Nigeria: Die Klimakrise ist ein Katalysator für innerstaatliche Konflikte
Laut einer Studie sind Menschen in Konfliktregionen oftmals verwundbarer für neue Bedrohungen wie den Klimawandel. Wenn Umweltkrisen auf Staaten treffen, die von Korruption, innerstaatlichen Konflikten oder Misswirtschaft gekennzeichnet sind, dann trägt das besonders zur Instabilität des Landes bei. Das ist eine doppelte Belastung für schwache Staaten.
Während die Aufmerksamkeit für den Klimawandel – dank sozialer Bewegungen und einer öffentlichen Debatte über die verheerenden Auswirkungen – gestiegen ist, bleiben die humanitären Folgen der Krise für Konfliktregionen oftmals unbeachtet in diesem Zusammenhang. Wissenschaftler des britischen Overseas Development Institute haben deshalb in einer Studie den Zusammenhang zwischen den Folgen des Klimawandels und den Konfliktpotentialen eines Landes untersucht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Instabilität eines Landes und der Zahl der Menschen, die in Folge einer Naturkatastrophe verletzt oder getötet wurden. Demnach stammen fast ein Drittel der Todesopfer aus besonders fragilen Ländern wie den Sahelstaaten, Afghanistan, Somalia, Jemen oder Haiti. Allerdings erhalten die betroffenen Staaten nur circa ein Zehntel der internationalen Hilfsgelder, die für die Anpassung der Folgen des Klimawandels vorgesehen sind. Damit sind die ohnehin schon geschwächten Staaten oftmals sich selbst überlassen und haben keine Chance den Folgen der Naturkatastrophen entgegen zu wirken. 1)Overseas Development Institute: Double Vulnerability – The humanitarian implications of intersecting climate and conflict risk – Artikel vom 01.03.2018 2)Overseas Devlopment Institute: Climate Change, Conflict and Security Scan – Artikel vom 01.11.2018
Wissenschaftler sind sich einig: Der Klimawandel erzeugt bisweilen keine neuen Kriege, wirkt aber als Verstärker und Katalysator für bereits bestehende Konflikte. In Regionen, die bedroht sind von extremer Armut, knappen Ressourcen, Terrorismus oder extremen Ideologien, wirkt der Klimawandel wie ein Brandbeschleuniger. So zum Beispiel auch in Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas. Seit mehr als 15 Jahren herrscht dort ein blutiger Konflikt zwischen Viehzüchtern und Kleinbauern, der insgesamt 60.000 Todesopfer gefordert hat, das ist viermal so viel wie durch die Terrororganisation Boko Haram. Durch die Erderwärmung vertrocknen die Weidegründe vieler Viehzüchter, die sich auf die Suche nach neuem Ackerland machen müssen. Gleichzeitig sind aber auch die durch den Klimawandel vertriebenen Kleinbauern auf der Suche nach fruchtbaren Feldern. Eine Auseinandersetzung zwischen beiden Parteien ist somit vorprogrammiert. Fast 80 Prozent der Bevölkerung im Nordosten Nigerias sind Bauern oder Hirten. Die anhaltenden Dürreperioden und Wasserknappheit in Folge des Klimawandels bedrohen ihre Lebensgrundlage. Analog dazu führen die zahlreichen Naturkatastrophen, wie extreme Überschwemmungen, zu einer immensen Armut in der Bevölkerung. In Kombination mit einer hohen Analphabeten Quote von 30 Prozent wird damit ein Nährboden für die Propaganda terroristischer Gruppierungen geschaffen. Genau diese extremistischen Organisationen, wie Boko Haram, profitieren von der hohen Armutsrate, denn die Menschen sind oft anfälliger für Rekrutierungen. 3)Deutsche Welle: Klimawandel als Konfliktkatalysator – Artikel vom 06.11.2017 4)Deutschlandfunk: Nigeria – Wenn der Klimawandel zuschlägt – Artikel vom 09.04.2018 5)Welt in Zahlen: Ländervergleich – zuletzt aufgerufen am 12.03.2020 6)Euractiv: Der Konflikt wird in erster Linie durch den Klimawandel ausgelöst – Artikel vom 16.09.2019 7)Bayrischer Rundfunk: Klimawandel in Nigeria: Flut, Dürre, Migration – Artikel vom 04.11.2016
Staaten wie Nigeria gelten als Brennpunkt des Klimawandels: Laut des IPCC könnte die Durchschnittstemperatur dort bis Ende des Jahrhunderts um drei bis sechs Grad Celsius steigen. Vor allem die Situation am Tschadsee im Norden des Landes ist besorgniserregend. In den 1960er Jahren war der See mit 25.000 quadratkilometer der größte Binnensee Afrikas. Inzwischen ist er um knapp 90 Prozent geschrumpft. Das hat nicht nur für das Ökosystem verheerende Folgen. Aufgrund der Wasserknappheit sind die Menschen gezwungen in südlichere Gebiete zu fliehen. Auch die Terroranschläge der Boko Haram drängen die Menschen aus ihrer Heimat. Die Anzahl der Binnenvertriebenen ist immens: Fast 2,6 Millionen Menschen sind auf der Flucht in ihrem eigenen Land. Ein indirekter Zusammenhang zwischen dem Klimawandel, Konflikten und Migration ist damit unweigerlich gegeben. 8)Oxfam: Wenn die Wüste kommt – Artikel vom 01.02.2017 9)Caritas: Nigeria – Eine Chance auf die Rückkehr – nicht mehr verfügbar
In Zukunft wird sich der Klimawandel auf die Regionen am verheerendsten auswirken, in denen ärmere Menschen leben und die Staaten heillos überfordert sind mit den humanitären Auswirkungen der Naturkatastrophen. Damit wird die Klimakrise, neben den oft irreversiblen Umweltschäden, auch zu gewalttätigen Konflikten und beträchtlichen Migrationsbewegungen führen. Nun ist es aber so, dass der Großteil der Emissionen, die für den Klimawandel verantwortlich sind, von den Industriestaaten ausgestoßen wird. Die folgenschweren Konsequenzen tragen aber nicht wir, die Verursacher, sondern hauptsächlich die Staaten des Globalen Südens, die nur einen Bruchteil der Co2-Emissionen erzeugen. Gerade deshalb tragen die Industriestaaten eine globale Verantwortung im Kampf gegen den Klimawandel.
Natürlich liefern die Folgen des Klimawandels keine monokausalen Erklärungen für innerstaatliche Auseinandersetzungen, dennoch sind sie ein Teil vieler verschiedener Faktoren, die einen Konflikt auslösen. Bekämpft man also den Klimawandel, verringert man das Risiko für Umweltkrisen in schwächeren Ländern und somit auch das innerstaatliche Konfliktpotential hinsichtlich Ressourcenknappheit, welche die Lebensgrundlage der Menschen bedroht.
Fußnoten und Quellen:
Keine Kommentare