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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Menschenrechtsverstöße und Existenzverlust: Was der Corona-Lockdown für Entwicklungsländer bedeutet
Wie geht Social-Distancing in überfüllten Slums? Oder wie wäscht man seine Hände mehrmals täglich und singt dabei zweimal Happy Birthday, wenn es keine Wasserversorgung gibt? Vor allem in den Ländern des globalen Südens fehlt es maßgeblich an Desinfektionsmittel, Schutzkleidung und medizinischen Einrichtungen. Simbabwes Hauptstadt Harare hat 1,5 Millionen Einwohner und nur ein einziges Beatmungsgerät. So bekommt eine Lungenkrankheit gleich noch einmal eine andere Wucht als in unserem Breitengrad. Hinzu kommt ein politischer Trend, der prägend für die Zukunft sein wird. 1) Zeit: Entwicklungsländer: Und jetzt auch noch Corona?; Artikel vom 08.04.2020
Überall auf der Welt werden im Zuge der Pandemiebekämpfung Gewalten verschoben und Machtbefugnisse ausgebaut. Grundrechte wie die Bewegungs-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind weitreichend eingeschränkt. In Ordnung ist das, wenn diese Maßnahmen in ihrer Dauer begrenzt sind, die Menschenwürde achten, regelmäßig überprüft werden und in angemessenem Umfang passieren. Für stabile Demokratien bedeutet das einen verstärkten Dialog und besondere Wachsamkeit. Aber was passiert, wenn autoritäre Regime Corona-Schutzmaßnahmen als Vorwand benutzen, um die Demokratie und Menschenrechte noch weiter zu unterwandern? In fast allen Ländern des afrikanischen Kontinents wurden Notstandsgesetze mit tiefgreifenden Beschneidungen der individuellen Freiheitsrechte erlassen, die auf dem exzessiven Ausüben von Macht und brutalen Übergriffen beruhen. Nigeria beklagt mehr Tote aufgrund des gewalttätigen Vorgehens der Sicherheitskräfte bei der Durchsetzung der Corona-Schutz-Bestimmungen als durch das Virus selbst. Südafrika setzt Gummigeschosse gegen Obdachlose ein und in Uganda missbrauchen Behörden Covid-19 als Vorwand, um willkürlich Homosexuelle zu verhaften. Der philippinische Diktator Rodrigo Duterte trifft den wohl härtesten Ton im Umgang mit all denen, die sich nicht an den Lockdown halten. Sein Rat für Polizei und Militär lautet: „Erschießt sie!“ 2) n-tv: Mehr Tote als durch Virus: Corona-Krise entfacht Gewalt in Nigeria; Artikel vom 14.04.2020 3) ZDF: Corona und die Überwachung: Die Stunde der Autokraten; nicht mehr verfügbar
Die lange wütenden und teilweise noch immer bestehenden Konflikte in vielen dieser Staaten sind auf die Kolonialzeit zurückzuführen und so tief in der Identität der Nationen verwurzelt, dass Beilegung und Demokratisierung bisher teils nur bedingt erfolgreich waren. Die Maßnahmen der Politik schwächen das ohnehin schon schwache Vertrauen in die Regierungen und schüren wohlmöglich neue Konflikte. Diese politischen Folgen der Corona-Krise sind dabei keinesfalls von dem Virus verursachte Phänomene. Autoritäre Regierungsmuster haben sich in den vergangen 10 Jahren kontinuierlich ausgebreitet. Vor allem die Gewaltenteilung wurde in vielen Staaten erkennbar ausgehöhlt. Es herrscht Machtmissbrauch, Korruption und Repression. Bestehende ethnische, religiöse oder regionale Spannungen werden instrumentalisiert und vertieft. Das passiert gerade auch in China, Russland oder Ungarn. Vor diesem Hintergrund stülpt sich das Corona-Virus wie eine Kuppel über schon bestehende Unsicherheiten und wirkt als Brandbeschleuniger. 4) Tagesschau: Transformationsindex: Autokratien auf dem Vormarsch; Artikel nicht mehr verfügbar
Für die Entwicklungs- und Schwellenländer kommt zu den menschenrechtlichen Herausforderungen noch ein genauso wesentliches Problem hinzu. Achim Steiner, Chef des UN-Entwicklungsprogramms, geht davon aus, dass vielerorts wahrscheinlich ein Jahrzehnt an Entwicklungsfortschritt verloren gehen wird – wenn nicht mehr. Wo die Existenzen vieler Menschen oft schon durch kurze Lohnausfälle bedroht sind, wirkt das Virus doppelt tödlich. Wer von der Hand in den Mund lebt, hat keine Rücklagen, auf die zurückgegriffen werden kann, ist nicht kreditwürdig und abgeschottet von staatlichen Hilfsinstrumenten. Covid-19 wirkt so auch als Katalysator des Hungers. In Afrika arbeiten 85.8 Prozent der Beschäftigten im informellen Sektor, in Asien und im Pazifikraum liegt der Anteil bei 68.2 Prozent. Durch die Corona-Krise versiegen zudem in den meisten Entwicklungsländern die Geldströme aus dem Ausland. Auch die Einnahmen aus der Tourismusbranche brechen auf nicht absehbare Zeit völlig weg. Schwerwiegend für Staaten, deren BIP sich vor allem darauf stützt. Exportnationen wie Deutschland werden sich zwar nach der Krise darum bemühen den Handel wiederzubeleben, denn Exporteure brauchen Importeure mit Kaufkraft, die Menschen vor Ort bleiben ihrer Armut jedoch trotzdem schutzlos ausgeliefert. 5) Zeit: Entwicklungsländer: Und jetzt auch noch Corona?; Artikel vom 08.04.2020 6) Deutsche Welle: Covid-19: Corona-Pandemie: Herausforderung für Entwicklungshilfe; Artikel vom 17.04.2020
Die Staaten des globalen Südens sind daran gewöhnt mit multiplen, existenziellen Krisen zu jonglieren. Auch vor dem Ausbruch des Corona-Virus haben die exzessive Gewalt staatlicher Sicherheitskräfte und die Missachtung der Grundrechte für viele Menschen auf der Welt eine der größten Gefahren dargestellt. Ungerechtigkeit und Unterdrückung schlafen nicht, nur weil eine Pandemie kursiert. Auch die Demokratie darf sich keine Pause leisten. Regierenden, denen es gelingt, ihre Hybridregime in Autokratien zu verwandeln und ihre eigene politische Macht nachhaltig auszubauen, können vielleicht auf irgendeine makabre Art und Weise als Gewinner bezeichnet werden. Der internationalen Gemeinschaft fehlt es an übergreifender Solidarität, so hat sie all dem nichts entgegenzuwirken. Die Verlierer – und das ist so tragisch wie probat – werden immer die gleichen Verlierer sein. 7) Zeit: Coronavirus-Pandemie:Der Notstand ist doch längst Normalität; Artikel vom 22.03.2020 8) Süddeutsche Zeitung: Demokratie und Corona: Wo Populisten regieren, herrscht meist erschütternde Inkompetenz; Artikel vom 14.04.2020
Fußnoten und Quellen:
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