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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Frankreich hält an seinen ehemaligen Kolonien fest
Noch immer leiden viele ehemalige Kolonien unter dem Einfluss der einstigen Kolonialmächte. Sie haben eine Mitschuld für die Missstände und die Unterentwicklung des globalen Südens. Denn auch nach der formalen Dekolonisation existiert keine gerechte Weltordnung: Die Abhängigkeit der ehemaligen Kolonien gegenüber Industrienationen ist noch nicht vorbei. Diese profitieren immer noch von Entwicklungsländern, während sie mit Unterentwicklung zu kämpfen haben. Viele ehemalige Kolonien sind fest an Wirtschafts- und Währungsbündnisse gebunden.
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Der CFA-Franc ist fest an den Euro gekoppelt und wird von Frankreich kontrolliert, ist also nicht an die westafrikanische Wirtschaftsleistung angepasst. Die Entwicklung der betroffenen Länder ist somit eingeschränkt und nimmt ihnen einen Teil ihrer Souveränität. Der CFA-Franc ist ein Mittel kolonialer Kontinuität und finanzieller Kontrolle. „60 Jahre später haben die frankophonen Länder Afrikas noch immer keine wahre Unabhängigkeit und Freiheit von Frankreich“, führt Nathalie Yamb an, Beraterin der Partei Freiheit und Demokratie für die Republik der Elfenbeinküste. 1)Deutsche Welle: Frankreich und Afrika: Abnabeln in Zeitlupe; Artikel vom 31.07.2020 2)Le Monde: Wut auf Paris in Françafrique; Artikel vom 12.03.2020
Dennoch benutzen die afrikanischen Staaten den CFA Franc weiterhin als offizielle Währung, weil er stabil und stark ist, der es ermöglicht, regional mit den CFA-Staaten einfach zu handeln. Allerdings blockiert diese erzwungene Stabilität die wirtschaftliche Entwicklung der betreffenden Staaten. Eine eigenständige Geldpolitik ist so unmöglich. Dadurch gibt es zwar eine Stabilität, aber eben eine Stabilität der Armut, so die französische Journalistin und Afrikaexpertin Fanny Pigeaud. Die afrikanischen Staaten haben nicht die Möglichkeit, Einfluss auf den Wechselkurs zu nehmen; zum Beispiel die Abwertung der Währung, um so Exporte anzukurbeln. So werden die Importe von Fertigprodukten gefördert. Dies schränkt den Prozess der Industrialisierung sehr ein und Afrika muss sich stärker als ohnehin schon auf Rohstoffexporte festlegen. 3)Deutschlandfunk: Frankreich und der unsichtbare Kolonialismus; Artikel vom 20.12.2018 4)Deutsche Welle: Der CFA-Franc: Eine Währung, die polarisiert; Artikel vom 24.05.2019
Der senegalesische Ökonom Ndongo Semba Sylla fordert: „Wenn wir uns entwickeln und Arbeitsplätze schaffen wollen, dürfen wir nicht nur Rohmaterial produzieren, sondern müssen in die Verarbeitung investieren. Aber mit dem Franc CFA ist das unmöglich.“ 5)Deutschlandfunk: Frankreich und der unsichtbare Kolonialismus; Artikel vom 20.12.2018
Außerdem sind die Mitglieder der französischen Währungsgemeinschaft wirtschaftspolitisch geschwächt, weil mindestens 50 Prozent ihrer Währungsreserven bei der französischen Notenbank hinterlegt sein müssen. Die Regelungen schützen also einerseits Frankreich, belasten anderseits die Nutzer der „Entwicklungswährung“, halten also die ökonomische Abhängigkeit aufrecht. 6)Deutsche Welle: Der CFA-Franc: Eine Währung, die polarisiert; Artikel vom 24.05.2019 7)TAZ: Lexikon der Globalisierung – Was ist eigentlich Neokolonialismus?; Artikel vom 03.05.2004
Auch der ivorische Ex-Finanzminister Mamadou Koulibaly kritisiert Frankreichs postkoloniale Politik: „Bei der Unabhängigkeit hat man den ehemaligen Kolonien politische Freiheit gewährt, aber man hat das ganze System der kolonialen Ausbeutung aufrechterhalten.“ 8)Deutschlandfunk: Frankreich und der unsichtbare Kolonialismus; Artikel vom 20.12.2018
Acht westafrikanische Länder (Elfenbeinküste, Benin, Burkina Faso, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo) wollten ab dem 1. Juli diesen Jahres an eine neue gemeinsame Währung einführen, den ECO. Doch daraus wurde erst einmal nichts. Sowie auch schon 2005 und 2015 wurde der Wechsel vom CFA-Franc zur gemeinsamen westafrikanischen Währung verschoben. Wenn man sich den ECO genauer ansieht, ist außerdem kein großer Unterschied zur umstrittenen „Kolonialwährung“ zu erkennen. Der ECO wäre weiterhin an den Euro gebunden und an Westafrikas Abhängigkeit würde sich nicht viel ändern. 9)Süddeutsche Zeitung: Koloniales Erbe – ein Schein von Unabhängigkeit; Artikel vom 19.07.2020
Afrikas Unterentwicklung im Zusammenhang mit neokolonialistischer Politik geht aber auch auf andere Wirtschaftsverpflichtungen zurück: Afrikanische Länder gewährleisteten Frankreich den Zugang zu Ressourcen wie Diamanten, Erzen, Uran sowie Gas- und Ölvorkommen. Auch heute noch hat Frankreich einen bevorzugten Zugang zu den Rohstoffen in den ehemaligen Kolonien – und das weit unter Weltmarktpreisen. 10)Deutsche Welle: Frankreich und Afrika: Abnabeln in Zeitlupe; Artikel vom 31.07.2020 11)Deutschlandfunk: Frankreich und der unsichtbare Kolonialismus; Artikel vom 20.12.2018
In vielen Ländern sind instabile Regierungen, wirtschaftliche Schwäche und ethnische Konflikte direkte oder indirekte Folgen der jahrhundertelangen europäischen Fremdherrschaft. So ist also auch der Neokolonialismus Grund der Unterentwicklung und so der Verarmung der Bevölkerung. Zehn der vierzehn französischen Kolonien in Afrika gehören zu den ärmsten Ländern der Welt. Und Armut ist immer eine Ursache von Flucht: Sie führt zu Krieg, Hunger, fehlender Bildung, Kinderarbeit, sozialen Ungleichheiten, fehlenden Möglichkeiten, sich gegen Klimakatastrophen vorzubereiten und zu Korruption. 12) GEO Epoche: Wie der Kolonialismus die Welt bis heute prägt; Artikel aus der 97. Ausgabe
Aber die dafür verantwortlichen Industrienationen helfen viel zu wenig oder beuten Entwicklungsländer sogar noch weiter aus. Entwicklungshilfen in Form von Krediten, die mit teuren Zinsen zurückgezahlt werden müssen, und somit weiter zur Abhängigkeit und Unterentwicklung beitragen, sind nicht die richtige Option.
Ehemalige Kolonialmächte und die EU müssen sich ihrer Verantwortung stellen, Solidarität zeigen und Entwicklungshilfe so gestalten, dass Staaten sich selber aufbauen können und wirklich unabhängig werden. Eine Strategie zur Bekämpfung und Überwindung der Unterentwicklung ist die Herauslösung der Entwicklungsländer aus dem Weltmarkt bzw. eine neue Weltwirtschaftsordnung.
Dabei ist ein erster Schritt, afrikanische Staaten in ihre eigene Währungs- und Wirtschaftsgemeinschaft zu entlassen und sich damit abzufinden, dass das koloniale Zeitalter vorbei ist. Es muss eine Industrialisierung in Afrika geben. Das heißt vor allem, dass einheimische Rohstoffe schon im Land verarbeitet und internationale Handelshemmnisse wie hohe Einfuhrzölle abgebaut werden müssen. Aber solang am CFA-Franc festgehalten wird, ist dies so gut wie unmöglich.
Fußnoten und Quellen:
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