![Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] - Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -](https://www.fluchtgrund.de/files/2021/07/was_bringt_menschen_dazu-713x628.png)
Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Renten und Pensionen befeuern den Klimawandel weiter
In Zeiten unsicherer Altersvorsorge sehen sich viele nach Alternativen zum staatlichen Rentensystem um. Nicht selten fällt der Blick dabei nach Norwegen. Das skandinavische Land betreibt dafür einen Staatsfond, den größten der Welt mit eine halben Billion Dollar. Die zuständigen Analysten vertreten die Interessen des gesamten norwegischen Volkes, der Reichtum soll so auch für künftige Generationen gesichert werden. Es handelt sich um einen Auslandsfond, der Anteile an mehr als 9000 Unternehmen besitzt, insgesamt etwa 1,5 Prozent aller globalen Aktien. Inzwischen belaufen sie sich vor allem auf die Firmen Apple, Amazon und Microsoft. Daneben stecken Milliarden in US-amerikanischen, japanischen und deutschen Staatsanleihen sowie Immobilien, die der norwegische Staat weltweit erworben hat, meist in bester Lage. 1) 3sat: Geld oder Moral; nicht mehr verfügbar
Doch auch der norwegische Staatsfond steht in der Kritik. Nicht nur, weil die Ursprünge des Geldflusses auf dem hohen Ölvorkommen des Landes beruhen. Der Großteil des Wohlstandes dort basiert somit darauf, dass Norwegen einen unverhältnismäßig großen Anteil zum Klimawandel beiträgt. Der Staatsfond ermöglicht es dem Staat zwar auf Dauer die Abhängigkeit von Öl und Gas zu verringern und die ausgehende Ressource zu kompensieren, doch entstehen dabei neuen Probleme. Noch bis zum Jahr 2016 wurde auch in die Unternehmen Airbus und Boing investiert, die beide an der Herstellung von Massenvernichtungswaffen beteiligt sind. Aufgrund von Verletzungen der Arbeitnehmerrechte mussten die Beteiligungen in Walmart beendet werden. Aus insgesamt 66 Unternehmen zog sich der Fond aus ethischen Bedenken und wegen massiver Kritik zurück. Dennoch werden viele der Renditen immer noch durch klimaschädliche Investitionen erzielt, obwohl dagegen seit 2015 ein Beschluss des Parlaments vorliegt. Bisher wurde sich von keinem Unternehmen aufgrund von Klimaschädlichkeit getrennt, Kriterien diesbezüglich festzulegen und anzuwenden sei zu kompliziert. So wird weiterhin in Firmen investiert, welche ihren Gewinn maßgeblich aus Kohleproduktion oder -verbrennung erzielen. Allein 5,5 Milliarden Dollar im Jahr 2019, 700 Millionen mehr als noch im Vorjahr. Folglich wird die Klimabilanz aller Unternehmen, an denen der Fond beteiligt ist auf ein Treibhauspotential von 108 Millionen Tonnen CO2 beziffert, es stieg seit letztem Jahr sogar noch an. Norwegen ist dabei kein Einzelfall: Auch der dänische Pensionsfond hat vor fünf Jahren umgerechnet etwa 47 Millionen Euro aus Renten und Steuergeldern der Bevölkerung in ein Bergbauprojekt in Armenien investiert. Dieses war in solchem Maße umweltschädlich, dass ein Fluss und in Folge dessen die gesamte Region vollkommen verschmutzte. Ungefähr 100 Hektar Wald wurden für den Bau gefällt. Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gab den enteigneten Landwirten recht, der Fond zog sich daraufhin zurück. 2) taz: Zu viel Kohle durch Kohle; Artikel vom 04.03.20 3) Wohlstand für alle: Aktien als Altersvorsorge?; Podcast vom 06.11.19
Auch wenn es in Deutschland keine staatlichen Rentenfonds gibt, investieren auch hierzulande Pensionskassen in zweifelhafte Projekte. Aufmerksamkeit erregte die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (ÄVWL). Diese ist seit kurzem mit 100 Millionen US-Dollar an Fonds beteiligt, die im Norden Brasiliens Geschäfte mit Ackerland betreiben. Auch von deutschen Politikern wird diese Finanzierungsmöglichkeit genutzt. Nachdem die Altersvorsorge der Stuttgarter Landtagsabgeordneten reformiert wurde traten sie dem Versorgungswerk für Abgeordnete der Landtage Nordrhein-Westfalen und Brandenburg bei. Dieses arbeitet eng mit der ÄVWF zusammen und überlässt ihr die Verwaltung der Beiträge. Selbst wenn die Fonds nicht direkt an der Vertreibung örtlicher Bevölkerung interessiert sind, fördern sie dennoch diese Entwicklung. Vor allem von Bodenspekulationen und steigenden Grundstückspreisen profitieren diese enorm. Das geht aus einer Studie der Menschenrechtsorganisation Foodfirst Informations- und Aktionsnetzwerk (FIAN) hervor. Demnach begünstigen derartige Investitionen die Vertreibung ganzer Gemeinden und Kleinbauern, Böden und Gewässer werden durch die industrielle Landwirtschaft und Agrarchemikalien kontaminiert, es entstehen zunehmend Monokulturen. Weltweit investieren Pensionskassen über 40 Billionen Dollar in Ackerland, vor allem seit der Finanzkrise. So ist der größte Eigentümer von Land der Welt der US-amerikanische Rentenfond für Lehrer. 4) Kontext: Üppige Renten dank Landraub; Artikel vom 12.02.20 5) amerika21: Deutsche Pensionskasse für Ärzte an Rodung in Brasilien beteiligt; Artikel vom 18.12.19
Es wird klar, dass international investierende Pensionsfonds ihren ethischen Maßstäben selten gerecht werden können, erweitert man sein Blickfeld über nationale Grenzen hinweg. Das Konzept beruht derweil immer noch weitestgehend auf der Investition in Unternehmen. Diese mögen inzwischen nicht mehr an der Herstellung von Massenvernichtungswaffen beteiligt sein, sie sind jedoch selten ernsthaft daran interessiert sich für Menschenrechte oder Umweltschutz einzusetzen. Die Fonds zur Finanzierung von Pensionen und Renten in Europa und den USA werden vor allem aufgrund von Ausbeutung immer größer. Für niedrigen Lohn arbeiten die Menschen in ärmeren Gebieten der Welt nicht nur für unseren günstigen Konsum und große Gewinne weniger Unternehmen, sondern auch für eine Altersvorsorge hierzulande. Investitionen fließen zudem im großen Stil in umweltschädliche Projekte. Die Kosten für eine sichere Rente tragen vor allem Menschen, denen ihre Lebensgrundlage entzogen wird. Neben lokalen Folgen wie Rodungen, Enteignungen oder Verschmutzungen sowie der Vertreibung der Bevölkerung wird auch der Klimawandel weltweit weiter angeheizt.
Fußnoten und Quellen:
Keine Kommentare