Ein zwanzig Jahre alter Konflikt: Die Gewalt im Ost-Kongo eskaliert erneut
Der Osten ist die wohl blutigste Ecke der demokratischen Republik Kongo. Ein makaberer Titel in einem so brutalen Land. Wer verstehen will, was im Kongo vor sich geht, muss viel Geduld mit bringen und bereit sein an verworrenen, komplizierten Strukturen zu verzweifeln. In der Provinz Ituri sind in den vergangenen Wochen mehr als 700 Menschen von gewalttätigen Milizen getötet worden. Die Bevölkerung lebt in Angst und Schrecken, Häuser werden niedergebrannt, Frauen und Kinder ermordet. 200.000 Menschen sind auf der Flucht. Was dort gerade passiert, ist eine Wiederholung der Geschichte, der ewig gleiche Kampf um Landrechte, Rohstoffe und politischen Einfluss.
Im Mittelpunkt der neuen Gewaltwelle im Kongo steht die Miliz CODECO. Die ursprüngliche Landwirtschaftskooperative hat keine von außen zu durchschauenden Hierarchien oder Strukturen, keinen Kopf oder Schwanz, den man zur Verantwortung ziehen könnte. Im früheren Ituri-Konflikt von 1999 bis 2003 – der sich nun zu wiederholen droht – pflegte CODECO auffällig nahe Beziehungen zur FRPI-Miliz, die zusammen mit anderen Gruppen der Lendu-Ethnie Massaker verübte und zu der blutigen Auseinandersetzung zwischen Lendu und Hema beitrug. Danach wurde es still um die Organisation. Nun ist sie zurück. In Sachen Konfliktlösung ist im Osten des Landes nie viel passiert, das Regime beschäftigt sich hauptsächlich mit sich selbst und seinen Widersachern. Die Folge sind komplizierte Verstrickungen über die Landesgrenzen bis in die Nachbarländer hinein, tiefe ethnische Spaltungen und immer wieder neu entflammende Gewalt. Die Vereinten Nationen installierten vor zwanzig Jahren die derzeit teuerste UN-Mission im Kongo: MONUSCO. Ihr Mandat wurde 2019 verlängert, die Truppenstärke unter dem Druck der öffentlichen Kritik aber reduziert, denn der Erfolg der Stabilitätsmission bleibt bis heute aus. Das schwächt nicht nur das internationale Vertrauen, die Menschen im Kongo fühlen sich im Stich gelassen.
Der aktuelle Präsident Félix Tshisekedi begrüßt, anders als sein Vorgänger, die internationale Unterstützung der Vereinten Nationen und bemüht sich um Zusammenarbeit mit den Nachbarländern. Das mag innovativ und sinnvoll klingen, sein Amt hat Tshisekedi jedoch nur einer lächerlich plumpen Wahlfälschung zu verdanken. Die Präsidentschaftswahl von 2018 ist der am besten belegbare Betrug in der afrikanischen Geschichte. Kandidaten wurden ausgeschlossen, die Opposition bedrängt und mindestens 34 Menschen von Sicherheitskräften getötet. Europa und die USA schauten einfach weg, gratulierten der Bevölkerung zur Demokratie und dem neuen Staatsoberhaupt zu seinem Sieg. Genau das ist auch der größte Kritikpunkt an der UN-Mission im Kongo, denn zu stabilisieren gilt die Macht des Regimes. MONUSCO zielt auf die Ausdehnung der staatlichen Autorität ab, unglücklicherweise bedeutet das lediglich, dass die Bevölkerung von den Zwängen der gewalttätigen Milizen und Rebellengruppen in die Hände eines korrupten Staates getrieben werden. So unterstützen die Vereinten Nationen nicht nur offensichtlich ein politisch und moralisch fragwürdiges System, sondern degradieren auch ihre Rolle als Vermittler. Natürlich lässt sich argumentieren, dass der Kongo vor dem Einschreiten der Vereinten Nationen unmittelbar vor einer Explosion stand, denn so angespannt war die Lage zwischen den Ethnien der Hema und Lendu. Der UN-Einsatz hat es möglich gemacht, das Land in seinen heutigen Grenzen zu erhalten, aber wenn der Brandherd nicht gelöscht wird, dann glühen die Kohlen weiter und das macht die Situation nicht weniger gefährlich. Nach 2003 bemühten sich sehr kostspielige Programme darum ehemalige Kämpfer wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Die Kombattanten aus den bewaffneten Gruppen zu holen gelang, eine Resozialisierung fand nur unzureichend statt.
Seit Jahren wird weltweit darüber diskutiert, wie dem afrikanischen Kontinent geholfen werden kann, aber über die Diskussion hinaus passiert nicht viel. Gefälschte Wahlen werden gebilligt, aus vergangenen Fehlern wird nicht gelernt. Militäroperationen reichen im Kongo offensichtlich nicht aus. Nun mussten erneut 200.000 Menschen ihre Heimat verlassen, bei 700 Toten wird es gewiss nicht bleiben. Die internationale Gemeinschaft braucht neue Ideen, aber es scheint niemand da zu sein, der sich dieser Aufgabe annimmt. Insgesamt sind über fünf Millionen Kongolesinnen und Kongolesen auf der Flucht. Es werden mehr werden. 1) Deutsche Welle: DR Kongo: Die Krise in Ituri wiederholt sich; Artikel vom 29.05.2020 2) Deutsche Welle: Blauhelm Mission: Wie Tshisekedi mit UN-Hilfe den Kongo befrieden will; Artikel vom 20.12.2019 3) Tagesspiegel: UN-Friedenstruppen: Wenn Blauhelme zum Problem werden; Artikel vom 14.02.2019 4) Süddeutsche Zeitung: Kongo: Zynische Sichtweise; Artikel vom 03.02.2019 5) Epo: DR Kongo: Gewalt zwingt 200.000 Menschen in Ituri in zur Flucht; Artikel vom 29.05.2020
Fußnoten und Quellen:
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