![Humanitäre Krise im Südsudan: Tausende Menschen flüchten derzeit vor dem Konflikt. Vor allem Frauen und Kinder sind sexueller Gewalt ausgesetzt. | Bild: "South Sudan" © World Humanitarian Summit [CC BY-ND 2.0] - flickr Humanitäre Krise im Südsudan Humanitäre Krise im Südsudan: Tausende Menschen flüchten derzeit vor dem Konflikt. Vor allem Frauen und Kinder sind sexueller Gewalt ausgesetzt. | Bild: "South Sudan" © World Humanitarian Summit [CC BY-ND 2.0] - flickr](https://www.fluchtgrund.de/files/2020/03/SXXdsudan1-713x475.jpg)
Humanitäre Krise im Südsudan: Tausende Menschen flüchten derzeit vor dem Konflikt. Vor allem Frauen und Kinder sind sexueller Gewalt ausgesetzt. | Bild: "South Sudan" © World Humanitarian Summit [CC BY-ND 2.0] - flickr
Südsudan – Ein brodelnder Krisenherd
Der Südsudan – ein Land der Rekorde. Das Land stellt gleich zwei davon auf: Es ist das jüngste Land und, neben Somalia, das korrupteste Land der Erde. Erst seit 2011 wird dem Südsudan, unabhängig vom Sudan, der Status als offizielles Land zu teil. Einen Welpenschutz genoss es trotz seines jungen „Alters“ nicht. Das wird vor allem deutlich, wenn man sich den Korruptionsindex von 2019 anschaut: Dort, belegt es sogar noch hinter Syrien, den 179. Platz von 180 aufgeführten Ländern. 1)Sueddeutsche: Den Krieg gewonnen, den Frieden verloren – Artikel vom: 12.01.2020 2)Transparency: Corruption Perceptions Index 2019 – zuletzt aufgerufen am: 26.03.2020
Erst vor einigen Wochen wurde das Konfliktpotenzial, das im Land vorherrscht, wieder deutlich. In der Stadt Pibor, die im Nordosten des Südsudan liegt, kam es zu innerstaatlichen Konflikten zwischen verschiedenen ethnischen Minderheiten. Dabei wurden Hunderte Zivilisten verletzt, Tausende flohen vor den Pressionen und Gräueltaten und verließen ihre Heimat. Die UN schätzt, dass etwa 200 Frauen und Kinder Opfer sexueller Gewalt und von Übergriffen wurden. Hintergrund der Gewalttätigkeit ist eine blutige Auseinandersetzung zwischen den Bevölkerungsgruppen der Lou Nuer, Murle und Dinka. Dieser ethnische Konflikt hält die Bevölkerung schon seit der Unabhängigkeit des Landes in Atem. Die Brutalität der Konfrontationen ist kaum nachvollziehbar, immer wieder kommt es zu Massakern. Insgesamt sind über 2 Millionen Menschen aus dem Südsudan in Nachbarstaaten oder die EU geflohen, über 2 Millionen Weitere sind Binnenvertriebene. 3)Der Tagesspiegel: Südsudan – 3000 Tote für ein paar Tausend Rinder – Artikel vom 07.01.2012 4)Spiegel: Südsudan – Die blutige Rache der Lou Nuer -Artikel vom 06.01.2012 5)The New Humanitarian: Thousands flee clashes in Southsudan – Artikel vom 17.03.2020 6)UN News: UN Rights chief urges South Sudan authorities to adress inter-communal violence – Artikel vom 20.03.2020 7)Malteser: Bürgerkrieg im Südsudan: Millionen Menschen sind Flüchtlinge im eigenen Land – zuletzt aufgerufen am 26.03.2020
Doch worauf beruhen die gewalttätigen Auseinandersetzungen und warum gelingt es der Regierung nicht solche Gemetzel zu verhindern? Die Antwort auf diese Frage ist vielschichtig und man muss sich dafür einen historischen Überblick über die Ereignisse der letzten Jahre verschaffen. 2013, zwei Jahre nach der Unabhängigkeit Südsudans, brachen parteiinterne Machtkämpfe in der militarisierten Regierungspartei Sudan People’s Liberation Movement (SPLM) aus. Politiker*innen der SPLM waren unzufrieden mit der Regierungsarbeit des Präsidenten Salva Kiir und wollten ihm die Präsidentschaft beim nächsten Parteitag aberkennen. Als Antwort darauf entließ Kiir, welcher der Bevölkerungsgruppe der Dinka angehört, viele hochrangige Politiker*innen seiner eigenen Partei aus ihren Ämtern und bezichtigte seinen damaligen Vizepräsidenten Riek Machar, welcher wiederum den Lou Nuer angehört, eines politischen Putsches. Daraufhin brach ein bewaffneter Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Land aus. 400.000 Menschen fielen dem Krieg zum Opfer. Über vier Millionen Menschen, das enspricht einem Drittel der Bevölkerung, waren 2017 auf der Flucht vor den noch immer anhaltenden Konflikten. Der Konflikt, der anfangs auf die Hauptstadt Juba und innerhalb der Regierung konzentiert war, hat sich im Laufe der Zeit weitestgehend dezentralisiert und sich auf die verschiedenen Regionen des Landes verbreitet. Die brutalen Auseinandersetzungen sind schon lange kein Zweikampf mehr zwischen Kiir und Machar oder Dinkas und Lou Nuers, sondern eine extrem unübersichtliche Feindschaft zwischen verschiedenen Ethnien mit verschiedenen Zielen, die teils auf nationaler oder lokaler Ebene agieren. 8)The New Humanitarian: South Sudan’s new Coalition Government – third time lucky? – Artikel vom 21.03.2020 9)Friedrich Ebert Stiftung: Ein Konflikt um politische Legitimität im Südsudan – zuletzt aufgerufen am 26.03.2020
An dieser Tatsache scheiterte auch ein angestrebtes Friedensabkommen 2015, das vor allem durch die internationale Staatengemeinschaft vorangetrieben wurde. Durch eine Machtteilung erhoffte man sich die Feinseligkeiten beenden zu können. Da man von einem politischen Zweikampf ausging, verpasste man es, andere konfliktbeteiligte Bevölkerungsgruppen an den Verhandlungstisch zu holen und sie an der Regierungsbildung zu beteiligen. Dadurch sahen sich viele von ihnen ermutigt, mit Gewalt für ihre Ziele zu kämpfen. Diese Marginalisierung lokaler Gruppen nutzten politische Eliten aus und rekrutierten lokale Milizen für ihre eigenen Zwecke. Dieses Vorgehen prangerte auch die UN Kommission für Menschenrechte an. Politiker*innen sollen bewaffnete Gruppen angestiftet und mobilisiert haben, um schon bestehende Auseinandersetzungen anzuheizen. Im Februar dieses Jahres kam es zu einer scheinbaren Einigung im langjährigen Konflikt zwischen Kiir und Machar. Teil eines schon 2018 verabschiedeten Friedensabkommens war es, eine Einheitsregierung zwischen den beiden verfeindeten politischen Parteien zu etablieren. Nachdem dieses Vorhaben zweimal aufgrund von Differenzen der beiden Parteien scheiterte und verschoben wurde, kam es nun zu einer Formierung einer Übergangsregierung, wie es sie schon 2012 gab. Das heißt konkret: Salva Kiir bleibt Präsident und Riek Machar wird wieder Vizepräsident. Das ist exakt die gleiche Konstellation und Ausgangslage, die den Bürgerkrieg auslöste. 10)Friedrich Ebert Stiftung: Ein Konflikt um politische Legitimität im Südsudan – zuletzt aufgerufen am 26.03.2020 11)Aljazeera: Uncertainty as deadline for South Sudan Unity Government looms – Artikel vom 18.02.2020
Die Regierungsbildung wurde überschattet von einem Bericht der UN, in dem die Kommission für Menschenrechte dem Präsidenten und seinen Regierungsangehörigen vorwarf, staatliche Einnahmen in Millionenhöhe in die eigene Tasche gesteckt zu haben und damit wissentlich den Hungertod vieler Südsudanesen in Kauf genommen zu haben. Michelle Bachelet, die UN-Menschenrechtskommissarin, äußerte sich kritisch: Auch wenn die neue Regierungsbildung Hoffnung für die südsudanesische Bevölkerung birgt, Frieden kann nur langfristig gewährt sein, wenn innerstaatliche und inter-kommunale Gewalt adressiert wird und Verantwortliche für die grausamen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft gezogen werden. Deshalb wurde das Mandat der UNMISS von der Bundesregierung bis zum 31.März 2021 verlängert. Dabei wird der Einsatz von 50 deutschen Soldatinnen und Soldaten erlaubt. Aufgabe der UNMISS soll es sein, die Region zu stabilisieren und den Friedensprozess im Land zu unterstützen. In der Vergangenheit wurde der UNMISS immer wieder Handlungsunfähigkeit vorgeworfen. Die Vereinten Nationen selbst haben die Mission in einem Bericht harsch kritisiert: Die Blauhelmsoldaten sollen nicht fähig sein, Zivilisten und UN-Mitarbeiter zu schützen. Frauen sollen in Sichtweite der UN-Truppen angegriffen worden sein, doch die Soldaten blieben untätig. Man wirft der Mission mangelnde und chaotische Führung vor. Man darf bei all der Kritik natürlich nicht vergessen, dass die Soldaten vor einer Herkulesaufgabe stehen. 12)UN News: UN Rights chief urges South Sudan authorities to adress inter-communal violence – Artikel vom 20.03.2020 13)Presse und Informationsamt der Bundesregierung: Bundeswehreinsätze im Sudan verlängert – zuletzt aufgerufen am 26.03.2020 14)Zeit: Südsudan – UN bescheinigen Blauhelmtruppen Versagen – Artikel vom 01.11.2016
Den Blauhelmen kommt eine große Verantwortung zu: Die Mission der Vereinten Nationen soll für die Zivilbevölkerung einen sicheren Hafen darstellen, Schutz bieten vor all der Gewalt und der Gräueltaten, denen sie tagtäglich ausgesetzt sind. Die Mission gibt vielen Menschen einen Hoffnungsschimmer. Die Bundesregierung trägt deshalb, mit der Verlängerung des Mandats, eine immense Verantwortung, die Menschen nicht zu enttäuschen.
Ein weiterer Aspekt, der Raum für Kritik offen lässt, ist das Engagement Deutschlands im Südsudan sowie Sudan in der Vergangenheit. 2011 haben die Bundesregierung und andere westliche Staaten sich entschlossen, die Abspaltung des Südens vom Rest des Landes zu unterstützen. Dabei standen eigene geopolitische Interessen im Vordergrund. Der Sudan war eines der rohstoffreichsten Länder mit immensen Erdölvorkommen. Die Zentralregierung in Khartum war gegenüber dem Westen nicht kooperationswillig. Ressourcenreich war der damalige Sudan aber hauptsächlich im Süden. Durch die strategische Unterstützung einer Sezession, erhoffte man sich so an die Erdölvorkommen zu gelangen. 15)German Foreign Policy: Aus den Einsatzgebieten der Bundeswehr – zuletzt aufgerufen am 26.03.2020 Ein humanitäres Engagement und Agieren Deutschlands und westlicher Staaten im Südsudan ist also auch aufgrund geopolitischer Aspekte kritisch zu hinterfragen.
Fußnoten und Quellen:
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