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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Hunger als Kriegswaffe
Das Recht auf angemessene Nahrung ist ein unveräußerliches Menschenrecht, überlebensnotwendig und unentbehrlich. Dennoch haben weltweit 820 Millionen Menschen viel zu wenig zu essen. Die Hungersterblichkeit wächst seit 2011 wieder stetig an, nachdem sie über einen Zeitraum von 70 Jahren kontinuierlich gesunken war. Diese Verschlechterung der weltweiten Ernährungslage ist widererwartend nicht auf Klima-oder Naturkatastrophen zurück zu führen. Hauptursache ist der Missbrauch von Hunger als Kriegswaffe. 1) Welthungerhilfe: Gesunde Nahrung ist ein Menschenrecht; Zuletzt abgerufen am 22.06.2020
Die ruchlose Praxis des Aushungerns als Kriegswaffe, ist so alt wie der Krieg selbst. Seit 2018 gilt die menschenverachtende Taktik vor den Vereinten Nationen jedoch erst als Kriegsverbrechen. Aushungern meint in diesem Artikel im weitesten Sinne den generellen Zustand, wenn Kriegsparteien Betroffenen den Zugang zu lebensnotwendigen Objekten verwehren. Nahrung und Wasser betrifft das ebenso wie Medikamente, Kleidung, Obdach, Treibstoff und Elektrizität. Wer nach Illustrationen unterschiedlichster Hungerverbrechen sucht, wird gegenwärtig vor allem in Langzeitkonflikten fündig. Kriege wie der im Jemen, in Syrien oder dem Südsudan bedienen sich einer ganzen Bandbreite an menschenverachtenden Mitteln, um Populationen hörig zu machen. 2) Welthungerhilfe: Wenn Hunger zur Kriegswaffe wird; Artikel vom Mai 2020

Im Jemen ist Geld nichts mehr Wert | Bild: © Oxfam International [CC BY-NC-ND 2.0] – flickr
- Zuerst einmal haben sowohl die Huthi-Machthaber als auch die international anerkannte Regierung die Devisenreserven heruntergefahren, um den Krieg zu finanzieren. Es folgten stagnierende Gehälter und steigende Lebensmittelpreise.
- Gleichzeitig entschied sich die Zentralbank dazu, Kredite an Lebensmittelimporteure zu beschränken, ihnen blieb daraufhin nichts anderes übrig, als die Preise für Verbraucher zu erhöhen.
- Hinzu kommt, dass die Regierung auf Geheiß ihrer saudischen und emiratischen Schutzherren anordnen ließ, die jemenitische Zentralbank von Sanaa nach Aden zu verlegen und die Auszahlung von Gehältern an Staatsbedienstete auszusetzen. Von einem Monat auf den anderen verloren Millionen Menschen ihr Einkommen.
Im Gegensatz zu einer von Dürre und Ernteausfall verursachten Hungersnot, die hauptsächlich die Landbevölkerung trifft, gerieten im Jemen die Stadtbewohner in extreme Notlage. In den Monaten nach der Verlegung der Zentralbank nach Aden müssen sich die Machthaber in Riad und Abu Dhabi ebenso wie im Jemen den verheerenden Auswirkungen ihrer Ignoranz bewusst gewesen sein. Sie weigerten sich dennoch mehr als zwei weitere Jahre lang den Wirtschaftskrieg oder die Militärangriffe einzudämmen, geschweige denn zu beenden, auch wenn das möglich gewesen wäre. Laut einer Schätzung aus dem Oktober 2019 stehen im Jemen fast 250000 Menschen vor dem Hungertod. Für sich genommen ist die Entscheidung, einer Million Menschen ihr Gehalt von jetzt auf gleich nicht mehr auszuzahlen zwar durchaus moralisch anzuprangern, aber noch kein Kriegsverbrechen. Wenn dies aber mit unmenschlicher Konsequenz über mehr als drei Jahre andauert und parallel Angriffe stattfinden, die zweifellos als Kriegsverbrechen zu verurteilen sind, dann fügt sich das Bild zu einem Komplott auf höchster Ebene zusammen, ein Volk durch Aushungern zur Unterwerfung zu zwingen.
Klassischerweise geht der Einsatz von Hunger als Kriegswaffe mit Belagerungen einher, die dem Zweck dienen, territoriale Kontrolle zu erlangen. Ein verheerendes Beispiel unserer Zeit dafür, findet sich in Syrien. Dort wurde unter dem perfiden Motto „Kapitulation oder Hungertod“ zwischen 2013 und 2018 besonders brutal gegen von Oppositionskräften kontrollierte urbane Enklaven vorgegangen. In Ost-Ghouta, einem Vorort der Hauptstadt Damaskus, wurden die 400.000 Bewohner komplett von der Wasser- und Stromversorgung abgeschnitten. Der Handel kam zum erliegen. Auf dem Höhepunkt der Belagerung waren die Lebensmittelpreise in Ost-Ghouta astronomische 60 Mal so hoch wie nur wenige Kilometer entfernt in der Hauptstadt. Die Bevölkerung verdankte ihr überleben lediglich unterirdischen Tunneln und der Zahlung exorbitant hoher Bestechungsgelder für die Einfuhr des absolut Nötigsten. Wer Bilder aus Ost-Ghouta mit Bildern aus Mossul und Raqqa vergleicht, dem fällt schnell auf: Unterschiede gibt es kaum. Die Zerstörungen sind an allen Orten immens, Rücksicht auf Zivilisten muss „Kollateralschäden“ weichen. Alle Kriegsparteien haben sich in Syrien derselben Mittel bedient: Einkreisen, aushungern, Dauerbeschuss des Gegners. Der einzige Unterschied findet sich in der Empörung hinterher. Wenn der Westen die Verantwortung trägt, sind keine Schimpftiraden zu hören. 4) bpb: Hunger als Kriegswaffe; Artikel vom 03.01.2020 5) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt. 2018.
Im Südsudan zeichnet sich das systematische Aushungern der Zivilbevölkerung besonders durch die Bombardierung landwirtschaftlicher Nutzflächen oder das Plündern der Erntevorräte durch Rebellen aus. Hilfstransporte werden angehalten, die Nahrungsmittel abgegriffen und Soldaten- oder Rebellengruppen zugeführt. Zurück bleiben knapp sieben Millionen akut von Hunger bedrohte Menschen.6) epo: Südsudan: Sieben Millionen Menschen droht Hunger; Artikel vom 22.02.2019 7) Deutschlandfunk: Südsudan: Hunger als Waffe im Krieg; Artikel vom 15.05.2020 Konflikte und Gewalt haben sowohl im Jemen, in Syrien und dem Südsudan zur Vertreibung von Millionen Menschen geführt. Der Hunger bleibt ihnen ein ständiger Begleiter. Das Aushungern, dem sich alle – inländische wie ausländische – Kriegsparteien schuldig machen, ist nichts Geringeres als Krieg gegen Zivilisten und muss folglich als solcher geächtet werden. 8) Welthungerhilfe: Wenn Hunger zur Kriegswaffe wird; Artikel vom Mai 2020
Fußnoten und Quellen:
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