![Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] - Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -](https://www.fluchtgrund.de/files/2021/07/was_bringt_menschen_dazu-713x628.png)
Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Elektromobilität – Eine erneuerbare Zukunft durch endliche Rohstoffe?
Deutschlands Straßen sind voller Autos. Das Jahr 2020 verzeichnet mit rund 47 Millionen Fahrzeugen einen bisher nicht da gewesenen Höchststand. Die meisten von ihnen haben einen Verbrennungsmotor. Hört man diese Zahlen, sollte man nicht denken, dass Benziner und Diesel aussterbende Technologien sind. Ihr Ende ist politisch allerdings schon lange beschlossen, denn bis zum Jahr 2050 soll Deutschland klimaneutral werden. Emissionen durch den Verkehr sind allerdings bisher einer der größten Verursacher von Treibhausgasen. Der einzige Weg, die ambitionierten Klimaziele einzuhalten, ist eine massive Reduktion der Emissionen. Im Verkehrssektor führt dieser Weg zwangsläufig über Elektroautos. 1) statista: Pkw-Bestand in Deutschland bis 2020; Stand 04.03.2020 2) BMU: Klimaschutz in Zahlen; nicht mehr verfügbar 3) BMU: Nationale Klimapolitik; nicht mehr verfügbar
Auf lange Sicht lösen Elektroautos alle Probleme, die Verbrenner nicht zukunftsfähig machen. Nimmt man die Produktion aus, sind Elektroautos umweltneutral, wenn sie durch Strom aus erneuerbaren Energien angetrieben werden. Im Gegensatz zu Verbrennern, die von Öl abhängen, sind sie nicht an einen fossilen Brennstoff gebunden, der irgendwann erschöpft ist. So einfach ist die reale Welt meistens nicht und auch in diesem Fall gibt es einen Haken. Die Produktion von Elektroautos, besonders der Batterien, limitiert ihre Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Im Moment verwenden alle Elektroautos Lithium-Ionen-Akkus. Der aktuelle Stand der Forschung impliziert, dass dies bis mindestens 2030 auch weiterhin der Fall sein wird. Neben Lithium ist Kobalt der wichtigste fossile Bestandteil dieser Akkus. Die gleiche Technologie wird beispielsweise für die Akkus von Handys verwendet, wobei für diese etwa zwei bis drei Gramm Lithium benötigt werden. Für ein durchschnittliches Elektroauto werden dagegen 51 Kilogramm benötigt. Man kann sich leicht vorstellen, wie die Nachfrage nach diesen Ressourcen steigt, wenn aus den 47 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor bis 2050 in etwa gleich viele mit Elektromotor werden. 4) Grüne Liga: Ökologischer Irrsinn: Rohstoffabbau für E-Autos; 01.2019
Lithiumabbau zerstört Lebensgrundlage von Menschen
Das Öko-Institut hat ein Szenario für die zukünftige globale Nachfrage nach Lithium und Kobalt durch Elektroautos erstellt. Das Modell sieht für den Zeitraum von 2015 bis 2030 ein Wachstum von 1430 Prozent voraus und für die folgenden Jahre bis 2050 ein weiteres Wachstum von 230 Prozent. Damit würde die jährliche Gesamtzahl der verkauften Elektroautos von drei Millionen im Jahr 2015 auf 160 Millionen im Jahr 2050 steigen. Die Aussagen des Modells bestätigen sich bereits: 2010 wurden 28.000 Tonnen Lithium abgebaut, 2020 waren es 77.000 Tonnen. Nach dem Szenario werden es 2050 bis zu 500.000 Tonnen sein. Recycling von alten Akkus ist möglich, war aber in der Vergangenheit zu aufwendig, um sich zu rechnen. Durch den steigenden Preis der Rohstoffe lohnt sich seit 2017 die Wiederaufbereitung und wird auch teilweise betrieben. Bisher wurde bei Weitem noch nicht genug Lithium gefördert, um die zukünftige Nachfrage durch Recycling zu decken. Im Jahr 2030 wird Recycling nur 10 Prozent des Materials ausmachen, bis 2050 könnte dieser Anteil auf 40 Prozent steigen. 5) statista: Global lithium mine production 2010-2019; Stand 14.02.2020 6) Öko-Institut; Gigafactories für Lithium-Ionen-Zellen – Rohstoffbedarfe für die globale Elektromobilität bis 2050; Stand 16.01.2019 7) STRADE: Social, economic and environmental challenges in primary lithium and cobalt sourcing for the rapidly increasing electric mobility sector; Stand 06.2018
Lithium wird auf zwei Arten gefördert. Etwa die Hälfte der weltweiten Produktion stammt aus dem Hartgesteinsabbau, der in Australien, China, Simbabwe, Portugal und Brasilien stattfindet. Die andere Hälfte wird durch das Verdunsten von Salzwasser hergestellt. In diesem sind Ablagerungen von Lithium enthalten, die zusammen mit den Salzkristallen zurückbleiben. Diese Methode wird vor allem in Chile, Argentinien und Bolivien, dem Lithium-Dreieck, angewendet. Das führt zu bizarren Bildern, mitten in der Atacama-Wüste – der trockensten der Welt – befinden sich riesige Flächen mit türkisfarbenen Wasserbecken. Wenn aber Minengesellschaften Wasser in großen Mengen verbrauchen und dem lokalen Ökosystem entziehen, bleibt nicht genug für die Menschen vor Ort übrig. Hugo Diaz ist Landwirt in einer kleinen Oase der Wüste, er beschreibt seine Situation: „Bevor die Minengesellschaften hierher kamen, gab es eine Menge Wasser. Aber der Bergbau hat das Grundwasser verbraucht, so dass wir Bauern nicht mehr das Wasser bekommen, das wir brauchen. Heute können nur noch sehr wenige Bauern ihren Lebensunterhalt hier verdienen.“ Um das Lithium weiter zu konzentrieren, werden toxische Chemikalien verwendet. In Argentinien gab es Beschwerden von verschiedenen Gemeinden über die Verschmutzung von Gewässern, die der Versorgung von Menschen und Landwirtschaft dienen. Mit den hohen Prognosen und steigenden Preisen wird auch eine Ausweitung der bergbaulichen Erkundungs- und Abbauaktivität einhergehen. 8) DW: Lithiumabbau für E-Autos raubt Dörfern in Chile das Wasser; Stand 27.01.2020 9) Grüne Liga: Ökologischer Irrsinn: Rohstoffabbau für E-Autos; 01.2019
Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo
Kobalt ist der zweite essenzielle Bestandteil von Akkus. Auch bei diesem Rohstoff wird eine Nachfrageexplosion erwartet und dementsprechend auch ein Anstieg der Fördermenge. Da Kobalt deutlich teurer als Lithium ist, ist es schon länger gängig, den Rohstoff zu recyclen. Die Gesamtmenge, die sich bereits abgebaut wurde und im Wirtschaftskreislauf enthalten ist, wird allerdings bei Weitem nicht ausreichen, um die Nachfrage in den kommenden Jahren zu decken. Im Jahr 2016 wurden 110.000 Tonnen gefördert, wobei fast 60 Prozent davon aus der Demokratischen Republik Kongo stammen. Obwohl der Kongo eines der ressourcenreichsten Länder der Welt ist, ist er auch eines des ärmsten. Er belegt Platz 176 von 187 im Human Development Index der Vereinten Nationen. Eines der großen Probleme der Bergbauindustrie im Kongo ist der weitreichende Einsatz von Kinderarbeitern, 20 Prozent des Kobalts wird von Kindern geschürft. Weil die Regierung auf die Einnahmen durch den Export von Kobalt angewiesen ist, werden im Kongo die Gebiete für den Bergbau ständig ausgeweitet. Dabei kommt es immer wieder zu Landnutzungskonflikten zwischen Menschen, die das Land bereits bewohnen und den Bergbauunternehmen. Die Einwohner werden meistens zugunsten der großen Konzerne von der Regierung übergangen. 10) Grüne Liga: Ökologischer Irrsinn: Rohstoffabbau für E-Autos; 01.2019 11) Öko-Institut; Gigafactories für Lithium-Ionen-Zellen – Rohstoffbedarfe für die globale Elektromobilität bis 2050; Stand 16.01.2019 12) STRADE: Social, economic and environmental challenges in primary lithium and cobalt sourcing for the rapidly increasing electric mobility sector; Stand 06.2018
Die Geschichte zeigt, dass der Kongo nicht trotz seiner natürlichen Ressourcen, sondern genau wegen ihnen arm ist. Die Theorie des Ressourcenfluchs besagt, dass sich Länder mit schlechten politischen Institutionen und natürlichen Ressourcen wirtschaftlich schlechter entwickeln, als Länder mit ähnlichen Institutionen aber ohne Ressourcen. Der enorme Profit, den man durch die Ausbeutung von Kobalt in der DRK erwirtschaften kann, gibt der Regierung einen Anreiz zu Korruption und Machtmissbrauch zur eigenen Bereicherung. Gleichzeitig kommt es zu höherer politischer Instabilität, da der Gewinn, der durch einen Putsch oder die Kontrolle von einzelnen Landesteilen erzielt werden kann, höher ist, als bei Staaten ohne Ressourcen. 13) Sachs, Warner: The curse of natural resources; Stand 05.2001
Spätestens seit 1996 gilt die DR Kongo als Paradebeispiel für die Verquickung von Rohstoffausbeutung und Kriegsfinanzierung. Die Geschichte des Kongos ist seit der Kolonialzeit vom systematischen Missbrauch der natürlichen Ressourcen gekennzeichnet. Ein UN-Expertenpanel hat Rebellen, hohe Militärs und Privatunternehmen – auch aus dem Ausland – als Profiteure der Ressourcenausbeutung offengelegt. Sie alle tragen eine Mitverantwortung für die anhaltende Gewalt im Osten des Kongos. Praktisch jede größere Konflikteskalation der letzten Jahre zwischen verschiedenen Akteuren im Kongo steht in Zusammenhang mit Einnahmen aus Ressourcen, insbesondere von denen, die durch Bergbau gewonnen wurden. Die Sicherheitslage in der Provinz Katanga im Süd-Osten des Landes ist besonders instabil, denn hier befinden sich die wichtigsten Exportgüter, wie Kobalt. Schon während der Kolonialherrschaft wurde der Kongo systematisch ausgebeutet. An dieser Situation hat sich mit der Unabhängigkeit des Landes nicht viel geändert. In den 1990er und Anfang der 2000er-Jahren haben neben Bürgerkriegsparteien, etlichen Rebellengruppen und Lokalmilizen auch Armeen von neun benachbarten Ländern um einen Anteil am Ressourcenreichtum gekämpft. Bis heute ist die Situation in den östlichen Provinzen des Landes durch Übergriffe von Rebellen, Milizen, marodierenden kongolesischen Soldaten und Kriminellen geprägt. Insgesamt hat der Konflikt in den letzten zwei Dekaden ungefähr vier Millionen Opfer gefordert: zum einen durch direkte Gewalteinwirkungen, zum anderen vor allem durch Vertreibungen, Hunger und Krankheiten. 14) Umweltbundesamt: Rohstoffkonflikte nachhaltig vermeiden; Stand 09.2010
Kobalt und Lithium das Erdöl der Zukunft
Mit der steigenden Nachfrage nach den Ressourcen Kobalt und Lithium werden sich in Zukunft auch die Probleme, die sie in ihren Ursprungsländern verursachen, drastisch verschärfen. Lithium und Kobalt sind das Erdöl der Zukunft, natürliche Ressourcen, auf denen die Wirtschaft von Industrieländern basiert. Wenn man sich anschaut, wie viel Leid die globalen Konflikte über Erdöl in den letzten 50 Jahren verursacht haben, kann man nur hoffen, dass die Welt aus der Vergangenheit lernt und begangene Fehler nicht wiederholt. Auch wenn der Abbau der endlichen Ressourcen Lithium und Kobalt nicht nachhaltig sein kann, muss ein Weg gefunden werden, um Menschen und Umwelt in rohstoffreichen Regionen zu schützen. Diese Verantwortung liegt bei den lokalen Regierungen, die sich nicht vom schnellen Geld verleiten lassen dürfen. Stattdessen muss der Abbau streng reguliert werden, um der Regionen langfristig Wohlstand zu bescheren und die Lebensqualität der Menschen vor Ort zu erhöhen. Denn momentan wird ihre Lebensgrundlage zerstört und sie werden zur Flucht gezwungen. Die Gier nach Profit lässt vor allem den Kongo nicht zur Ruhe kommen. Ein weiterer Teil der Verantwortung liegt bei den Verbrauchern, die durch ihre Kaufentscheidung Firmen zwingen können, ihre Lieferketten transparent zu gestalten. Es muss nachverfolgt werden können, wie das in den Elektroautos verbaute Lithium und Kobalt abgebaut wird. Wenn die Zeit kommt von einem Verbrenner auf ein Elektroauto umzusteigen, ist es wert, sich darüber zu informieren, woher die Rohstoffe im eigenen Auto kommen.
Fußnoten und Quellen:
Keine Kommentare