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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Wie steht es um den Friedensprozess in Äthiopien?
Abiy Ahmed, der gegenwärtige Ministerpräsident Äthiopiens, wird oft als Hoffnungsträger für den afrikanischen Kontinent bezeichnet. Vor allem aus Europa wird er gelobt für seine Reformpolitik. Nur kurze Zeit im Amt, vermochte er das Unmögliche zu schaffen: Er schloss Frieden mit Eritrea. Bis zu seiner Unabhängigkeit 1993 gehörte Eritrea zu Äthiopien, fünf Jahre später brach ein Krieg zwischen den beiden Ländern aus, der rund 80.000 Opfer forderte. Äthiopien verlor durch die Sezession den Zugang zum Meer und damit eine wichtige Handelsanbindung. Offiziell beendet wurden die Kampfhandlungen zwar 2000, seitdem standen sich die Konfliktparteien jedoch feindselig gegenüber. Nach 18 Jahren Spannungen gelang es Abiy also den Frieden endgültig herzustellen, unter anderem dafür wurde er 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Gleichzeitig entließ er politische Gefangene und stellte die Pressefreiheit wieder her. Die Aussicht auf den Zugang zu den eritreischen Häfen am roten Meer dürfte aber auch eine wichtige Motivation hinter den Friedensbemühungen sein. Abiy Ahmeds Vorgänger im Amt, Hailemariam Desalegn, war nach langen und blutig niedergeschlagenen Protesten gegen die Regierung zurückgetreten. Als Abiy dann 2018 das Ministerpräsidentenamt übernahm, rechnete man kaum mit einem Umbruch. Der Vielvölkerstaat Äthiopien wurde jahrelang autoritär geführt und die Macht von einer einzigen ethnischen Minderheit dominiert. Auch aufgrund der Tatsache, dass der ehemalige Soldat Abiy als loyaler Funktionär des repressiven Systems galt und einst sogar in der äthiopischen Armee gegen Eritrea kämpfte, war ein Umbruch nicht vorhersehbar. 1)Neue Zürcher Zeitung: Der rätselhafte Abiy Ahmed – Artikel vom 23.11.2018 2)Zeit Online: Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed erhält Friedensnobelpreis – Artikel vom 11.10.2019 3)Deutschlandfunk: Äthiopiens neuer Premier Abiy Ahmed – Artikel vom 14.07.2018 4)Neue Zürcher Zeitung: Ein Jahr nach dem Friedensschluss zwischen Eritrea und Äthiopien ist Ernüchterung eingekehrt – Artikel vom 26.07.2019
In beachtlichem Tempo setzte er jedoch, entgegen aller Erwartungen, Reformen um. Vor allem wirtschaftlich gesehen waren diese Reformen bitter nötig, um Arbeitsplätze in dem 100-Millionen-Einwohner-Land zu schaffen. Die überraschende Wende und der Erfolg entging auch Europa nicht: Seit dem Amtsantritt statteten mehrere deutsche Politiker, darunter Außenminister Heiko Maas und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dem Land einen Besuch ab. Vor einigen Wochen erst besuchte Ursula von der Leyen Äthiopien zum Zweiten Mal binnen weniger Monate. Doch nicht nur die Europäische Union und die Bundesrepublik bemühen sich um eine gute Beziehung mit dem Land. Auch China sowie die Regionalmächte Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate buhlen um den Einfluss auf den afrikanischen Staat. Einerseits aufgrund des äthiopischen Absatzmarktes, andererseits aufgrund der strategisch wertvollen Lagen des Landes. Es liegt in unmittelbarer Nähe zum roten Meer und damit auch in der Nähe einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt und dem Transportweg für Güter nach Asien. Politikwissenschaftler wie Nicole Hirt, vom Leibniz-Institut für globale und regionale Studien in Hamburg, sehen den Einfluss dieser autokratischen Mächte als Gefahr und warnen vor einer Destabilisierung der Region. Vor allem seit dem Ausbruch des Iran-Konflikts hat die Einflussname auf Äthiopien und Eritrea enorm zugenommen. 2018 sicherten die Vereinigten Arabischen Emirate Äthiopien einen dringend benötigten Sofortkredit und Milliardeninvestitionen zu. Der Versuch, den Machtbereich auf die ehemals verfeindeten Länder auszuweiten, ist besonders militärischen Interessen geschuldet. So dienen mehrere Militärstützpunkte in Eritrea beispielsweise als Basis im Stellvertreterkrieg gegen den Staatsfeind Iran. Von dort aus fliegen die V.A.E Luftangriffe im Jemen auf Stellungen der von Teheran unterstützten Huthi-Rebellen. Der Friedensschluss durch die Golfmächte mit der lokalen Ordnungsmacht Äthiopien soll die US-gestützte Anti-Iran-Achse stärken und eine iranische Präsenz am Roten Meer verhindern. 5)Tagesspiegel: Lage in Äthiopien und Eritrea braucht unsere Aufmerksamkeit – Artikel vom 19.04.2020 6)Deutschlandfunk: Äthiopiens neuer Premier Abiy Ahmed – Artikel vom 14.07.2018
Nicht nur der Einfluss autokratischer Mächte lässt die Stabilität des Landes ins Wanken geraten, auch die Umsetzung des Friedensvertrages zwischen Eritrea und Äthiopien scheint derzeit lahmgelegt. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit und der Handel zwischen beiden Ländern liegen praktisch brach, die Grenzübergange sind weitestgehend wieder geschlossen. Auch innenpolitisch flammen alte Konfliktherde erneut auf. Bei Zusammenstößen zwischen verschiedenen ethnischen Volksgruppen und Protesten gegen die Regierungen wurden im Oktober letzten Jahres 67 Menschen getötet. 7)Welt: Der Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea – Artikel vom 11.10.2019 8)Der Tagesspiegel: Blutige Unruhen im Land des Friedensnobelpreisträgers – Artikel vom 25.10.2019
Von der anfänglichen Euphorie über den Umbruch ist wenig geblieben. Der Friedensprozess hat mittlerweile deutlich an Dynamik verloren und ist ins Stocken geraten. Deshalb wird die Forderung verschiedener deutscher Poilitker*innen im Bundestag und Politikwissenschaftler*innen laut, die Reformpolitik von Abiy Ahmed zu unterstützen. Dabei sollen sich die EU und die Bundesrepublik als Vermittler anbieten, um die Vereinbarungen des Friedensvertrages umzusetzen. Zuerst müsste es Abiy jedoch gelingen, ethnische Konflikte in dem Land beizulegen, um den Friedensprozess nachhaltig vorantreiben zu können. Unterstützung der Europäischen Union ist auch insofern wichtig, als dass man durch Nicht-Handeln den arabischen Golfmonarchien das Feld überlassen würde. Sollte Deutschland und die EU die Friedensprozesse also nicht unterstützen, würde das womöglich zu einer Machtausbreitung der Kriegskoalition Saudi-Arabien und der Vereinigten Arabischen Emirate auf Äthiopien und Eritrea führen, was wiederum dem Jemen-Krieg und dem Konflikt um die Regionalmacht mit dem Iran neuen Zündstoff geben und zu erneuten Fluchtbewegungen führen könnte. 9)Giga Fokus Afrika: Der Unvollkommene Frieden – Geostrategische Machtkämpfe am Horn von Afrika – Artikel vom 01.10.2019 10)Tagesspiegel: Lage in Äthiopien und Eritrea braucht unsere Aufmerksamkeit – Artikel vom 19.04.2020
Fußnoten und Quellen:
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