Trauriges Resümee des Friedensvertrags in der Zentralafrikanischen Republik
Die Zentralafrikanische Republik (ZAR) ist ein sehr reiches Land mit einer sehr armen Bevölkerung. Ihr Reichtum liegt im Boden versteckt – Gold, Uran und Diamanten, mit einem geschätzten Wert von 1,4 Milliarden Euro. Sie bringen der Bevölkerung seit Jahrzehnten nur Elend. Seit ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1960 ist die Zentralafrikanische Republik von Konflikten zerrüttet. Im Zentrum der Konflikte stehen religiöse Spannungen zwischen den muslimischen und christlichen Volksgruppen des Landes, sowie die Kontrolle über die Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe. 1) schatzwert: Zentralafrikanische Republik; Stand 05.2014
Es gibt Hoffnung auf politischer Stabilisierung
Im Frühjahr 2013 stürzte die Seleka, eine mehrheitlich muslimische Rebellenallianz die Regierung des Präsidenten François Bozizé. Daraufhin bildeten Regierungsanhänger, vorranging Christen, eine Gegenmiliz, die Anti-Balaka. In den folgenden Jahren kam es zu einem blutigen Religionskrieg mit Tausenden zivilen Opfern. Auch wenn dieser Bürgerkrieg die humanitäre Situation in der Bevölkerung stark verschlechtert hat, ist er nicht die Ursache der Armut in der ZAR, sondern der Effekt eines tiefer liegenden Problems. Die Zentralafrikanische Republik ist politisch extrem instabil. Von der Unabhängigkeit bis zum Jahr 2016 gab es keine demokratische Regierung. Vetternwirtschaft, Korruption und die Ausbeutung der Rohstoffe zum eigenen Machterhalt sind Normalität.
Auf den ersten Blick scheint sich die politische Situation in den letzten Jahren stabilisiert zu haben. Faustin Archange Touadera wurde im Februar in halbwegs demokratischen und freien Wahlen zum Präsidenten ernannt. Auch wenn dies ein Schritt in die richtige Richtung darstellt, ist es kein Neuanfang. Präsident Touadera war bereits Teil der vorherigen Regierung des Landes und damit an der systematischen Korruption beteiligt. 2) SZ: UN warnen vor Völkermord in Zentralafrikanischer Republik; Stand 08.08.2017 Die Hoffnung auf Frieden und Stabilität konnte die Regierung bisher nicht erfüllen. Das staatliche Gewaltmonopol erstreckt sich nur auf einen kleinen Teil der Fläche des Landes. Dies bedeutet, dass die Regierung zwar Gesetze erlassen kann, sie aber nur in etwa 20 Prozent der Landesfläche, rund um die Hauptstadt Bangui, durchsetzen kann. Der Rest des Landes wird von Rebellen kontrolliert. 3) Le Monde: Blauhelme außer Kontrolle; Stand 13.09.2018 4) SZ: UN warnen vor Völkermord in Zentralafrikanischer Republik; Stand 08.08.2017
Am 6. Februar 2019 wurde ein Friedensabkommen von der Regierung und 14 bewaffneten Gruppen unterzeichnet. Zu dessen Überwachung ist ein Exekutivausschuss einberufen worden, der auf Verstöße von beteiligten Parteien hinweist. Im Abkommen selbst ist die Rede davon, dass Verstöße gegen das Abkommen mit Sanktionen geahndet werden. Welche Art von Sanktionen konkret angewendet werden, ist nicht definiert. Damit ist es nicht überraschend, dass noch immer Übergriffe gegen Zivilisten stattfinden und illegale Steuern vor Ort erhoben werden. Dennoch ist festzustellen, dass die Gewalt abgenommen hat. 5) DW: Keine militärische Lösung für die ZAR; Stand 12.09.2019
Die humanitäre Situation ist weiterhin katastrophal
Durch die ineffektive Regierung ist die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Gütern in weiten Teilen des Landes nicht möglich. Das Bildungs- und Gesundheitssystem sowie die Infrastruktur sind in einem desolaten Zustand. Bewaffnete Gruppen halten immer noch Regionen besetzt. Diese befinden sich vor allem in der Nähe von Rohstoffabbaugebieten. Damit fehlt einem großen Teil der lokalen Bevölkerung Zugang zu ihrem eigenen Ackerland. Dies hat zur Folge, dass sie keine Lebensmittel anbauen können, um ihre Familien zu versorgen. Von den fünf Millionen Einwohnern der Zentralafrikanischen Republik benötigen aktuell 1,8 Lebensmittelhilfe, da sie sich in akuter Ernährungsunsicherheit befinden. 6) International Rescue Comittee: Zentralafrikanische Republik; Stand 30.04.2020Der Friedensvertrag zeigt bisher nur eine geringfügige Wirkung auf die humanitäre Situation. Durch ihn hat sich die Anzahl der Menschen, die an extremer Armut leiden, von 800.000 auf 600.000 reduziert. Die verbesserte Sicherheitslage ermöglicht es den Menschen, sich auch außerhalb des Gebiets um die Hauptstadt zu bewegen, allerdings gibt es immer noch viele Binnenflüchtlinge, die nicht auf ihr Land zurückkehren können. Solange sich dies nicht ändert, ist keine deutliche Verbesserung der Lage für die Bevölkerung zu erwarten. 7) Welthungerhilfe: Krise in Zentralafrika: „Unser Land kann uns ernähren“; Stand 01.2020
Im Jahr 2019 war die Zentralafrikanische Republik auf Platz 188 von 189 des Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen. Dieser misst den Entwicklungsstand eines Landes mittels der Komponenten Lebenserwartung, Ausbildung und Kaufkraft. Dabei sind alle Werte ein Durchschnitt der ganzen Bevölkerung des Landes. Einkommensunterschiede innerhalb der Bevölkerung werden nicht beachtet. Wenn sich wenige durch die Ausbeutung von Rohstoffen bereichern, erhöht das die Kaufkraft des Landes im HDI, ohne dass dies repräsentativ für den Großteil der Bevölkerung ist. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Bürgers der Zentralafrikanischen Republik liegt bei 52 Jahren. Das sind 29 Jahre weniger, als der durchschnittliche Bürger in Deutschland lebt. 8) UN: 2019 Human Development Index Ranking; Stand 2019 9) bpb: Human Development Index (HDI); Stand 17.09.2008
Ehemalige Kolonialmacht Frankreich hält die ZAR in Abhängigkeit
Die Zentralafrikanische Republik war bis zum Jahr 1960 eine französische Kolonie. Seitdem ist sie offiziell unabhängig, Frankreich prägt allerdings weiterhin die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Die Eingriffe in die Souveränität der ZAR sind so weitreichend, dass Frankreichs Verhalten als neokolonial bezeichnet werden kann. 10) Deutschlandfunkkultur: Frankreich will seine Afrikapolitik ändern; Stand 06.12.2013 Die wirtschaftliche Ausbeutung hängt noch direkt mit der Kolonialzeit zusammen. Als Gegenleistung für ihre Unabhängigkeit wurden der ZAR Verträge aufgezwungen, die französischen Firmen bevorzugten Zugang zu den Ressourcen des Landes ermöglichen – weit unter Weltmarktpreis.Das wichtigste Instrument der wirtschaftlichen Kontrolle ist allerdings der Franc CFA, der Franc für die „Colonies francaises d’afrique“, die französischen Kolonien Afrikas. Dieser wird unter anderem noch von der Zentralafrikanischen Republik verwendet. Die einzige Veränderung im Vergleich zur Kolonialzeit ist, dass CFA heute für „Communauté Financière d’Afrique“ – Finanzgemeinschaft Afrikas steht. Die wirtschaftliche Ausbeutung durch die Währung hat sich seit der Kolonialzeit nicht verändert. Keine Währung der Welt wird so stark fremdbestimmt wie der Franc CFA. Der Wechselkurs ist an den Euro gebunden und außerdem hat Frankreich das alleinige Recht, die Währung auf- oder abzuwerten. Hier findet sich eine der Ursachen für die extreme Armut in der Zentralafrikanischen Republik. Es ist in Frankreichs Interesse, den Franc CFA als starke Währung im Vergleich zum Euro zu erhalten. Dieser Wechselkurs wirkt sich in der ZAR wie eine Subvention auf Importe und eine gleichzeitige Steuer auf Exporte aus. Darum findet man auf dem Markt in Bangui europäische Secondhand-Kleidung statt afrikanischer Kleidung. Es gibt keine eigenständige Textilindustrie in Ländern mit dem Franc CFA, da die Produktion im Land immer teurer ist, als der, durch den starken Wechselkurs subventionierte, Import. Auf Dauer hat diese Dynamik ein negatives Außenhandelsgleichgewicht zur Folge. 11)Deutschlandfunk: Frankreich und der unsichtbare Kolonialismus; Stand 20.12.2018 Um sich die Situation besser vorzustellen, kann man die ZAR als ein Unternehmen betrachten, die Importe sind Einkäufe und die Exporte Verkäufe. Unser ZAR Unternehmen gibt mehr Geld für Einkäufe aus, als es für seine Verkäufe erhält, damit macht es kontinuierlich Schulden, für die es Zinsen zahlen muss, was seine Bilanz weiter verschlechtert. Das Unternehmen kann aber auch nicht einfach mit der Produktion aufhören, da es weiterhin Einnahmen benötigt, um die alten Schulden abzubezahlen. Außerdem will es seine Mitarbeiter nicht entlassen, da sie auf ihren Lohn angewiesen sind. Das ist die Situation in der ZAR, die lokale Industrie wurde verdrängt und damit ist die Bevölkerung auf Importe angewiesen, die das Land immer weiter in den Ruin treiben. Um weiter die Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen, muss die ZAR hohe Schulden aufnehmen, deren Zinsen das Außenhandelsdefizit weiter wachsen lassen. Eine Abwertung des Franc CFA würde der ZAR enorm helfen, durch die Fremdbestimmung der Währung ist dies aber die alleinige Entscheidung Frankreichs.
Fußnoten und Quellen:
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