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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Wie westliche Konzerne Nigeria ausbeuten – und damit Terrorismus fördern
Mindestens 81 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, sind erst kürzlich in einem Nomadendorf im Nordosten Nigerias von einer islamistischen Terrorgruppe ermordet worden. Auch an weiteren Orten im Norden Nigerias starben 60 Menschen bei Angriffen. Im Dorf Kadisau wurden dabei Häuser niedergebrannt, Frauen vergewaltigt und Bewohner wahllos ermordet. Seit Mai dieses Jahres ist die Gewalt islamistischer Gruppen sowohl gegen Christen als auch gegen Muslime extrem angestiegen. Das Land hat mit vielen großen Problemen zu kämpfen. Neben terroristischer Gewalt und Konflikten um Ressourcen ist die Korruption weit verbreitet. Die Kluft zwischen der größtenteils armen Bevölkerung und den sehr reichen Eliten ist extrem groß. Ein Problem ist auch die mangelhafte Infrastruktur. Nigeria hat mittlerweile mehr Menschen, die in extremer Armut leben, als Indien, ca. 87 Millionen Menschen stehen pro Tag weniger als zwei US-Dollar zur Verfügung. Gleichzeitig ist Nigeria nicht nur das Land mit der größten Bevölkerung in Afrika, sondern auch einer der wichtigsten Erdölproduzenten weltweit und die größte Volkswirtschaft Afrikas. Wie kann es sein, dass ein Land wie Nigeria, mit einem so hohen Rohstoffaufkommen in Form von Erdöl, eine derart arme und in Perspektivlosigkeit lebende Bevölkerung hat? 1) GfbV: Islamisten töten mehr als 140 Menschen in Nigeria; Stand 11.06.2020 2) Bpb: Nigeria; Stand 10.1.2018 3) Oxfam: Nigeria: Ein reiches Land mit armen Menschen; Stand 19.12.2017 4) BMZ: Überblick: Bittere Armut trotz Rohstoffreichtum; Stand 22.06.2020 5) Die Presse: Nigeria: Das neue Armenhaus der Welt; Stand 16.07.2018
Staatseinnahmen fehlen aufgrund Steuervermeidung internationaler Konzerne

Ca. 87 Millionen Menschen in Nigeria müssen mit weniger als zwei US-Dollar am Tag auskommen. Der Großteil der Bevölkerung lebt in extremer Armut – Auch das nährt Terrorgruppen wie Boko Haram den Boden. © EU Civil Protection and Humanitarian Aid [CC BY-NC-ND 2.0 ] flickr
Auch ein großes Problem: Steuervermeidung. Um mindestens 100 Milliarden Dollar werden arme Länder von internationalen Unternehmen jährlich gebracht, ein Großteil davon sind afrikanische Staaten. Beteiligt sind beispielsweise Unternehmen aus dem Rohstoff- und Energiesektor. Laut IWF verlieren afrikanische Staaten sogar 175 Milliarden Euro durch fehlende Steuereinnahmen generell, zum Großteil durch internationale Konzerne. Es gibt viele Methoden zur Steuervermeidung oder -hinterziehung, die von in Afrika agierenden internationalen Konzernen genutzt werden: Tochtergesellschaften in Steueroasen, falsche Angaben bei der Berechnung von Gewinn, aber auch Korruption und Verbindungen in den Staatsapparat. Auch der nigerianische Staat verlor große Mengen an Einnahmen durch die Steuervermeidung multinationaler Konzerne. Ein Forschungspapier von 2010 stellt dar, wie es solche Unternehmen durch verschieden Methoden vermieden, Steuern an Nigeria zu zahlen. Im Speziellen werden dabei die Aktivitäten der drei US-amerikanischen Konzerne Chevron, Bristow und Halliburton in Nigeria untersucht. Auch die sehr vage Trennlinie zwischen legaler und illegaler Steuervermeidung half den Konzernen dabei, Steuern zu umgehen. Der Ölkonzern Halliburton soll versucht haben, allein 2003 fünf Millionen US-Dollar Steuern durch das Zahlen von Schmiergeldern zu vermeiden. 10) Oxfam: Wer prellt Steuern in Afrika?; Stand 29.07.2016 11) DW: Steuergerechtigkeit: Jenseits von Afrika: Wie Unternehmen Steuern umgehen; Stand 21.04.2019 12) Olatunde Julius Otusanya: The role of multinational companies in tax evasion and tax avoidance: The case of Nigeria; nicht mehr verfügbar 13) Weed: Globalisierung, Steuervermeidung und Steuersenkungswettlauf: Die zunehmende Umverteilung von unten nach oben; Stand November 2004 14) DW: Afrika: Leere Staatskassen in Afrika durch Konzerne; Stand 06.05.2016
Shell involviert in Steuervermeidung und Schmiergeldern
Doch auch der niederländisch-britische Ölgigant Shell, der in Nigeria Öl fördert, war in der Vergangenheit offenbar an Korruption und Steuervermeidung beteiligt: Ein 2014 veröffentlichter Report untersucht Shells Steueraktivitäten in Bezug auf die Schweiz und äußerte den begründeten Verdacht, Shell betreibe Steuervermeidung zu Ungunsten der Länder, in denen es eigentlich wirtschaftet, also auch Nigeria. Shell stritt die Vorwürfe ab. Derweil läuft in Italien ein Gerichtsverfahren gegen Mitarbeiter von Shell und Eni, einen italienischen Ölkonzern. 2011 hatten diese die Rechte für eines der größten afrikanischen Ölfelder für 1,3 Milliarden US-Dollar von der nigerianischen Regierung erworben, nach längerem Rechtsstreit. Indem Shell mit einem Schiedsverfahren Druck auf die Regierung ausübte, gelang es dem Konzern, einen Deal mit dieser über das Ölfeld zu erzielen. Dieser war sehr vorteilhaft für Shell: Er sicherte dem Unternehmen deutliche steuerliche Vorteile zu, während der nigerianischen Staatskasse so Milliarden Dollar an Öleinnahmen zu entgehen drohten. Dazu kommt, dass ein Großteil des von Shell und Eni für das Ölfeld gezahlten Geldes als Bestechungsgelder für wichtige nigerianische Politiker und Regierungsbeamte verwendet worden sein soll. Beteiligt war dabei anscheinend auch Dan Etete, ehemaliger Ölminister und verurteilter Geldwäscher. Shells direkte Verbindung zu diesem wurde aufgedeckt, obwohl der Konzern diese jahrelang bestritten hatte. Mitarbeiter von Shell sollen über die Verwendung des Geldes informiert gewesen sein. 15) SOMO / Friends of the Earth Europe: The Swiss Connection: The Role of Switzerland in Shell’s Corporate Structure and Tax Planning; Stand Mai 2014 16) eurodad: The Swiss Connection: The Role of Switzerland in Shell’s Corporate Structure and Tax Planning; Stand 22.05.2014, nicht mehr verfügbar 17) Business & Human Rights Resource Centre: Report claims Shell uses Swiss operations to avoid paying taxes in developing countries: All components of this story; Stand 22.06.2020 18) infosperber: Shell entzieht Milliarden über CH-Steuerparadies; Stand 25.05.2014 19) Nairametrics: UK court dismisses $1.1billion Nigerian corruption lawsuit against Shell, Eni; Stand 23.05.2020 20) SOMO: Shell pressured Nigeria with ISDS process to obtain oil field OPL 245; Stand 02.02.2019 21) DW: Öl-Firmen vor Gericht: Schmutzige Geschäfte in Nigeria?; Stand 05.03.2018
Armut treibt Menschen in die Fänge von Terroristen
Auch Shell fördert also die korrupten staatlichen Strukturen in Nigeria, um Profit aus deren Rohstoffvorkommen zu schlagen. Shell und andere westliche Konzerne vermeiden Steuern in Nigeria, wodurch deren Staatskasse so dringend benötigte Steuereinkommen zur Armutsbekämpfung fehlen. Doch es ist genau diese Perspektivlosigkeit und Armut, die die Menschen in die Fänge von Terrorgruppen wie Boko Haram treibt. Der Westen ist für Boko Haram ein Feindbild. Die Ausbeutung Nigerias durch westliche Konzerne und die kaum funktionierende Armutsbekämpfung durch die Regierung bereitet dem Zulauf zu Boko Haram also den Nährboden. Korrupte, fehlerhafte Staatlichkeit und fehlende Entwicklung begünstigen die Entstehung radikaler Terrorgruppen. Genau diese oft alltägliche Gewalt vor allem im Nordosten Nigerias treibt viele Menschen zur Flucht: Neben zehntausenden Todesopfern wurden ca. 2,5 Millionen Menschen in den vergangen Jahren aus ihrer Heimat vertrieben, die meisten von ihnen sind Binnenflüchtlinge. Aber auch nach Deutschland kamen in den letzten Jahren tausende Asylbewerber aus Nigeria. Um Boko Haram und den Terror als Fluchtursache zu bekämpfen und das Morden an der Zivilbevölkerung zu verhindern, sollte also auch die Ausbeutung und das Ausnutzen von derartigen Strukturen durch westliche Konzerne endlich ein Ende finden. 22) IGFM: Hintergrund: Fakten über Boko Haram; Stand 22.06.2020 23) Bpb: Boko Haram: Lokaler oder transnationaler Terrorismus?; Stand 10.6.2016 24)DW: Afrika: Was treibt junge Muslime in Afrika in den Dschihadismus?; Stand 12.09.2017 25) GfbV: Islamisten töten mehr als 140 Menschen in Nigeria; Stand 11.06.2020 26) UNO: Nigeria: Auf der Flucht vor Boko Haram: Großer Hilfsbedarf, noch größeres Vergessen; Stand 22.06.2020 27) DW: Westafrika: Islamisten töten 69 Dorfbewohner in Nigeria; Stand 10.06.2020 28) Caritas International: „Eine Rückkehr ist für die allermeisten Flüchtlinge derzeit undenkbar“; nicht mehr verfügbar 29) DW: Migration: Bericht: Immer mehr Asylbewerber aus Nigeria wollen nach Deutschland; Stand 14.04.2019
Fußnoten und Quellen:
Albrecht Wilkens
Veröffentlicht um 20:34h, 16 DezemberIch hörte mal wieder, daß westliche Konzerne durch Förderung von Rohstoffen in Afrika und durch Steuerhinterziehung die Regierungen der betreffenden Länder in Schwierigkeiten bringen bei ihrem Bemühen, eine für ihre Bürger auskömmliche Wirtschaft aufzubauen. Dieser Zusammenhang zwischen dem Reichtum Afrikas an Ressourcen und der Armut seiner Bevölkerung verrät ein Verbrechen auf seiten des Westens.