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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Die Auslöschung einer ganzen Ethnie? – Die indigenen Völker Lateinamerikas sind dem Corona-Virus schutzlos ausgeliefert
Mit der spanischen Eroberung Mitte des 16. Jahrhunderts erfuhr das Leben der Eingeborenen Lateinamerikas einen Einschnitt, der sie seit jeher mehr oder weniger ständig fremdem Willen unterwirft. Die zunehmende wirtschaftliche Erschließung Amazoniens – aktuell besonders voran getrieben durch den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro – stellte in den vergangenen Jahren ihre wohl größte Bedrohhung dar. Damit Tiere hierzulande ordentlich gemästet werden können, wird indigener Lebensraum dem Sojaanbau geopfert. 1) Brot für die Welt: Sojaanbau in Lateinamerika: Tierfutter statt Nahrungsmittel; Zuletzt aufgerufen am 26.05.2020 Unser Hunger nach Rohstoffen zwingt die traditionellen Gemeinschaften, ihr Land aufzugeben. Bergbau- und Erdölindustrie bedrohen und vertreiben sie. Die Politik berücksichtigt die Urbewohner häufig nur wenig bis kaum. Zu mächtig ist die Agrarlobby. Zu viel Geld lässt sich mit der Ausbeutung des Regenwaldes verdienen. Zu hoch ist die internationale Nachfrage. 45 Millionen südamerikanische Indigene sehen sich täglich mit Unterernährung, fehlendem Zugang zu Gesundheitsdiensten, unzureichender Infrastruktur und der Einschränkung ihrer individuellen und kollektiven Grundrechte konfrontiert. Auch mit der Pandemie droht man sie alleine zu lassen.
Das Immunsystem der indigenen Bevölkerung ist aufgrund häufiger räumlicher Isolation besonders anfällig für eingeschleppte Krankheiten. Pocken, Masern und Grippeviren vernichteten ab dem 16. Jahrhundert ganze Völker. Typ-2-Diabetes, Tuberkulose und Malaria sind heute weit verbreitet. Zudem sind Quarantäne- oder verstärkte Hygienemaßnahmen in den Reservaten kaum umzusetzen. Die Wasserversorgung ist mangelhaft und überproportional oft fehlt es an einer Anbindung zur Kanalisation. Wenn den Eingeborenen nicht schnell geholfen wird, dann haben sie im Kampf gegen die Lungenkrankheit keine Chance. Sie brauchen einen Gesundheitsplan, Schulungen im Umgang mit Covid-19 und Feldkrankenhäuser in ihrer Nähe. Ihre unverhältnismäßig hohe Bedrohungslage bestätigte auch der UN-Expertenmechanismus für die Rechte indigener Völker. In einer Stellungnahme hieß es, die zunehmende Rezession und die Möglichkeit einer globalen Wirtschaftskrise lassen befürchten, „dass viele indigene Völker sterben werden, nicht nur am Virus selbst, sondern auch an den Konflikten und der Gewalt, die mit der Knappheit an Ressourcen, insbesondere von Trinkwasser und Nahrungsmitteln, verbunden sind“. Prominente aus aller Welt warnten in einem offenen Brief vor einem „Genozid“. 2) Frankfurter Allgemeine: Appell an Bolsonaro: Salgado fürchtet „Genozid“ in Brasilien; Artikel vom 30.04.2020
In den Provinzen des Amazonasbeckens gibt es aktuell 20.000 bestätigte Covid-19-Fälle. An den Außengrenzen der Reservate pflegen viele Dorfgemeinschaften einen regen Austausch mit den „weißen“ Nachbargemeinden. Um staatliche Leistungen zu beziehen, reisen Teile der indigenen Bevölkerung monatlich in die Städte. Goldgräber und Holzfäller dringen immer wieder illegal in Reservate ein, um sich an den Ressourcen des Regenwaldes zu bedienen. Gelegenheiten sich anzustecken, gibt es so mehr als genug. Im Vorteil könnten die Völker sein, deren Leben noch umfangreich dem alten Erbe entspricht. Sie greifen angesichts der Pandemie auf eine traditionelle Strategie zurück. In Kleingruppen ziehen sie sich in abgelegenere Bereiche ihrer Territorien zurück und warten dort, bis die Gefahr vorbei ist. Ungeachtet dieser Selbsthilfe: Es wäre ein Armutszeugnis für die ganze Region, wenn es den Regierungen nicht gelingt, die Verletzlichsten unter ihnen angemessen zu schützen. Mehr als das: der Umgang mit den traditionellen Gemeinschaften ist eine menschenverachtende Blamage. 3) Amerika21: Indigene Bevölkerung in Lateinamerika von Covid-19 existenziell bedroht; Artikel vom 23.05.2020 4) Frankfurter Allgemeine: Indigene Völker: „Wir sind in Gefahr“; Zuletzt aufgerufen am 11.05.2020
Fußnoten und Quellen:
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