![Malischer Flüchtling in Burkina Faso | Bild: "Oxfam International Malian refugee at Mentao camp in Burkina Faso" © Pablo Tosco/Oxfam [CC BY-NC-ND 2.0] - flickr Malischer Flüchtling in Burkina Faso | Bild: "Oxfam International Malian refugee at Mentao camp in Burkina Faso" © Pablo Tosco/Oxfam [CC BY-NC-ND 2.0] - flickr](https://www.fluchtgrund.de/files/2020/10/flXXchtling_01_1000-713x476.jpg)
Malischer Flüchtling in Burkina Faso | Bild: "Oxfam International Malian refugee at Mentao camp in Burkina Faso" © Pablo Tosco/Oxfam [CC BY-NC-ND 2.0] - flickr
Sahelzone: Es braucht mehr als Geberkonferenzen
1,7 Milliarden Dollar kamen am Ende zusammen. Etwa 20 Länder erklärten sich bereit, zu spenden. Es ist kein schlechtes Ergebnis, das die Geberkonferenz für die Sahelzone letzte Woche erreicht hat. Mit dem Geld wäre die humanitäre Hilfe in der Region für die nächsten eineinhalb Jahre finanziert. Wenn man sich allerdings aktuelle Bilder von dort ansieht und die drastischen Warnungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR hört, dann fragt man sich schnell, ob Geld alleine die Probleme der Region lösen kann. 1) DW: Hilfe für Afrika: Hilfszusagen in Milliardenhöhe für Sahelzone; Artikel vom 20.10.2020 2) UNHCR: Sahel: Fastest Growing Crises! 2 million people displaced; Video vom 20.10.2020
Die Sahelzone erstreckt sich als langer Streifen einmal quer über den afrikanischen Kontinent. Sie bildet den Übergang zwischen der Sahara und der afrikanischen Feuchtsavanne. Sie reicht vom Senegal an der Westküste bis zum Sudan im Osten Afrikas. Hunger, Konflikte und Terrorismus – das sind Dinge, die man mit dem Begriff „Sahel“ verbindet. Und dieses Bild ist leider nicht so falsch. Vielerorts findet man Armut, Konflikte und Menschenrechtsverletzungen: In Eritrea, Darfur, dem Tschad, Mali und dem Nordosten Nigerias, um nur die größten Beispiele zu nennen. Besonders dramatisch ist die Lage gerade im Dreiländereck zwischen Niger, Burkina Faso und Mali. „Liptako-Gourma“ wird die Gegend auch genannt. Sie stand auch im Mittelpunkt der Geberkonferenz letzte Woche. Denn dort hat sich die Zahl der Flüchtlinge in den letzten zwölf Monaten beinahe verdoppelt. 3,5 Millionen Vertriebene zählt das UNHCR. 3) DW: Hilfe für Afrika: Hilfszusagen in Milliardenhöhe für Sahelzone; Artikel vom 20.10.2020 4) UNHCR: Sahel emergency; Stand 10/2020
Das Problem in Liptako-Gourma ist – wie in vielen Gebieten der Sahelzone – das Zusammenspiel aus bewaffneten Konflikten, Terrorismus, Menschenrechtsverletzungen und Klimawandel. In Gegenden, in denen die staatliche Kontrolle nur schwach ist, bilden sich leicht bewaffnete Gruppen, die dessen Funktionen übernehmen.
Im Grenzgebiet zwischen Niger, Mali und Burkina-Faso kommt das alles momentan in besonders starkem Ausmaß zusammen. Mehrfach pro Woche gibt es Terroranschläge, Desertifikation und Dürren schüren Konflikte um Land. Der Corona-Lockdown hat Armut und Kriminalität wachsen lassen. Hunderttausende Menschen haben in den letzten Monaten ihr Zuhause verlassen und leben in provisorischen Flüchtlingslagern. Die Lage in der Region sorgt sogar in den Nachbarländern Tschad und Mauretanien für Instabilität – und weitere Länder könnten folgen. 5) IOM: Liptako Gourma Crisis Monthly Dashboard; Fact Sheet vom 20.10.2020 6) DW: Menschenrechte: Die vergessenen Krisen in Afrika; Artikel vom 10.06.2020 7) Deutschlandfunk: COVID-19 im Sahel: Terror und Pandemie; Artikel 19.05.2020 8) UNHCR: Sahel emergency; Stand 10/2020
Wenn es um Migration in Afrika geht, wird man in Europa schnell hellhörig. Denn es kann ja sein, dass die Menschen sich auf den Weg Richtung Mittelmeer machen. Deshalb haben auch einige europäische Länder Soldaten in den Sahel geschickt. Allen voran Frankreich. Die ehemalige Kolonialmacht von fast allen Staaten in der Region hat dort zur Terrorbekämpfung über 4.500 Soldaten stationiert. Auch Deutschland ist militärisch in der Sahelzone aktiv. Im Rahmen der europäischen Mission EUTM bildet die Bundeswehr in Mali Sicherheitskräfte aus und im Rahmen der UN-Mission MINUSMA beteiligt sie sich dort an der Friedenssicherung. 9) Bundeswehr: Die Einsätze der Bundeswehr; Stand 10/2020 10) DW: G5-Sahel-Treffen: Frankreich verstärkt Einsatz in Sahelzone; Artikel vom 13.01.2020
Der Einsatz von Soldaten in der Sahelzone ist umstritten. Viele Politiker, wie der ehemalige Wehrbeauftragte der Bundesregierung Hans-Peter Bartels (SPD), befürworten den Einsatz. Bartels fordert sogar eine Ausweitung der Mission, um effektiver zu arbeiten. Die Kinderhilfsorganisation World Vision ist hingegen der Meinung, militärische Konzepte hätten im Sahel versagt. „Es wurde an Symptomen herumgedoktert. Stattdessen muss der Schwerpunkt darauf gesetzt werden, lokale Friedensinitiativen zu fördern“, so Ekkehard Forberg von World Vision. 11) DW: Bundeswehreinsatz: Sorge um deutsche Soldaten in Mali; Artikel vom 19.08.2020 12) epo: Sahelkonferenz: Militärische Konzepte haben versagt; Artikel vom 20.10.2020
In Einem sind sich aber beide einig: Die bisherige Art und Weise des Einsatzes hat kaum Erfolg gebracht. Im Gegenteil: Seit die Bundeswehr in Mali aktiv ist, hat der Terror dort sogar zugenommen. Es gibt Berichte davon, dass die malische Armee Dörfer überfällt und plündert, dabei Menschen willkürlich tötet und verschleppt. Wohlgemerkt: Das ist die Armee, die von der Bundeswehr bei der Ausbildung unterstützt wird. Auch die Soldaten, die im August Malis Präsident Ibrahim Keita aus dem Amt geputscht haben, wurden womöglich von der Bundeswehr ausgebildet. 13) Amnesty International: Sahel: Soldiers rampage through villages killing people under guise of anti-terror operations; Artikel vom 10.06.2020 14) DW: Bundeswehreinsatz: Sorge um deutsche Soldaten in Mali; Artikel vom 19.08.2020
Die Probleme der Sahelzone sind nicht unlösbar. Aber weder Militär noch Hilfsgüter werden sie alleine beheben können. Klar, Armut und Gewalt sind die Hauptgründe für Flucht und Migration, aber die Ursachen dafür sind meist komplex. Terrorismus entsteht in der Regel dort, wo der Staat wenig Kontrolle hat oder wo das Vertrauen in den Staat zerstört ist, beispielsweise durch Korruption. Und Armut kommt auch nicht von ungefähr. Die europäische Wirtschaftspolitik sorgt nicht selten dafür, dass in diesen Ländern Entwicklung ausbleibt. Beispielsweise durch unfaire Freihandelsabkommen und neokoloniales Verhalten. Vom menschengemachten Klimawandel, an dem die Länder der Sahelzone fast keinen Anteil haben, mal ganz zu schweigen.
Europa hat also durchaus Verantwortung für die Lage in der Sahelzone. Mit ein paar Soldaten und ein paar Millionen Euro Hilfsgeldern jedes Jahr lässt sich vielleicht das eigene Gewissen beruhigen. Aber langfristig hilft das wenig.
Fußnoten und Quellen:
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