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Millionen von Binnenflüchtlingen mussten ihre Heimat verlassen - oft mit ungewissem Ausgang. Viele von ihnen sind Kinder. | Bild: © United Nations Photo [CC BY-NC-ND 2.0] - flickr
79,5 Millionen Menschen auf der Flucht – So viele wie noch nie
Die große „Flüchtlingskrise“ spielt sich in Europa ab und Deutschland nimmt einen Großteil der flüchtenden Menschen auf? Ein Irrglaube oder ein Bild, das viele Menschen hierzulande haben, das aber eine verzerrte Sicht auf die Dinge offenbart. Denn nur ein Bruchteil der Menschen, die weltweit fliehen, kommt nach Europa. Generell sind laut dem Global Trends Bericht der Flüchtlingshilfsorganisation der UN, der im Vorfeld des Weltflüchtlingstags am 20. Juni veröffentlicht worden ist, so viele Menschen auf der Flucht wie noch nie: 79, 5 Millionen, das entspricht mehr als einem Prozent der Menschheit und ist fast doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren. Von ihnen sind 40 Prozent jünger als 18 Jahre. Der absolute Großteil, 85 Prozent, befindet sich in Entwicklungsländern, die selber oft nicht die Möglichkeiten haben, humanitäre Bedürfnisse zu befriedigen. Die fast 46 Millionen Binnenflüchtlinge mit einberechnet, leben nur 3,24 Prozent der Flüchtlinge in Europa. 26 Millionen Menschen fliehen vor schweren Menschenrechtsverletzungen, Konflikten oder Verfolgung. Besonders bemerkenswert ist auch, dass 68 Prozent der weltweit flüchtenden Menschen aus nur fünf Ländern kommen: Syrien, Venezuela, Afghanistan, Südsudan und Myanmar. Das heißt, wie auch UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi anmerkte, dass mit einer Lösung der Konflikte in diesen Ländern ca. zwei Dritteln der weltweiten Flüchtlinge geholfen sein könnte. Er bemängelte auch, dass Lösungen von Konflikten auch dadurch weniger in Sicht seien, weil bestimmte Länder aufgrund von eigenen Interessen in den entsprechenden Regionen dies beeinträchtigten. So ist mittlerweile für viel weniger Menschen eine Rückkehr in die Heimat ersichtlich als noch vor einigen Jahren. 1) Tagesschau: UNHCR-Bericht: 80 Millionen Menschen auf der Flucht; Stand 18.06.2020 2) UNHCR: 1 per cent of humanity displaced: UNHCR Global Trends report; Stand 18.06.2020 3) UNHCR Deutschland: Statistiken; Stand 23.06.2020 4) DW: Migration: UN: Zahl der Flüchtlinge steigt auf weltweites Rekordhoch; Stand 18.06.2020 5) Kurier: UNHCR-Bericht zu Flüchtlingen: Situation wird immer schlimmer werden; Stand 19.06.2020 6) Epo: Weltpolitik: UNHCR: Rekordwert bei Menschen auf der Flucht; Stand 18.06.2020 7) Zeit: UNHCR: Fast 80 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht; 18.06.2020
Probleme sind oft international bedingt
Der Anstieg sei vor allem auf zwei Faktoren zurück zu führen: Zum einen gibt es mehr Binnenvertriebene, insbesondere in der Sahelzone, in der Demokratischen Republik Kongo, im Jemen und in Syrien. Der Krieg in Syrien wütet nun seit neun Jahren und hat alleine schon 13,2 Millionen Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben worden sind, zu verzeichnen. Ein Sechstel aller weltweit flüchtenden Menschen wird also durch einen internationalen Stellvertreterkrieg bedingt, in dem Länder wie Russland, die Türkei und die USA ihre Interessen verfolgen. Auch die Auseinandersetzungen in der Sahelzone sind zumindest teilweise international bedingt. So ist ein Teil der Konflikte in der Region auch der Tatsache geschuldet, dass im Zuge des Klimawandels der Temperaturanstieg eineinhalb mal so schnell wie im Rest der Welt stattfindet. So gehen wichtige Nutzflächen verloren, Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage und Hungersnöte entstehen. Auch der Krieg nach dem Sturz von Muammar al-Ghadhafi in Libyen, bei dem ebenfalls unterschiedliche internationale Interessen eine Rolle spielen, trug zur Verschärfung der Konflikte in der Sahelzone bei. Die Verfügbarkeit von Waffen für Milizen erhöhte sich somit. Speziell im Südsudan, eines der fünf Länder mit den meisten flüchtenden Menschen, spielen internationale Faktoren eine Rolle für die Situation in den letzten Jahren: So führte auch die unterschiedliche Behandlung von Nord und Süd im britischen Kolonialismus im Sudan zu den Konflikten zwischen den beiden Regionen. Ebenfalls haben die USA und auch Deutschland die Abspaltung des Südsudan 2011, ein unglaublich konfliktgeprägter Staat, aufgrund dessen reichlichem Erdölvorkommen vorangetrieben. Hierbei geht es auch um die Rivalität mit China, das im Norden Einfluss hat. Auch hier ist also das Rohstoffvorkommen des Landes ein wichtiger Faktor für den so lange anhaltenden Konflikt. In seiner Begierde nach diesem Rohstoff zeigt der Westen wenig Interesse für die gewalttätigen Konflikte in dem Land. 8) UNHCR: 1 per cent of humanity displaced: UNHCR Global Trends report; Stand 18.06.2020 9) Epo: Weltpolitik: UNHCR: Rekordwert bei Menschen auf der Flucht; Stand 18.06.2020 10) Tagesschau: UNHCR-Bericht: 80 Millionen Menschen auf der Flucht; Stand 18.06.2020 11) Tagesschau: Akteure in Syrien: Stellvertreterkrieg für viele Mächte; Stand 08.04.2017 12) NZZ: Kommentar: Wie es in der Sahelzone zu einer Eskalation der Gewalt kommen konnte – und warum das für Europa verheerende Folgen haben dürfte; Stand 29.10.2019 13) Global Citizen: Die “Grüne Mauer“ Afrikas: Eine Idee, die die Welt verbessern könnte; Stand 11.09.2019 14) Deutschlandfunk: Libyen: Vom Bürgerkrieg zum internationalen Stellvertreterkrieg; Stand 08.01.2020 15) Deutschlandfunk Kultur: Stellvertreterkrieg in Libyen: Wer wegen Öl und Macht mitmischt; Stand 21.11.2019 16) Spiegel: Krieg um Libyen: Letzte Ausfahrt vor dem Untergang; Stand 23.06.2020 17) LIPortal: Sudan: Geschichte & Staat; Stand Mai 2020 18) Welt: Wer kämpft im Südsudan eigentlich gegen wen?; Stand 19.01.2014 19) AG Friedensforschung: Sudan/Südsudan: Die tödlichen Folgen des Kolonialismus; Stand 11.02.2014 20) Lebenshaus Schwäbische Alb: Sudan: Vom Nutzen der Sezession; Stand 12.01.2011 21) Zeit: Sudan: „Den Konflikt im Sudan hat der Westen geschürt“; Stand 17.06.2015 22) Internationale Krisen und Konflikte: Sudan; Stand April 2011 23) LIPortal: Südsudan: Geschichte & Staat; Stand März 2020 24) Spiegel: Report über Bürgerkriegsprofiteure: Krieg im Südsudan – ein Bombengeschäft; Stand 23.09.2019

In Syrien tobt der Krieg nun schon seit neun Jahren. 13,2 Millionen Menschen sind deshalb auf der Flucht, und ein Ende des Krieges ist nicht abzusehen. © Freedom House [CC BY 2.0 ] flickr
Prognose: Zahl könnte weiter steigen – Wenn wir nicht handeln
Wie Grandi sagte: Mit einer Lösung der Konflikte in fünf Ländern könnte mehr als zwei Drittel aller weltweit flüchtenden Menschen geholfen sein. Nicht dass dies in den entsprechenden Ländern eine leicht zu lösende Aufgabe wäre. In den Konflikten und Problemen dieser Länder spielen unzählige und diverse Einflussfaktoren eine Rolle, die Situationen sind komplex. Es ist allerdings schon ein erschütternder Gedanke, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Probleme in diesen fünf Ländern auf internationalen, oft auch westlichen Ursachen beruht. Einfluss und (oft wirtschaftliche) Interessen von Industrienationen und das Konsumverhalten ihrer Gesellschaften bedingen die Probleme auch in diesen Staaten enorm. Würde sich in dieser Hinsicht etwas ändern, könnte schon vielen Millionen Menschen geholfen sein. Vor allem bei einer Herausforderung ist die internationale Gemeinschaft nun mehr denn je gefragt: Der Klimawandel. Laut einer Prognose der Weltbank könnten bis 2050 über 140 Millionen Menschen in Afrika südlich der Sahara, Lateinamerika und in Südasien aufgrund der Folgen des Klimawandels ihre Heimat verlieren. 35) Zeit: Weltbank: Millionen Binnenflüchtlinge durch Klimawandel; Stand 20.03.2018
Fußnoten und Quellen:
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