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Darfur: Nach 17 Jahren Krieg endlich Frieden in Sicht
Im April 2019 geschah im Sudan etwas, das lange niemand für möglich gehalten hätte: Omar al-Baschir, der Mann, der dort seit 30 Jahren mit eiserner Hand herrschte, wurde gestürzt. Monatelange Proteste hatten das Militär dazu gebracht, den Ex-General fallen zu lassen. Die Armee wollte zunächst die Macht behalten, doch auf Druck aus der Bevölkerung hin, musste sie schließlich einlenken. Im August 2019 einigte man sich auf eine gemeinsame Übergangsregierung aus Militärs und Zivilisten, die das Land vorerst führen wird. Nach drei Jahren soll es Wahlen geben. 1) DW: Machtwechsel: Ein neues Kapitel für den Sudan; Artikel vom 20.08.2019
Trotz interner Spannungen hält das Bündnis bis jetzt. Es hat sogar schon einige vielversprechende Schritte in Richtung Demokratisierung und Frieden gegeben. So hat sich die Regierung von der strikten islamischen Gesetzgebung verabschiedet, Frauenrechte gestärkt und die weitverbreitete grausame Praxis der Genitalverstümmelung verboten. Am 31. August einigte man sich darüber hinaus mit Rebellen aus den Regionen Darfur, Südkordofan und Blauer Nil auf ein Friedensabkommen. Letztes Wochenende fand die finale Unterzeichnung statt. Der Konflikt in Darfur ist einer der blutigsten der letzten Jahrzehnte. Viele schöpfen nun Hoffnung auf Frieden. 2) DW: Nordost-Afrika: Friedensabkommen für Sudan unterzeichnet; Artikel vom 31.08.2020 3) BBC: How Sudan’s rebel deal offers lifeline for peace; Artikel vom 09.09.2020 4) VOA: Africa: Sudanese Interim Government, Regional Factions Sign Peace Agreement; Artikel vom 03.10.2020 5) Nordbayern: Nach der Diktatur keimt im Sudan die Hoffnung: In dem armen Land ist ein Aufbruch spürbar; Artikel vom 27.11.2019
Einer der blutigsten Konflikte der letzten Jahrzehnte
Der Konflikt in Darfur begann im Jahr 2003. Rebellengruppen starteten einen Aufstand gegen die Zentralregierung in Karthum, von der sie sich vernachlässigt sahen. Präsident Omal al-Bashir regierte mit brutaler Härte. Er beauftragete die Dschandschawid, berüchtigte arabische Reiter-Milizen, den Aufstand niederzuschlagen. Diese plünderten, massakrierten und vergewaltigten in der ganzen Region. Dabei erhielten sie Unterstützung von der sudanesischen Armee. Zusätzlich dazu kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Bauern und Nomaden. Sie konkurrieren um Land, das in Folge von Desertifikation immer knapper wird. 6) bpb: Innerstaatliche Konflikte: Sudan – Darfur; Artikel vom 17.03.2018 7) Youtube: Doku Channel: Darfur, Autopsie einer Tragödie Teil 2; Video vom 04.04.2012
Nach fünf Jahren lag die Zahl der Toten nach UN-Angaben bereits bei 300.000, die der Vertriebenen bei 2,5 Millionen. Und auch danach entspannte sich die Lage nur wenig. Weiterhin wurden Dörfer niedergebrannt und Menschen vertrieben. Mit Dürren und Wasserknappheit heizte der Klimawandel den Konflikt zusätzlich an. 8) bpb: Innerstaatliche Konflikte: Sudan – Darfur; Artikel vom 17.03.2018 9) Welt: Haftbefehl in Den Haag: Der stille Völkermord des Omar al-Baschir; Artikel vom 14.07.2008
Nach 17 Jahren Krieg ist Darfur am Ende
Heute liegt die Region am Boden. Tausende Dörfer sind zerstört, Millionen Menschen leben immer noch in Flüchtlingslagern. Eine ganze Generation von Kindern ist dort aufgewachsen. Noch immer bekriegen sich Regierungstruppen und Rebellen. Nur sind die Rebellen mittlerweile in viele zerstrittene Gruppen zersplittert und die Dschandschawid sind größtenteils Teil der Rapid Support Forces (RSF) geworden, einer grausamen Miliz unter direktem Kommando der Regierung. 10) Youtube: FRANCE 24 English: Exclusive report: Investigating massacres in Sudan’s war-torn Darfur region; Video vom 20.03.2020 11) Youtube: Vice News: Inside the Forgotten War in Darfur, Where the Killing Never Stopped; Video vom 13.07.2020
Mit dem Sturz von Omar al-Bashir sehen viele nun den Weg zum Frieden frei. Die Übergangsregierung hat sogar verkündet, die Vertriebenen könnten in ihre Regionen zurückkehren. Diese sind da jedoch anderer Meinung. In ihren Augen hat sich die Lage seit dem Ende des alten Regimes nicht wirklich geändert. Sie berichten, dass noch immer Fremde ihr Land besetzen und sie noch immer in Angst leben. Der Regierung werfen sie vor, sich nicht um die Menschen in den Flüchtlingslagern zu kümmern. 12) Youtube: The ongoing struggle for peace in Darfur – BBC News; Video vom 12.02.2020 13) Youtube: Vice News: Inside the Forgotten War in Darfur, Where the Killing Never Stopped; Video vom 13.07.2020

Flüchtlingslager in Darfur | Bild: © EU Civil Protection and Humanitarian Aid [CC BY-NC-ND 2.0] – flickr
Der Friedens-Deal von Juba
Das Abkommen, das Rebellen und Regierungsvertreter in der südsudanesischen Hauptstadt Juba unterzeichnet haben, soll nun aber den Krieg endlich beenden. Doch da wäre ein Problem: „Die Rebellen“ gibt es so nicht. Der Krieg hat die Aufständischen in viele einzelne Gruppen zersplittert. Zwei davon haben den Deal nicht unterzeichnet. So wird es schwierig, dauerhaft für Frieden zu sorgen. 18) BBC: How Sudan’s rebel deal offers lifeline for peace; Artikel vom 09.09.2020
Die Vereinbarung verspricht eine Landreform und Gerichte für Kriegsverbrechen. Außerdem soll den Vertriebenen bei ihrer Rückkehr geholfen werden. Doch was heißt das? Wie wird diese „Hilfe“ aussehen? Werden auch die mächtigen Militärs vor den Gerichten landen? Momentan sitzen viele von ihnen nämlich in der Regierung. Zu den Unterzeichnern des Vertrages gehört General Mohamed Dagalo, der Vizepräsident des Regierungsrates. Er – der unter dem Spitzdamen „Hemeti“ im ganzen Land berüchtigt ist – war einst Mitglied der Dschandschawid und ist heute Kommandeur der regierungseigenen RSF-Miliz. Zehntausende Tote soll Hemeti auf dem Gewissen haben. Seiner RSF wird vorgeworfen, bis heute an Plünderungen und Massakern in Darfur beteiligt zu sein. 19) BBC: How Sudan’s rebel deal offers lifeline for peace; Artikel vom 09.09.2020 20) SZ: Sudan: General ohne Gnade; Artikel vom 07.06.2019
Doch zumindest die Zivilisten in der Regierung scheinen es ernst zu meinen. Sie haben sogar durchgesetzt, dass al-Baschir an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert wird. Dort liegt ein Haftbefehl wegen Völkermordes gegen den Ex-Diktator vor. 21) DW: Afrika: Sudan will al-Baschir nach Den Haag ausliefern; Artikel vom 11.02.2020
Die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft
Dass es überhaupt zu einem solchen Abkommen kommen konnte, liegt am Sturz al-Baschirs und an der Übergangsregierung. Ob der Friedensprozess im Sudan erfolgreich ist, hängt also stark davon ab, ob das Demokratie-Experiment gelingt. Westliche Staaten sollten die Demokratisierung im Sudan daher so gut es geht unterstützen. Deutschland hat sich auch schon dazu bereit erklärt. Außenminister Maas besuchte den Sudan bereits kurz nach dem Umsturz und versprach finanzielle Hilfe, Bundesentwicklungsminister Müller nahm die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Land wieder auf. Auch andere Staaten wollen helfen. 22) tagesschau.de: Außenminister Maas sagt Sudan Unterstützung auf dem Weg zur Demokratie zu; Video nicht mehr verfügbar 23) BMZ: Sudan-Partnerschaftskonferenz: Minister Müller: Deutschland sagt reformorientierter Regierung im Sudan 150 Millionen Euro zu; Pressemitteilung vom 25.06.2020 24) Redaktiosnetzwerk Deutschland: Gastbeitrag – Maas und Borrell: “Wir lassen den Sudan nicht fallen”; Artikel vom 25.06.2020

Am 15. September unterzeichneten Israel, die UAE und Bahrain im Garten des Weißen Hauses die Normailisierung ihrer diplomatischen Beziehungen. Das würde Trump auch gerne mit dem Sudan erreichen. | Bild: The White House [Public Domain] – flickr
Dem Friedensprozess liegt damit ein gewaltiger Stein im Weg. Dennoch bleibt die Einigung von Juba das Vielversprechendste, das es in 17 Jahren Darfur-Konflikt gegeben hat. Es ist kein Deal, der zustande kam, weil sich irgendwelche westlichen Politiker als große Vermittler inszenieren wollten. Nein, es ist ein sudanesischer Deal. Mit Omar al-Baschir im Gefängnis und einer Regierung, die seit über einem Jahr langsam den Weg in Richtung Demokratie geht, ist die Hoffnung auf Frieden durchaus berechtigt. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg und vermutlich wird es noch lange dauern, bis die letzten Rebellen und Milizen entwaffnet sind. Alle Wunden werden wahrscheinlich nie verheilen, doch die Aussicht auf Frieden in Darfur war wohl noch nie so gut wie heute. 27) BBC: How Sudan’s rebel deal offers lifeline for peace; Artikel vom 09.09.2020
Fußnoten und Quellen:
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