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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Kolonialvergangenheit hält den Kongo in Gewaltspirale gefangen
Vor dem Königspalast in Brüssel sitzt Belgiens ehemaliger König Leopold II. hoch zu Ross. Die imposante Bronzestatue stellt einen Mann dar, der 15 Millionen Menschen auf dem Gewissen hat. Er hat unvorstellbare Gräueltaten an den Bewohnern des Kongos begangen. Zum 60 Jahrestag der Unabhängigkeit des Kongos, am 30 Juni, hat jemand „Pardon“ auf seine Brust geschrieben. Eine späte Entschuldigung für einen Mann, der keine Gnade kannte. Belgiens König Phillipe hat an diesem Tag zum ersten Mal in der Geschichte der beiden Länder sein „tiefes Bedauern“ für die Gräueltaten während der Kolonialzeit ausgedrückt. „Zur Zeit des unabhängigen Staates Kongo wurden Gewalttaten und Grausamkeiten begangen, die noch immer auf unserem kollektiven Gewissen lasten.“ Die Strukturen der Ausbeutung, welche durch die Kolonialherren geschaffen wurden, machen dem Kongo heut noch zu schaffen. Obwohl das Land 80 Millionen Einwohner und reiche Rohstoffvorkommen hat, zählt es zu einem der ärmsten der Welt. Im Demokratieindex belegte es 2019 Platz 166 von 167 Nationen. 1) Vaterland: Belgien streitet über Statuen für Kolonial-König Leopold II.; 12.06.2020 2) tagesschau: Belgien ringt mit seiner Vergangenheit; nicht mehr verfügbar 3) DW: König Leopolds Erbe: Das Chaos im Kongo; Stand 29.06.2020

© Alice Harris [CC0 1.0] – Wikimedia Commons
Die europäische Gier nach Ressourcen bestimmte auch nach der Unabhängigkeit die Politik des Kongos. Ein Mensch verkörperte damals mehr als alle anderen die Hoffnung auf eine friedliche selbstbestimmte Zukunft: Patrice Lumumba, der erste Ministerpräsident des Kongos, gewählt am 25. Mai 1960. Fünf Tage vor der Unabhängigkeit. Er prangerte die Ungerechtigkeit in seinem Land an: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unser Boden geraubt wurde unter dem Vorwand angeblicher Gesetze, die nichts anderes gemacht haben, als das Recht des Stärkeren durchzusetzen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in den Städten die Weißen in riesigen Villen leben und die Schwarzen in baufälligen Strohhütten.“ Die ambitionierten Ziele des jungen Politikers passen so gar nicht zu den Plänen der westlichen Mächte für den Kongo. Lumumba wollte, dass sich der Kongo emanzipiert, von den Ketten der Kolonialisierung befreit. Er wollte das riesige Land mit den vielen ethnischen Gruppen vereinen und die begehrten Rohstoffe nicht länger an ausländische Firmen abtreten. Der Versuch, den Rohstoffhahn zuzudrehen, wird zu seinem Verhängnis. Nur acht Monate nach Amtsantritt wird Lumumba ermordet. Im Auftrag der belgischen Regierung und mit Unterstützung der CIA. Mit westlicher Hilfe kommt sein Nachfolger Mobutu Sese Seko ins Amt, ein brutaler Diktator, der sein Volk unterdrückt, aber kein Problem damit hat, Verträge für die Ausbeutung von Rohstoffen an westliche Firmen zu verkaufen. Unter Leopold ging es um Elfenbein und Kautschuk, nach der Unabhängigkeit des Kongos um Kupfer, Diamanten, Uran und Kobalt. Die Ressourcen haben sich verändert, die Ausbeutung und Gewalt bleibt gleich. Mobutu regierte bis in die 1990er-Jahre, und auch unter Mobutus Nachfolgern blieben Gewalt und Unterdrückung ein probates Mittel zum Machterhalt. Die Konflikte gerade im Ostkongo schwelen weiter und brechen immer wieder auf, Massenvergewaltigungen und Vernichtung ziehen sich fast wie ein roter Faden durch die Geschichte des Landes. 5) Web: 60 Jahre Unabhängigkeit des Kongo – „Kongogräuel“ erschütterte Land; Stand 01.07.2020 6) DW: Kongo und der Mordfall Lumumba; Stand 16.01.2016 7) WDR: Enttäuschte Hoffnung – 60 Jahre Unabhängigkeit des Kongo; nicht mehr verfügbar
Im Kongo gibt es bis heute keine Aufarbeitung der Vergangenheit, die Menschen müssen sich um ihre Gegenwart sorgen. Das Land kämpft noch immer mit großer Ungleichheit und extremer Armut. Die Spirale der Gewalt setzt sich in den Generationen seit der Kolonialzeit fort. Besonders in den konfliktreichen Regionen des Ostens hat die nachfolgende Generation viel Gewalt erlebt und internalisiert. „Die Forschung ist ganz eindeutig: Gewalt ruft Gewalt hervor“, sagt Thomas Elbert, Professor für Psychologie an der Universität Konstanz. „Wir können davon ausgehen, dass exzessive Gewalt von Kolonialmächten auch die Gewaltbereitschaft und Aggressivität in der betroffenen Bevölkerung erhöht.“ Seit diesem Mai sind mehr als 360.000 Menschen vor den Angriffen bewaffneter Gruppen geflohen. Weil viele der Vertriebenen ihre Ernte auf den Feldern stehen lassen mussten, fürchten humanitäre Helfer eine Hungersnot. Die Hälfte der Bevölkerung in den ressourcenreichen Konfliktgebieten im Osten des Landes kann sich nicht selbst ernähren. 8) DW: König Leopolds Erbe: Das Chaos im Kongo; Stand 29.06.2020 9) DW: Hilfswerke: Mehr als 360.000 Flüchtlinge im Kongo in Not; Stand 22.10.2019
Fußnoten und Quellen:
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