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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Umweltnotstand in Mexiko: Eine Bevölkerung stellt sich gegen Konzerne
Sie wirken entschlossen. Einige halten Schilder in der Hand, darunter eines mit der Aufschrift: “Kämpft, kämpft gegen die Verschmutzung der Umwelt.” Der Grund für ihre Versammlung ist, gemeinsam gegen die Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden durch Industrieunternehmen vorzugehen.
Wir befinden uns in der mexikanischen Region um das Flussbecken von Atoyac-Zahuapan. Dort bildet Tlaxcala mit der Hauptstadtregion und den Bundesstaaten Mexiko und Puebla eines der vier wichtigsten Industriezentren Mexikos, auch genannt: „corredores industriales“. Mehr als 20.000 Fertigungsunternehmen ließen sich in der 3-Millionen-Metropole in den letzten Jahrzehnten nahe der Flüsse Atoyac und Santiago nieder. Dies trifft beispielsweise auf den mexikanischen Erdöllieferanten Pemex, als auch auf den deutschen Automobilhersteller Volkswagen zu. Seitdem war eine starke Verschmutzung der Gewässer und Böden um das Flussbecken zu verzeichnen. Dass mehrere wissenschaftliche Studien, unter anderem die renommierte Nationale Universität Mexikos (UNAM), bei Untersuchungen einen direkten Zusammenhang zwischen den Abfällen der Industrieproduktion, der Verschmutzung des Flusses Atoyac und der Häufung von Krankheitsfällen bei der Bevölkerung feststellte, überrascht kaum. Den ansässigen Industriekonzernen wird seit Jahrzehnten vorgeworfen, giftige Chemikalien und Pestizide einzusetzen, ungeklärte Abwässer in Flüsse einzuleiten, sowie erheblich zur Feinstaubbelastung in der Region beizutragen. 1)Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko: Bericht zur Toxi-Tour; Bericht vom 02.10.2020 2)epo.de: Umweltkrise in Mexiko: Bündnis appelliert an deutsche Unternehmen; Artikel vom 06.11.2020 3)Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit:ToxiTourMéxico-Berichte aus den Hotspots der Umweltzerstörung; Stand vom 13.11.2020
Die Folgen machen sich derweil in der Umgebung bemerkbar. Anwohner aus 29 Gemeinden der Bundesstaaten Puebla, Tlaxcala und Veracruz klagen über einen sinkenden Grundwasserpegel und austrocknende Brunnen durch die Übernutzung des Wassers durch Industrien. Auch deren Gesundheit wird seit der Ansiedlung der Konzerne massiv beeinträchtigt. Krebs, Nierenschäden, Fehlgeburten und Fehlbildungen bei Neugeborenen sind keine Seltenheit mehr und das Krankheitsvorkommen dort liegt über dem nationalen Durchschnitt.4)Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko: Bericht zur Toxi-Tour; Bericht vom 02.10.2020 5)Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit:ToxiTourMéxico-Berichte aus den Hotspots der Umweltzerstörung; Stand vom 13.11.2020
Eine Reisegruppe verschafft Betroffenen internationale Aufmerksamkeit
2019 trat ein Team von Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen die Delegationsreise “Toxi-Tour” an. Die 30 Teilnehmer aus Mexiko, Argentinien, Peru, der Europäischen Union und den USA besuchten die sechs Brennpunkte der Umweltzerstörung durch transnationale Unternehmen und ihre Auftragnehmer. Ihr Ziel bestand darin, die Auswirkungen der Tätigkeit der Unternehmen auf Mensch und Natur aufzuzeigen und die Vernetzung von Repräsentant*innen verschiedener Regionen zu stärken. Sie trafen sich mit lokalen Betroffenen und gaben Kundgebungen vor den Toren deutscher und schweizerischer Konzerne. 6)Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko: Bericht zur Toxi-Tour; Bericht vom 02.10.2020 7)Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit:ToxiTourMéxico-Berichte aus den Hotspots der Umweltzerstörung; Stand vom 13.11.2020 8)amerika21.de:„Toxi-Tour“ in Mexiko beendet, die eigentliche Arbeit beginnt; Artikel vom 17.12.2019
“Die unkontrollierte industrielle Entwicklung, die hier in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat, führt zu einer regelrechten Katastrophe. Ein Großteil des Kapitals, mit dem hier ungestraft und ohne jegliche Kontrolle operiert wird, stammt aus der ersten Welt und somit Europa.” berichtet Mikel Otero, ein Abgeordneter des baskischen Parlaments von “EH Bildu” und Teil der Reisegruppe. 9)Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko: Bericht zur Toxi-Tour; Bericht vom 02.10.2020
Der Ausbau der „corredores industriales“ schreitet fort – somit auch die Menschenrechtsverstöße
Die Umweltverschmutzung ist also nicht Unternehmen allein, sondern außerdem jenen geschuldet, die eine solche zulassen. In den letzten 20 Jahren wurden die Industriekorridore stark ausgebaut. Infolge von Freihandelsabkommen Mexikos mit den USA, Kanada und der Europäischen Union, war es vielen transnationalen Unternehmen dieser Länder nun möglich, nach Mexiko umzusiedeln und die günstigen Produktionsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Das machte das lateinamerikanische Land zum “Industrieparadies” für Großkonzerne und erleichterte die Umsetzung neuer Industrie- und Megainfrastrukturprojekte. Die Handelsabkommen schufen Arbeitsplätze für die ansässige Bevölkerung, hielten jedoch keinerlei Kontrollen oder Garantien im Hinblick auf die Einhaltung von Umwelt-, Arbeits- und Menschenrechten bereit. Niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen sind für die meisten Arbeiter*innen dort Alltag. Auf die Hilfe der mexikanischen und ausländischen Regierungen hofft kaum einer mehr. Die Herkunftsländer der Großkonzerne übernehmen keine Verantwortung für die sozioökologischen Konflikte, die durch die Auslagerung der Industrien entstehen. Ganz im Gegenteil: sie unterstützen die internationalen Unternehmensaktivitäten. Mexiko vertuscht unterdessen die Auswirkungen, die Industriebetriebe auf die Umwelt haben und zeigt kein Interesse an den gesundheitlichen Problemen der betroffenen Bevölkerung. Ein Wandel ist kaum in Aussicht. Durch die Abhängigkeit von ausländischen Direktinvestitionen und Exporten fehlt es den mexikanischen Behörden an finanziellen und politisch notwendigen Kapazitäten, um sich der Macht der Konzerne entgegenzustellen und sie dazu zu bringen, sich in Mexiko an die gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu halten, an die sie in ihren Heimatländern gebunden sind. 10)Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko: Bericht zur Toxi-Tour; Bericht vom 02.10.2020 11)Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit:ToxiTourMéxico-Berichte aus den Hotspots der Umweltzerstörung; Stand vom 13.11.2020 12)amerika21.de:„Toxi-Tour“ in Mexiko beendet, die eigentliche Arbeit beginnt; Artikel vom 17.12.2019 13)European Commission:EU and Mexico conclude negotiations for new trade agreement; Artikel vom 28.04.2020
Die Stimmen der Anwohner*innen werden lauter
Aufgrund der Menschenrechtsverletzungen im Bundesstaat Tlaxcala wurde die von MISEREOR geförderte Organisation “Centro Fray Julián Garcés” ins Leben gerufen. Gemeinsam mit den Menschen vor Ort kämpft sie für ein Ende der sozioökologischen Verwüstung und die Anerkennung eines Gesundheits- und Umweltnotstands in der Region. Alejandra Méndez Serrano, die Direktorin der Bewegung kritisiert: „Deutschland und Europa tragen eine Mitverantwortung für die Umwelt- und Gesundheitsschäden in Mexiko. Es muss Eingang in die bilateralen Gespräche zwischen Mexiko und Deutschland finden, dass solche Schäden in Zukunft vermieden werden.” Es ist schließlich höchste Zeit, auf Vorwürfe der Bevölkerung zu reagieren und die Auswirkungen unternehmerischer Tätigkeiten auf Mensch und Natur zu untersuchen. 14)epo.de: Umweltkrise in Mexiko: Bündnis appelliert an deutsche Unternehmen; Artikel vom 06.11.2020 15)MISEREOR: Umweltnotstand in Mexiko: Bündnis appelliert an deutsche Unternehmen; Artikel vom 05.11.2020 16)Centro Fray Julián Garcés: Misión; nicht mehr verfügbar