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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Klimabedingte Naturkatastrophen nehmen zu – Zahl der Flüchtlinge steigt
Ein neuer Bericht des UN-Büros für Katastrophenvorbeugung (UNDRR) vom 12. Oktober 2020 legt alarmierende Zahlen vor. Demnach hat sich die Zahl der Naturkatastrophen zwischen 2000 und 2019 gegenüber den vorherigen 20 Jahren (1990-1999) fast verdoppelt. Insgesamt seien bis 2019 weltweit 7348 Katastrophen größeren Ausmaßes registriert worden. Die Zahlen zu den menschlichen Opfern verdeutlichen diesen Anstieg noch mal: 4,2 Milliarden Betroffene, 1,2 Millionen Tote. Die erfassten Ereignisse beinhalten Stürme, Waldbrände, Dürren, Erdbeben, Tsunamis, Hitzewellen und Überschwemmungen. Am schwersten betroffen war laut dem Bericht Asien, gefolgt vom amerikanischen und afrikanischen Kontinent. Für den extremen Anstieg sieht der Bericht vor allem einen Grund: den menschengemachten Klimawandel. Insbesondere die Anzahl der klimabedingten Klimakatastrophen stieg von gut 3600 auf 6600, das entspricht einem Anteil von 91 Prozent. 1)tagesschau.de: Mehr Naturkatastrophen durch Klimawandel; Artikel vom 12.10.2020 2)United Nations Office for Disaster Risk Reduction (UNDRR): UN Report charts huge rise in climate disasters; Artikel vom 13.10.2020
Dennoch ist die Flucht vor verändertem Klima kein Asylgrund. Menschen, die aufgrund von Klimawandelfolgen gezwungen sind, wegzuziehen, werden in der Genfer Flüchtlingskonvention nicht berücksichtigt. Sie haben keinen internationalen Anspruch auf Schutz oder Unterstützung. Das zeigt etwa der Fall von Ioane Teitiota aus dem pazifischen Inselstaat Kiribati, der vom steigenden Meeresspiegel bedroht ist: Im Februar 2016 reichte er vor dem UN-Menschenrechtsausschuss Klage gegen die neuseeländische Regierung ein, nachdem er 2010 in Neuseeland einen Asylantrag als „Klimaflüchtling“ gestellt hatte. Dieser wurde jedoch von den dortigen Behörden abgelehnt. Ioane Teitiota wurde im September 2015 aus Neuseeland in sein Herkunftsland Kiribati abgeschoben. Anfang Januar 2020 traf der UN-Menschenrechtsausschuss eine Entscheidung in dem Fall. Zwar befand der Menschenrechtsausschuss jetzt, dass Ioane Teitiotas Abschiebung rechtens war, da sein Leben in Kiribati nicht unmittelbar bedroht sei. Doch er erkannte an, dass die Klimakrise das Recht auf Leben ernsthaft bedroht. Entscheidungsträgerinnen und -träger müssen Klimafragen bei der Prüfung von Asylanträgen zukünftig berücksichtigen. Das UN-Urteil stützt damit Asylansprüche von Klimaflüchtlingen. 5)Brot für die Welt: Vor dem Klima auf der Flucht; Stand 21.10.2020 6)Deutschlandfunk Nova: Klimawandel als Fluchtursache; Artikel vom 16.07.2019 7)Amnesty International: UN-Menschenrechtsausschuss stärkt Rechte von Klimaflüchtlingen; Artikel vom 21.01.2020 8)Welt.de: Klimaflüchtlinge gibt es nicht, stellt die Bundesregierung klar; Artikel vom 22.01.2020
Da die Gründe für Migration jedoch sehr unterschiedlich sind, können auch Klimaveränderungen dazu führen, dass Menschen aus Gründen fliehen, die wiederum doch von der Genfer Flüchtlingskonvention abgedeckt sind. Klimawandel und Wetterextreme sind wichtige Triebkräfte für Migration und Flucht. Wenn Hitzewellen ganze Regionen austrocknen und der Regen ausbleibt oder zu heftig auftritt, ist das Überleben vieler Menschen gefährdet. Ernten werden vernichtet und Wasser wird vielerorts zum knappen Gut. Ganze Inselstaaten sind durch den steigenden Meeresspiegel vom Verschwinden bedroht, Küstenregionen leiden unter häufigeren und heftigeren Überschwemmungen. Besonders Leidtragende sind oft die ohnehin Armen und Marginalisierten in Entwicklungsländern, deren Widerstands- und Anpassungsfähigkeiten begrenzt sind. 9)Deutschlandfunk Nova: Klimawandel als Fluchtursache; Artikel vom 16.07.2019 10)Brot für die Welt: Vor dem Klima auf der Flucht; Stand 21.10.2020
Die Auswirkungen des Klimawandels und von Naturkatastrophen können bereits fragile Situationen verschlimmern und den Konflikt über knappe Ressourcen verschärfen. Naturkatastrophen und die dadurch entstehenden unbewohnbaren Gegenden sowie die negativen Auswirkungen des Klimawandels führen häufig dazu, dass Menschen, die bereits ihre Heimat verlassen mussten, ein weiteres Mal sich aufmachen müssen, um anderswo Zuflucht zu suchen. Die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr ist dementsprechend eingeschränkt, wenn ihre Heimatgebiete von den gleichen Effekten betroffen sind. Eine verlässliche Aussage darüber, wie viele Menschen in Zukunft aufgrund der Klimawandelfolgen in die Flucht gezwungen werden, ist schwer möglich. Es ist nicht immer klar, welche Ereignisse und Katastrophen aufgrund des Klimawandels stattfinden. Außerdem sind Klima und Umweltveränderungen selten der einzige Grund, das Lebensumfeld zu verlassen. Ursachen dafür können zum Beispiel auch der fehlende Zugang zu Land, zu Bildungs- oder Gesundheitsdienstleistungen oder mangelnde Einkommensmöglichkeiten sein. Der Klimawandel verstärkt all diese Gründe. 11)Brot für die Welt: Vor dem Klima auf der Flucht; Stand 21.10.2020
Eine Vorhersage, mit wie vielen geflüchteten Menschen wir in Europa aufgrund des Klimawandels rechnen können ist ebenfalls sehr schwierig – man kann hier nur spekulieren. Sicher ist nur, dass nur ein sehr geringer Prozentsatz nach Europa kommen wird: Auch in Zukunft sind viele der Geflüchteten sogenannte Binnengeflüchtete – sie fliehen also innerhalb ihres eigenen Landes. Von den aktuell 70 Millionen vom UNHCR erfassten Vertriebenen sind das rund 40 Millionen. Und selbst von den Menschen, die ihr Land verlassen, blieben rund 80 Prozent in den Nachbarländern ihrer Herkunftsorte. Schutzrechte für die Betroffenen von klima- und umweltbedingter Flucht sind also dringend notwendig – für Verbesserungen der Rechtssituation und Lebensbedingungen der Geflüchteten. Diskussionen über eine mögliche Erweiterung der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) oder eine neue Konvention für Klimaflüchtlinge versprechen momentan jedoch nur wenig Ergebnisse; nicht zuletzt, weil es an politischem Willen der Staaten mangelt. 12)Deutschlandfunk Nova: Klimawandel als Fluchtursache; Artikel vom 16.07.2019 13)Brot für die Welt: Vor dem Klima auf der Flucht; Stand 21.10.2020
Auch die deutsche Bundesregierung vertritt sogar nach dem Urteil des UN-Menschrechtsausschusses die Auffassung, wer wegen der Folgen des Klimawandels seine Heimat verlässt, kann in Deutschland weder Asyl noch Flüchtlingsschutz einfordern. Zwischen Klimawandel, Migration und Flucht bestehe zwar ein Zusammenhang, dieser sei aber bislang nur unzureichend untersucht, teilte ein Sprecher des Innenministeriums im Januar 2020 nach der Veröffentlichung des Urteils auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit. „Die meisten Studien deuten darauf hin, dass Umweltveränderungen Auslöser, aber nicht alleinige Ursache von Migrationsentscheidungen sind“, fügte er hinzu. Damit konterkarierte er sogar mehrere Aussagen von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Müller hatte erst im November 2019 gewarnt: „Wir gehen im Augenblick von circa 20 Millionen Klimaflüchtlingen in Afrika aus.“ In früheren Interviews hatte Müller sogar von 200 Millionen drohenden Klimaflüchtlingen gesprochen. 14)Welt.de: Klimaflüchtlinge gibt es nicht, stellt die Bundesregierung klar; Artikel vom 22.01.2020
Es gibt große humanitäre Organisationen mit Expertise wie die UNHCR, die bei klimabedingten Katastrophen den Menschen helfen können, was bereits passiert – aber die Mandate müssten langfristig um die Folgen des Klimawandels ergänzt werden. Die Organisationen hätten die Expertise, aber die Staaten die Entscheidungsgewalt. Genau das wäre wichtig: Dass die Staaten zusammenkommen und gemeinsame Lösungen finden. Klimawandel und die damit verbundene Flucht sind langfristige Herausforderungen und hier muss auch langfristig gedacht werden. Denn: Ad-hoc-Lösungen werden hier nicht die Antwort sein, das haben die letzten Jahren bewiesen. 15)Deutschlandfunk Nova: Klimawandel als Fluchtursache; Artikel vom 16.07.2019
Fußnoten und Quellen:
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