![Präsident Idriss Déby Itno des Tschad: Trotz autoritärer Herrschaft, Unterdrückung von Oppositionellen und Menschenrechhtsverletzungen gibt es Unterstützung insbesondere von Frankreich. | Bild: "London Conference on The Illegal Wildlife Trade" © Foreign, Commonwealth & Development Office [CC BY 2.0] - flickr Präsident Idriss Déby Itno Tschad Präsident Idriss Déby Itno des Tschad: Trotz autoritärer Herrschaft, Unterdrückung von Oppositionellen und Menschenrechhtsverletzungen gibt es Unterstützung insbesondere von Frankreich. | Bild: "London Conference on The Illegal Wildlife Trade" © Foreign, Commonwealth & Development Office [CC BY 2.0] - flickr](https://www.fluchtgrund.de/files/2020/09/BildXFGXTschad-713x476.jpg)
Präsident Idriss Déby Itno des Tschad: Trotz autoritärer Herrschaft, Unterdrückung von Oppositionellen und Menschenrechhtsverletzungen gibt es Unterstützung insbesondere von Frankreich. | Bild: "London Conference on The Illegal Wildlife Trade" © Foreign, Commonwealth & Development Office [CC BY 2.0] - flickr
Tschads Präsident Déby: Des Westens Freud, der Bevölkerung Leid
Über 360.000 Menschen im Westen des Tschad sind aus ihrer Heimat vertrieben worden. Der Tschad grenzt im Westen an Nigeria, Niger und Kamerun. Gemeinsam schließen diese vier Länder den Tschadsee ein. Die Menschen in diesem Gebiet haben mit verschiedenen Herausforderungen zu kämpfen: Die Gewalt in der Region macht ihnen zu schaffen, ebenso wie die Folgen des Klimawandels: Die schwersten Niederschläge seit nahezu 30 Jahren überfluteten Dörfer und Felder. Auch in der Hauptstadt des Tschad, in N’Djamena, kam es zu dramatischen Überschwemmungen. Dazu machen Dürren den Menschen im Tschad zu schaffen. Im Gebiet des Tschadsees kommt es wiederholt zu Gewalt durch Terrorgruppen wie Boko Haram oder dem „Islamischen Staat“. Doch viel hört man hierzulande nicht von dem Land in der Sahelzone, dessen Nachbarstaaten in den Medien hier aufgrund ihrer zahlreichen Konflikte schon eher präsent sind. Was ist los im Tschad? 1) SZ: Tschad: Hunderttausende flüchten; Stand 28.08.2020 2) UN News: Complex security, environmental crises worsen conditions for over 360,000 in western Chad; Stand 28.08.2020 3) IOM: Over 360,000 Persons Displaced in Chad’s Lake Province, Over Half of Province’s Population; Stand 28.08.2020 4) IOM: Nearly 120,000 People Displaced, at Least 10 Dead After Flash Floods in Chad; Stand 01.09.2020 5) Bpb: Dossier: Innerstaatliche Konflikte: Tschad; Stand 26.8.2020
Der Tschad ist eines der ärmsten Länder der Welt, im Human Development Index der UN von 2019 findet man den zentralafrikanischen Staat auf Platz 187 von 189. Nur die zentralafrikanische Republik und Niger, beides Nachbarländer des Tschad, folgen dahinter. Millionen von Menschen benötigen im Tschad humanitäre Hilfe. Die Ernährungs- und gesundheitliche Situation für Millionen von Menschen ist prekär. Den UN zufolge sterben acht Prozent der Kinder im ersten Lebensjahr und 20 Prozent vor ihrem fünften Geburtstag. Weitere schockierende Zahlen: 70 Prozent der Menschen im Tschad können nicht lesen und schreiben, 80 Prozent sind so arm, dass ihnen weniger als ein Dollar pro Tag zur Verfügung steht. Der Anteil der Arbeitslosen beträgt 90 Prozent, die durchschnittliche Lebenserwartung 53 Jahre. Alleine aus diesen Zahlen lässt sich die Armut der tschadischen Bevölkerung erahnen. Was für eine Regierung steckt hinter diesem Land, das seinen Ressourcenreichtum in Form von Uran, Gold und in Form von Erdöl so offensichtlich nicht in Wohlstand seiner Bevölkerung umwandeln kann oder will? 6) Bpb: Dossier: Innerstaatliche Konflikte: Tschad; Stand 26.8.2020 7) United Nations Development Programme: Human Development Reports: 2019 Human Development Index Ranking; Stand heute 11.09.2020 8) Reliefweb: Chad: Humanitarian situation overview (August 2020); Stand 03.09.2020 9) The Guardian: With total control, President Déby is Chad’s greatest threat to stability; Stand 14.08.2020 10) Oxfam International: Chad; Stand heute 11.09.2020
Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung, Korruption
Der Tschad war einst eine französische Kolonie und erlangte im Jahr 1960 seine Unabhängigkeit. Bis Ende der 1970er Jahre genoss der Süden des Tschad, in dem mehr afrikanische christliche Bevölkerungsgruppen leben, gegenüber dem eher von arabischen muslimischen Bevölkerungsteilen bewohnten Norden eine Vormachtstellung. 1979 gingen Rebellen aus dem Norden des Tschad als Sieger des jahrzehntelangen Konflikts der beiden Landesteile hervor. Der amtierende Präsident Idriss Déby Itno kam 1990 an die Macht. Zu der Zeit schien sich das Land zunächst demokratisch zu entwickeln, was sich jedoch bald ändern sollte: Über die Zeit erfuhr das politische System derartige Veränderungen, die die Macht des Präsidenten weiter ausbauten und Déby den Weg für Wiederwahlen über zwei Legislaturperioden hinaus frei machten. Dank der neuen Verfassung von 2018 kann Déby bis 2033 an der Macht bleiben. Seine Amtszeit würde dann also 43 Jahre andauern. Die neue Verfassung von 2018, die vom Parlament verabschiedet worden ist, führt weg von demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien hin zur autoritären Herrschaft Débys: Gleichschaltung von Gerichten, umfassende Macht des Präsidenten, und einen Premierminister gibt es nicht mehr. Die autoritäre Herrschaft Débys kommt außerdem im Umgang mit politischen Gegnern zum Ausdruck: So werden Regierungskritiker massiv unterdrückt, zum Teil verschwinden sie plötzlich. Politische Kontrahenten werden verfolgt. Dass Menschen willkürlich verhaftet werden, ist Normalität. Allgemein sind Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Demonstrationen werden gewaltsam unterdrückt. Dazu kommt die enorme Korruption im Tschad: Im Korruptionsindex von 2019 belegt das Land Platz 162 von 180. Und das Erdöl brachte zwar Geld, dieses kommt allerdings lediglich der Machtelite zugute. Die Kluft zwischen dem armen und dem reichen Teil der Bevölkerung wächst. 11) LIPortal: Tschad: Geschichte & Staat; nicht mehr verfügbar 12) Bpb: Dossier: Innerstaatliche Konflikte: Tschad; Stand 26.8.2020 13) Geschichte der Gegenwart: Der Marschall und die Menschenrechte; Stand 06.09.2020 14) Transparency International Deutschland e.V.: CPI 2019: Tabellarische Rangliste; Stand heute 11.09.2020
Trotz dieser offensichtlich autoritären und menschenverachtenden Regierungsführung gibt es internationalen Rückhalt für Déby: So ist Frankreich, wichtiger Teil der europäischen Wertegemeinschaft, ebenfalls ein guter Verbündeter des tschadischen Regimes. Hier spielt die Situation in der Sahelzone eine entscheidende Rolle: Der Tschad gilt als wichtiger militärischer Bündnispartner im Kampf gegen Terrorgruppen, die im Sahel für Grauen und Instabilität sorgen. Davon sind Nachbarländer des Tschad zum Teil besonders stark betroffen. Das Kapital, das sich durch das Erdöl ergab, konnte Déby in das Militär investieren. Das Land beteiligt sich an der Mission „Barkhane“, die von Frankreich zur Terrorbekämpfung in der Region initiiert wurde. Der Tschad gilt als regionaler Anker für Stabilität und essenziell für den Kampf gegen den Terror. Der Rückhalt, den Déby dafür international genießt, verschafft der Opposition im Tschad, die auf wenig internationale Unterstützung hoffen kann, somit einen Nachteil. Frankreich verweist auch darauf, die Souveränität seiner Partner gewährleisten zu wollen. Es zeigt sich also, wie der Westen und besonders Frankreich damit die autoritäre Herrschaft Débys unterstützen. 15) Bpb: Dossier: Innerstaatliche Konflikte: Tschad; Stand 26.8.2020 16) Geschichte der Gegenwart: Der Marschall und die Menschenrechte; Stand 06.09.2020 17) The Guardian: With total control, President Déby is Chad’s greatest threat to stability; Stand 14.08.2020
Fragwürdige Unterstützung
Doch die Aktivitäten des tschadischen Militärs richten sich nicht nur gegen islamistische Terroristen in der Sahelzone: Es hat auch immer wieder mit aufständischen Rebellen zu kämpfen. Doch jegliche Versuche, die Regierung zu stürzen, wurden bis jetzt erfolgreich bekämpft. Auch hier ist der Bündnispartner Frankreich hilfreich: Als sich Anfang 2019 Rebellen der Hauptstadt näherten und die Regierung stürzen wollten, kam Paris seinem Verbündeten Déby im Kampf gegen die Rebellen mit Militärflugzeugen zur Hilfe. Die Flugzeuge waren im Rahmen der „Operation Barkhane“ in der Hauptstadt stationiert. Dieser militärische Eingriff Frankreichs löste scharfe Kritik bei der Opposition im Tschad aus. Frankreich besitzt seit 1986 Militärstationen im Land und half dem Regime bei der Unterdrückung von Aufständischen. 18) Bpb: Dossier: Innerstaatliche Konflikte: Tschad; Stand 26.8.2020 19) Geschichte der Gegenwart: Der Marschall und die Menschenrechte; Stand 06.09.2020
Auch eine Operation des tschadischen Militärs gegen die Terrormiliz Boko Haram wirft ernsthafte Fragen auf: Nachdem Kämpfer der Terrorgruppe laut staatlichen Stellen im März dieses Jahres in der Nähe des Tschadsees Mitglieder des tschadischen Militärs angriffen und dabei knapp 100 von ihnen töteten, starteten die Soldaten des Regimes einen Gegenangriff gegen die Islamisten. Dieser wurde durch das Regime als erfolgreicher Akt gegen die Terrorgruppe gefeiert. Allerdings besteht der Verdacht, dass es bei der Operation zu Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch das Militär an Zivilisten vor Ort gekommen ist. Als im April der Tod von 44 Gefangenen in einem Gefängnis in N’Djamena bekannt wurde, verbreiteten staatliche Autoritäten die Nachricht, die im Rahmen der Operation gefangen Genommenen hätten Selbstmord begangen. Es besteht jedoch der Verdacht, dass es sich bei den Toten um tschadische Zivilisten handelte, die willkürlich verhaftet wurden. Auch an der These, die Gefangenen hätten Selbstmord begangen, bestehen Zweifel. 20) Geschichte der Gegenwart: Der Marschall und die Menschenrechte; Stand 06.09.2020 21) Bpb: Dossier: Innerstaatliche Konflikte: Tschad; Stand 26.8.2020 22) BBC: Chad inquiry finds 44 prisoners died in hot, overcrowded cell; Stand 09.08.2020
Dass der Westen und besonders Frankreich so sehr hinter Déby und seinem autoritären Regime stehen, ist angesichts der Lage sehr fragwürdig: Menschenrechte werden offenbar massiv verletzt, die politische Opposition unterdrückt und staatliche Willkür ist an der Tagesordnung. Die bitterarme Bevölkerung profitiert nicht nennenswert von den Einnahmen durch das Erdöl, Korruption ist weit verbreitet. Eigentlich ist Déby und seine Staatsführung, gemessen an den oft angeführten europäischen Werten, scharf zu kritisieren. Dennoch gewährleistet Frankreich Unterstützung. Es ist schwierig: Der islamistische Terror durch Gruppen wie Boko Haram sorgt für unermessliches Leid in der Sahelzone, destabilisiert die Region und treibt Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat. Zur Bekämpfung dieses Terrors spielt der Tschad eine bedeutende Rolle. Er könnte also durchaus eine wichtige Funktion in der Stabilisierung einnehmen. Andererseits ist fraglich, inwiefern die gefährliche und autoritäre Politik Débys im Tschad und in der Region langfristig für Stabilität und Sicherheit sorgen wird. Schließlich muss sich die Lebensgrundlage der Menschen vor Ort wesentlich verbessern, um ihnen ein würdiges Leben in ihrer Heimat zu ermöglichen. Dazu trägt die Politik Débys nicht gerade bei. Die Unterstützung Frankreichs und des Westens für den autoritären Herrscher ist also angesichts der Fakten sehr kritisch zu hinterfragen.
Fußnoten und Quellen:
Keine Kommentare