den Rüstungskonzernen profitieren indirekt auch die europäischen Staaten von den Kriegsverbrechen der Golfallianz. Und das obwohl der gemeinsame EU-Standpunkt zu Waffenexporten und dem internationalen Waffenhandelsabkommen den Export an Parteien bewaffneter Konflikte verbietet. 9)nd: Die Frage der Verantwortung; Artikel vom 12.12.2019 10)European Center for Constitutional an Human Rights: 5 Jahre Jemen-Krieg: Die Mitverantwortung europäischer Unternehmen; Artikel vom 24.03.2020 11)wikipedia: deutsch-saudi-arabische Beziehungen, Artikel vom 10.06.2020
Die Bundesregierung beschließt 2018 einen Rüstungsexportstopp an Länder, welche sich im Jemenkrieg beteiligen. Konsequent geht die schwarz-rote Koalition mit ihren Werten jedoch nicht um. Auch wenn Saudi-Arabien und die Vereinten Arabischen Emirate keine direkten Zulieferungen von Deutschland mehr erhalten, so beteiligt sich die Bundesregierung doch an gemeinschaftlichen Rüstungsprojekten Frankreichs und Großbritanniens. Und so wird weiterhin mithilfe deutscher Rüstungsgüter in Jemen die Zivilbevölkerung massakriert. 12)Deutsche Welle: Rüstungsexportstopp nach Saudi-Arabien gilt weiter; Artikel vom 23.03.2020
Warum hört man dann so wenig über den Jemenkrieg in den Medien? Wo bleiben all die Berichte über die unzähligen Menschenrechtsverletzungen? Die Berichterstattung im Jemen wird stark reguliert durch die eingeschränkte Pressefreiheit im Land und die Doppelmoral der westlichen Verbündeten mit der Golfkoalition. Mediale Aufmerksamkeit würde die Mitverantwortung der westlichen Mächte in dieser humanitären Katastrophe in den Mittelpunkt rücken und die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien und der Waffenexport müssten überdacht werden. Die diplomatischen Beziehungen zu einem der größten Ölimporteure der Erde sind anscheinend von größerem Wert für Europa und die USA, als die ach so häufig angepriesenen Menschenrechte. 13)wikipedia: deutsch-saudi-arabische Beziehungen, Artikel vom 10.06.2020
Eins ist klar, keine der Kriegsparteien wird kapitulieren, da jede von mächtigen Verbündeten unterstützt wird. Der Krieg ist mit Waffengewalt nicht zu beenden. Solange keine gemeinschaftliche, diplomatische Lösung zwischen allen Beteiligten gefunden wird, wird die Bevölkerung weiter leiden. Die Jemeniten wollen Frieden, jetzt müssen nur wir ihn auch wollen.
Fußnoten und Quellen:
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