![Sibirien ist reich an Ressourcen. Der Rohstoffabbau entzieht der indigenen Bevölkerung jedoch ihre Lebensgrundlage. | Bild: © Marcin P. [CC BY 2.0] - Flickr Sibirien Sibirien ist reich an Ressourcen. Der Rohstoffabbau entzieht der indigenen Bevölkerung jedoch ihre Lebensgrundlage. | Bild: © Marcin P. [CC BY 2.0] - Flickr](https://www.fluchtgrund.de/files/2020/08/SibirienX-713x476.jpg)
Sibirien ist reich an Ressourcen. Der Rohstoffabbau entzieht der indigenen Bevölkerung jedoch ihre Lebensgrundlage. | Bild: © Marcin P. [CC BY 2.0] - Flickr
Ausbeutung von Rohstoffen in Sibirien vertreibt indigene Völker
Die Natur Sibiriens ist reich an Bodenschätzen. Öl, Gas, Kohle, Edelmetalle, Edelsteine und andere Ressourcen sind hier in großen Mengen vorhanden. Den Wert und das Potenzial dieser Region für die wirtschaftliche Zukunft Russlands erkannte auch die russische Regierung früh. Schon in den 1960er Jahren wurden vermehrt Bergbaubetriebe und Erdölraffinerien angesiedelt. Das Industrienetzwerk hat sich seitdem immer weiter in Sibirien ausgebreitet. Der Rohstoffabbau in Sibirien, der Arktis und im Fernen Osten Russlands nimmt immer weiter zu. Zu Beginn dieses Jahres hat die russische Regierung ein neues Investitionsprogramm verabschiedet, demzufolge in den kommenden Jahren 210 Milliarden Euro in die Ölförderung der russischen Arktis fließen sollen. Der russische Mineralölkonzern Rosneft plant derweil mit seinem Unternehmen Vostok Oil die Erschließung dreier neuer Ölfelder im Gebiet des Wankor-Öl- und Gasfeldes im Osten Sibiriens. Für den Export ist eine neue Pipeline zur Taimyr-Halbinsel geplant. Gazprom, das weltweit größte Erdgasförderunternehmen, möchte zudem auf der Jamal-Halbinsel ein petrochemisches Werk errichten, in dem Polyethylene und Polypropylene produziert werden sollen. Nicht nur die Taimyr- und die Jamal-Halbinsel, sondern auch andere große Teile Sibiriens bilden jedoch den Lebensraum verschiedenster indigener Völker. Dass mit den Vorhaben erhebliche Risiken für die Umwelt und eine weitere Verdrängung der indigenen Völker Russlands einhergehen, scheint weder die russische Regierung, noch die beteiligten Rohstoffkonzerne zu stören geschweige denn abzuhalten. 1) Gesellschaft für bedrohte Völker: Indigene Völker der Arktis zwischen Klimawandel und Rohstoffboom; Bericht Juni 2020 2) Gesellschaft für bedrohte Völker: Indigene Völker der russischen Arktis; Artikel vom 30.07.2020 3) Gesellschaft für bedrohte Völker: Indigene Völker im Norden Russlands und Sibiriens; Artikel vom 23.04.2005 4) Die Welt: Der Arktis-Plan soll Russlands Öl-Imperium retten; Artikel vom 04.11.2019 5) Survival International: Die Völker Sibiriens; Stand 2020
Rohstoffabbau: eine große Gefahr für Indigene, Tiere und Umwelt

Der tauende Permafrost macht Pipelines und die industrielle Infrastruktur Sibiriens zur unkontrollierbaren Gefahr. | Bild: © Fiona Paton [CC BY-NC-ND 2.0] – Flickr
Zerstörung der Lebensgrundlagen und Vertreibung
Ähnliche Berichte liegen über die Halbinsel Jamal vor, die das Hauptfördergebiet Russlands für Erdgas darstellt. Auch hier leiden die etwa 15 000 Nenzen unter der steigenden Nachfrage nach Erdöl, Erdgas und anderen Rohstoffen. Die Infrastruktur, welche für die Industrie aufgebaut worden ist, hat auf den empfindlichen Permafrostböden großen Schaden angerichtet. Ob sich die Natur in absehbarer Zeit beziehungsweise jemals davon erholen wird, ist fraglich. Die Weidegebiete der Herden der Nenzen wurden ebenfalls zu einem großen Teil zerstört. Die restlichen, noch nutzbaren Weideflächen werden immer kleiner und führen so zu Konflikten zwischen indigenen Rentierhaltern. Mittels Schikanierung und der willkürlichen Beschlagnahmung von Jagdwaffen und Nahrungsmitteln durch regionale Behörden wird den Indigenen das Leben ebenfalls absichtlich schwer gemacht. 22) Gesellschaft für bedrohte Völker: Indigene Völker der Arktis zwischen Klimawandel und Rohstoffboom; Bericht Juni 2020 23) Gesellschaft für bedrohte Völker: Indigene Völker im Norden Russlands und Sibiriens; Artikel vom 23.04.2005

Viele indigene Gemeinschaften erleben immer wieder Zwangsumsiedlung und Vertreibung. | Bild: © Simon Matzinger [CC BY 2.0] – Flickr
Auch die Sami in der Region Murmansk auf der Kola-Halbinsel sind von den Umweltschäden durch den Rohstoffabbau stark betroffen. Weite Flächen der Region sind schwermetallvergiftet, die Luft wird verpestet, und die den Indigenen zur Verfügung stehenden Gebiete werden immer weiter zugebaut. Viele ihrer besten Weideflächen, Fischfang- und Jagdgründe wurden mittlerweile durch die russische Regierung an Investoren verpachtet. Erst im November 2018 wurde ein Jagdrevier von etwa 72 Hektar versteigert, in welchem auch der wichtige Fluss Ponoi liegt. All dies geschah ohne Zustimmung und ohne Absprache mit den Sami. Zu Zeiten der Sowjetunion wurden sie hierhin zwangsumgesiedelt. Nun werden sie weiter vertrieben und verlieren ihre Lebensgrundlage. Denn für die weitere Nutzung der Fläche für die Jagd oder Fischerei benötigen sie nun Lizenzen. Vor allem jugendliche Sami entscheiden sich daher oft, ihr traditionelles Leben aufzugeben und in größere Städte zu ziehen. 26) Gesellschaft für bedrohte Völker: Indigene Völker der Arktis zwischen Klimawandel und Rohstoffboom; Bericht Juni 2020 27) Gesellschaft für bedrohte Völker: Indigene Völker im Norden Russlands und Sibiriens; Artikel vom 23.04.2005
Russland wichtigster Handelspartner der EU für Öl, Gas und Kohle
Auch die Europäische Union profitiert auf Kosten der indigenen Völker Sibiriens von den Öl- und Gasvorkommen Russlands. Rund ein Viertel des in die EU importierten Erdöls stammt aus Russland, was den Staat zum wichtigsten Handelspartner in Bezug auf die Rohölversorgung der Europäischen Union macht. Ihr Hauptlieferant für Erdgas ist ebenfalls Russland, mit einem Anteil von fast 40 Prozent der Erdgasimporte. Und auch für feste Brennstoffe wie Kohle ist Russland ihr wichtigster Zulieferer. 28) Statista: Verteilung der Erdölimporte der Europäischen Union nach Herkunftsland im Jahr 2019; Stand 2020 29) Bundeszentrale für politische Bildung bpb: Energieimport der Europäischen Union (EU-28); Artikel vom 09.07.2019

Russland ist für Deutschland der wichtigste Lieferant von Öl und Gas. | Bild: © ConexiónCOP Agencia de noticias [CC BY 2.0] – Flickr
Weil die Russische Föderation weder die Konvention 169 der ILO ratifiziert hat, noch der UN-Deklaration zu den Rechten indigener Völker beigetreten ist, ist die rechtliche Stellung der indigenen Völker Sibiriens wesentlich schwächer als die indigener Völker in anderen Teilen der Arktis. Oft können sie sich nur sehr schwer gegen die Entziehung ihrer Lebensgrundlagen wehren. Ein weltweites Bewusstsein über die Art und Weise des russischen Rohstoffabbaus und seine Folgen für die indigenen Völker Russlands sollte vor allem unter Verbrauchern geschaffen werden. Dieses könnte den Indigenen im Kampf um die Anerkennung und Achtung ihrer Rechte unterstützen. 33) Gesellschaft für bedrohte Völker: Indigene Völker der Arktis zwischen Klimawandel und Rohstoffboom; Bericht Juni 2020 34) Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie e.V. (INFOE); Ölpest in Russland verweist auf Geschichte von Rechtsverletzungen an indigenen Völkern; Artikel vom 23.06.2020
Fußnoten und Quellen:
Bernhard
Veröffentlicht um 21:32h, 14 JanuarGuter Artikel. Mehr davon.