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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Ehemaliger Rebellenführer seit 20 Jahren an der Macht: Wie steht es um die Demokratie in Ruanda?
Offiziell ist Paul Kagame seit 2000 Präsident von Ruanda. Inoffiziell wird ihm nachgesagt, schon seit 1994 an der Macht zu sein. Im Westen wird der Staatschef oft als Lichtgestalt oder Hoffnungsträger Afrikas beschrieben und auch im eigenen Land erfreut er sich großer Beliebtheit. Menschenrechtsorganisationen und Kritiker nennen ihn einen repressiven Diktator, der keine Opposition zulässt und seine uneingeschränkte Macht ausnutzt. Um die aktuelle politische Situation in Ruanda besser verstehen zu können, muss man sich aber zuerst mit der Geschichte des Landes vertraut machen. 1)Deutsche Welle: 20 Jahre mit dem wohlwollenden Diktator – Artikel vom 16.04.2020
Der ostafrikanische Staat hat eine dunkle Vergangenheit. 1994 wurden, vor den Augen der Weltöffentlichkeit, 800.000 Menschen Opfer eines Genozids. Hintergrund des brutalen Völkermordes waren ethnische Konflikte zwischen den Volksgruppen der Hutus und Tutsis. Die gesellschaftlichen und politischen Wurzeln des Konflikts zwischen beiden Minderheiten gehen auf die Kolonialisierung Ruandas durch Deutschland und Belgien zurück. Die Kolonialmächte begründeten eine rassistische Ungleichbehandlung und erzeugten dadurch Spannungen zwischen den dominierenden Tutsis, die allerdings in der zahlenmäßigen Minderheit waren, und der unterdrückten Hutu-Mehrheit. Zwischen 1959 und 1961 begannen sich die Machtverhältnisse durch Aufstände der Hutu zu drehen. Von nun an regierte die Hutu-Mehrheit die ehemalige Tutsi-Elite. Über 150.000 Tutsis verließen ihre Heimat aus Angst vor Gewalt und Verfolgung. Ende der 1980er gründeten Tutsi-Rebellen im Exil in Uganda die Ruandische Patriotische Front RPF, welche in den folgenden Jahren Angriffe auf Ruanda ausübte. Der damalige Rebellenanführer war der heutige Präsident Paul Kagame, der für eine Tutsi-Teilhabe an der Politik in Ruanda kämpfte. Ein brutaler Bürgerkrieg brach aus, als es der RPF Anfang der 1990er gelang, weite Teile des Nordens zu erobern. 1993 kam es auf Drängen der Vereinten Nationen zur Unterzeichnung eines Friedensvertrages zwischen beiden Parteien. Auf Grundlage einer UN-Resolution wurde die Friedensmission UNAMIR („United Nations Assistance für Rwanda“) nach Ruanda entsendet, um das Land zu stabilisieren. Trotz Unterzeichnung des Abkommens radikalisierten sich Hutu-Extremisten jedoch weiter. 2)Bundeszentrale für Politische Bildung: Gedenken an den Völkermord in Ruanda – Artikel vom 02.04.2020 3)N-TV: Völkermord in Ruanda – Wie das Töten begann und endete – Artikel vom 06.04.2019
Der Ausbruch des Völkermordes kann auf den 6. April 1994 datiert werden, dem Tag als das Flugzeug des damaligen ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana abgeschossen wurde und abstürzte. Bis heute ist unklar, wer für den Absturz verantwortlich war. Zu jener Zeit wurden aber vor allem die RPF beziehungsweise die Tutsis als Hauptverdächtige des Anschlags angesehen. Noch am nächsten Morgen begann der Rachefeldzug der Hutu-Extremisten mit dem Völkermord an den Tutsis. Insgesamt forderten die brutalen Massaker ungefähr 800.000 Menschenleben ein. Kurze Zeit später marschierte die RPF in Ruanda ein. Ihre militärischen Erfolge lösten besonders unter der Hutu-Bevölkerung Panik aus, sodass binnen weniger Tage eine Massenfluchtbewegung entstand. 4)Prunier, G. (1995): The Rwanda Crisis. History of a Genocide. London: C. Hurst & Co. Ltd 5)Pampel, M. (2009): 1994: Ein franko-afrikanisches Schicksalsjahr. Frankreich und der Völkermord in Ruanda. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller 6)Hasenclever, A. (2001): Die Macht der Moral in der internationalen Politik. Militärische Interventionen westlicher Staaten in Somalia, Ruanda und Bosnien-Herzegowina. Frankfurt/New York: Campus Verlag
Seit dem regiert die RPF das Land und hat in den vergangenen Jahren einige Vorkehrungen getroffen, damit das auch so bleibt. 2015 ließ Kagame die Verfassung so ändern, dass er zwei weitere Amtszeiten bis 2034 absolvieren könnte. Die Reform wurde mit einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung beschlossen, 98 Prozent der Ruander haben sich dafür ausgesprochen. Human Rights Watch und andere Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen immer wieder alarmierende Berichte über politisch motivierte Verhaftungen und Morde sowie Vermisstenfälle. Eine Opposition gibt es faktisch nicht, damit hat die RPF die uneingeschränkte Macht in Ruanda inne. Zuletzt hat sich das Land auch mehrfach mit der wichtigsten Regionalmacht Afrikas angelegt: Südafrika. Es gab mehrere Anschläge auf RPF-Aussteiger in Südafrika, die sich dort ins Exil abgesetzt hatten. Darunter waren auch zwei Oppositions-Politiker, die aus dem Exil heraus eine neue Partei in Ruanda gründen wollten. Die Regierung in Kigali streitet eine Verbindung ab, was viele afrikanische Staaten jedoch bezweifeln. 7)Tagesspiegel: Sag‘ es doch Kagame – Artikel vom 07.04.2014
Westliche Staaten, darunter auch die Bundesrepublik, pflegen jedoch ein gutes Verhältnis zu dem afrikanischen Land. Vor allem auch aus wirtschaftlichen Gründen: Ruanda belegt Rang 29 der wirtschaftsfreundlichsten Länder der Erde 2019. Vor allem der Autobauer Volkswagen ist einer der größten Investoren des Landes. Im Gegensatz zu anderen afrikanischen Staaten prosperiert die Wirtschaft und der Wohlstand ist massiv angestiegen in den letzten 20 Jahren. Hinsichtlich der Hoffnung auf die Entwicklung einer stabilen, menschenrechtsfreundlichen Demokratie besteht jedoch weitestgehend Ernüchterung. Deshalb muss die wirtschaftliche Zusammenarbeit der westlichen Staaten besonders kritisch hinterfragt werden. 8)Bundeszentrale für Politische Bildung: Gedenken an den Völkermord in Ruanda – Artikel vom 02.04.2020
Fußnoten und Quellen:
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