Europäische Autos verpesten Afrika
Wer in Kenia oder Nigeria Urlaub macht, wird die Gegensätze zwischen Natur und Stadtverkehr in Erinnerung behalten. Und vielleicht das Gefühl haben, bis zu 20 Jahre in der Vergangenheit zu stecken. Der Grund dafür: Industriestaaten laden ihre alten Wagen in Afrika ab. Klingt wie eine nachhaltige Lösung, um der Verschwendung entgegenzuwirken. Gegen Second-Hand kann doch nichts einzuwenden sein. Vor allem Europa, Japan und die USA verschiffen ihre gebrauchten Fahrzeuge in Entwicklungsländer. Und dabei sind sie nicht sparsam. Laut einer Studie des UN-Umweltprogramms (UNEP) wurden zwischen 2015 und 2018 14 Millionen Gebrauchtwagen exportiert. 80 Prozent gehen in arme Länder, rund die Hälfte landet in Afrika. Für die Bevölkerung in vielen afrikanischen Ländern können diese, teilweise bis zu 20 Jahre alten, Autos einen bedeutenden Unterschied machen. Neuwagen können sich die meisten nicht leisten, doch der Besitz eines Fahrzeuges eröffnet vielfältige Möglichkeiten Geld zu verdienen. Als fahrende Händler, Autoverkäufer, Mechaniker oder Taxi- und Busfahrer. Genutzt werden die gebrauchten Wagen zur Genüge. Über die Lebensgefahr beim Fahren dieser Autos wird hinweggesehen. Da spielt weder Baujahr, Emissionsbilanz oder Verkehrssicherheit eine große Rolle, Hauptsache sie sind erschwinglich. 1) br24: UN-Bericht: Europas Gebrauchtwagen bedrohen Afrikas Umwelt; Artikel vom 26.10.2020 2) dw: Gebrauchtwagen: Zu dreckig für Deutschland, noch gut für Afrika?; Artikel vom 06.11.2020
Das Problem: Die Autos sind häufig so veraltet, dass sie auf europäischen Straßen nicht mehr zugelassen sind. 80 Prozent der exportierten Fahrzeuge können die Sicherheitsbestimmungen und Euro-4-Abgasnormen im Exportland nicht einhalten. Doch anstatt die Autos ordnungsgemäß und umweltfreundlich zu verschrotten, wächst der Export in Entwicklungsländer. Große Umschlagplätze für Gebrauchtwagen in Europa sind die Häfen in den Niederlanden. Zwischen 2017 und 2018 wurden hier 35 000 Fahrzeuge nach West-Afrika verschifft. Schon vor dem Export werden wertvolle Autoteile wie Filter, Airbags und Katalysatoren abmontiert, denn Sensoren und Partikelfilter sind vor allem wegen der darin enthaltenen Rohstoffe wie Platin auf dem Markt gefragt. Straßenuntaugliche Fahrzeuge zu exportieren, ist häufig kostengünstiger als die Verschrottung. „Sie entfernen die Dinge, die für die Art und Weise, wie wir sie hier verwenden,nicht notwendig sind. Sie lassen nur das Wesentliche,“ erklärt Peter Karanja Njuguna, der Fahrer eines etwa 15 Jahre alten Nissan Minibus in Nairobi. 3) dw: Gebrauchtwagen: Zu dreckig für Deutschland, noch gut für Afrika?; Artikel vom 06.11.2020 4) unep: Used Vehicles and the Environment – A Global Overview of Used Light Duty Vehicles: Flow, Scale and Regulation; Erscheinungsjahr 2020 5) unep: Used vehicles get a second life in Africa – but at what cost?, Artikel vom 26.10.2020
Zu den größten Importeuren für Gebrauchtwagen in Afrika zählen Nigeria, Tansania und Ghana. In der Studie des UNEP wird deutlich: Von 146 untersuchten Ländern haben nur 66 Länder eine Altersbegrenzung für gebrauchte Importwagen und nur 28 von 146 Ländern müssen sich an Emissionsnormen orientieren. 18 Staaten der Studie verbieten den Gebrauchtwagenimport vollständig. Die massive Anzahl an Fahrzeugen auf der ganzen Welt trägt maßgeblich zur Verschmutzung der Luft und Erwärmung des Klimas bei. Durch die Fahrzeugemissionen werden kleine Partikel und Stickoxide in die Atmosphäre abgegeben. Der Straßenverkehr ist somit die Hauptquelle für die Luftverschmutzung weltweit. Vor allem Afrikas Großstädte sind geprägt von Smog und Abgasen des Verkehrs. Die Studien zeigen, dass sich die Fahrzeugflotte weltweit bis 2050 mindestens verdoppeln soll, mehr als 90 Prozent davon in Entwicklungsländern. 6) dw: Gebrauchtwagen: Zu dreckig für Deutschland, noch gut für Afrika?; Artikel vom 06.11.2020 7) unep: Used Vehicles and the Environment – A Global Overview of Used Light Duty Vehicles: Flow, Scale and Regulation; Erscheinungsjahr 2020
Der Klimawandel wird immens vorangetrieben und zieht eine lange Kette an Konsequenzen mit sich. Ein Großteil der Bevölkerung vieler afrikanischer Länder ist abhängig von der Landwirtschaft. Die Veränderung des Klimas und das Verschmutzen der Umwelt wirkt sich auf ihre Lebensgrundlage aus. Dürren führen zur Nahrungsknappheit. Viele Menschen leiden unter Hunger und Durst. Die Abwehrkräfte des Körpers werden geschwächt und Krankheiten können sich leichter ausbreiten. Auch Überschwemmungen erschweren die Lebensbedingungen vieler Afrikaner. Die Nachlässigkeit bei den Emissionsvorschriften führt zur langfristigen Verschlechterung der Lebensqualität. Hinzu kommt die Verkehrssicherheit auf den Straßen. Fahrzeuge mit schlechter oder veralteter Technik führen oft zu Verkehrsunfällen. Afrika hat laut UNEP mit 246 000 pro Jahr weltweit die meisten Todesfälle im Straßenverkehr. 8) unep: Used Vehicles and the Environment – A Global Overview of Used Light Duty Vehicles: Flow, Scale and Regulation; Erscheinungsjahr 2020 9) unep: Used vehicles get a second life in Africa – but at what cost?; Artikel vom 26.10.2020
Importierte veraltete Autos sind unsicher und umweltbelastend. Sie behindern die Bekämpfung des Klimawandels und verschlechtern die Sicherheit im Straßenverkehr erheblich. Um die Klimaziele einhalten zu können, starteten die Vereinten Nationen eine Initiative. Sie fordern, den Export von Gebrauchtwagen zu beschränken und ebenso den Import zu regulieren. Dafür sollen die Importländer strengere Qualitätsstandards und unter anderem eine Altersgrenze für gebrauchte Fahrzeuge einführen. Um diese Mindeststandards der Einfuhrbestimmungen umzusetzen, kann der westafrikanische Staatenbund Ecowas eine Hilfe sein. Kürzlich erließ er neue Standards für Kraftstoffe und Gebrauchtwagen. Auch das geplante Freihandelsabkommen Afrikas könnte dafür sorgen, den Import von Gebrauchtwagen mit unzureichender Qualität zu begrenzen. Einige afrikanische Staaten wie Marokko, Algerien, Ghana oder Mauritius haben die strengeren Bestimmungen schon eingeführt. 10) br24: UN-Bericht: Europas Gebrauchtwagen bedrohen Afrikas Umwelt; Artikel vom 26.10.2020
Doch solange der Ex- und Import von Gebrauchtwagen nicht stärker überbewacht und reguliert wird, verschlechtern sich die Umweltbedingungen in den Entwicklungsländern weiter. Der Perspektivlosigkeit vieler Menschen im globalen Süden kann mit diesem Wirtschaftszweig nicht entgegengewirkt werden. Die Spanne zwischen Industrie- und Entwicklungsländern öffnet sich weiter. Der Ausblick auf ein besseres Leben im Norden wird immer Menschen in die Flucht treiben, um Hunger und Armut zu entkommen.
Fußnoten und Quellen:
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