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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Burkina Faso: Terror, Klimawandel, Flucht – Ein Land im Abwärtstrend
Fast ausgeschlossen von der Weltöffentlichkeit verschlechtert sich in Burkina Faso die Sicherheitslage dramatisch und die humanitäre Situation spitzt sich katastrophal zu. Islamistischer Terror, Armut, wirtschaftliche Ungleichheit und der Klimawandel hinterlassen ihre Spuren. In der gesamten Sahelzone gerät die Situation, trotz militärischer Präsenz des Westens, zunehmend außer Kontrolle.
Die humanitäre Situation spitzt sich zu
Seit nunmehr sieben Jahren treiben Islamisten im gesamten Gebiet der Sahelzone ihr Unwesen.
Mit der Operation „Barkhane“ versucht Frankreich seit 2014 die Lage zu stabilisieren und den internationalen Terror zu bekämpfen. Aber auch wirtschaftliche Interessen wie die Sicherung von Ressourcenbeständen, insbesondere Erdöl und Uran, wecken das Interesse der Grande Nation. Im Nachbarland Niger fördert der Atomkonzern Areva seit Jahrzehnten Uran. Die Erfolge der französischen Intervention fallen jedoch ernüchternd aus. Dschihadistische Terrorangriffe steigen seit jeher kontinuierlich an und die humanitäre Situation für die Bevölkerung ist beängstigend. Besonders in Burkina Faso, einem Land, dass in der Vergangenheit relativ stabil war ist der Abwärtstrend in jüngster Zeit deutlich zusehen. Die Zahl der jährlichen Todesopfer stieg von 80 im Jahr 2016 auf 1.800 im Jahr 2019. Über fünf Millionen Menschen sind von der Krise betroffen, was einem Drittel der gesamten Bevölkerung entspricht. Fast 500.000 Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben und die Situation für die Flüchtlinge wird zunehmend schwieriger. Die Versorgungslage sowie die humanitäre Infrastruktur werden durch die Krise stark beeinträchtigt und führen dazu, dass circa 1.5 Millionen Menschen im Jahr humanitäre Hilfe in Form von Sicherheit, Ernährung und Beistand beim Bestreiten des Lebensunterhalts brauchen. Sexueller Missbrauch und Vergewaltigungen sind nur einige Gefahren, denen vor allen Frauen auf der Flucht hilflos ausgesetzt sind. Um die Lage ausreichend beurteilen zu können, reicht eine Fokussierung auf militärische Tatbestände allerdings nicht aus. Soziale und wirtschaftliche Probleme, der Klimawandel und Verteilungskämpfe sowie die Interessenpolitik verschiedener ausländischer Mächte, die in der Region aktiv sind, tragen zur Eskalation der Situation bei. 1) Blätter für deutsche und internationale Politik: Kampffeld Sahelzone (Olaf Bernau); 2. Auflage 2020 2) UNO Flüchtlingshilfe: Gewalt im Sahel, West- und Zentralafrika eskaliert weiter; Beitrag vom 29.02.2020 3) Care: Suffering in Silence: Zehn humanitäre Krisen, die 2019 keine Schlagzeilen machten; Beitrag nicht mehr verfügbar 4) Deutsche Welle: Frankreichs Interessen in Mali; Artikel vom 17.01.2013
Der Charakter des Konflikts verändert sich
Der Islamistische Terror begann in Mali und hat sich innerhalb der letzten Jahre auf die umliegenden Regionen ausgebreitet. Mittlerweile hat sich aber der Gehalt des Konflikts verändert. Nicht mehr nur religiöse Fanatiker unterstützen die dschihadistischen Gruppen, sondern zunehmend größere Teile der Bevölkerung. Inzwischen geht es immer mehr um soziale Probleme, aus denen die Islamisten Profit schlagen. Die katastrophale Wirtschaftslage begünstigt schlechte Gesundheits-, Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Die Notlage treibt die Menschen in die Arme von Hasspredigern, die ihnen Einkommen und Hilfe versprechen. Des Weiteren spielt der Klimawandel in der aktuellen Debatte eine entscheidende Rolle. Burkina Faso, aber auch die gesamte Sahelzone hat mit den Folgen der klimatischen Veränderungen zu kämpfen. Die Wüste breitet sich aus, die Temperaturen steigen und Regen kommt so gut wie keiner mehr. Durch diese Gegebenheiten beginnt ein Kampf um Ressourcen, der durch das rasante Bevölkerungswachstum verschärft wird. Dies führt zunehmend zu sozialen Spannungen unter den verschiedenen Volksgruppen und lässt alte Konflikte wieder auf erleben. Die Dschihadisten machen sich die Lage zunutze und versuchen bestimmte Parteien zu unterstützen, um ihren Einfluss auszubauen. Immer wieder kommt es zu Massakern zwischen unterschiedlichen Völkern, die sich beschuldigen mit den Dschihadisten gemeinsame Sache zu machen. Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass sich durch die wirtschaftliche Notlage und die klimatischen Veränderungen die Macht der Dschihadisten weiter ausbreitet und die Gewaltspirale zunimmt. 5) Blätter für deutsche und internationale Politik: Kampffeld Sahelzone (Olaf Bernau); 2. Auflage 2020 6) Tagesschau: Neuer Armeechef in Burkina Faso: Im Teufelskreis des Terrors; Artikel nicht mehr verfügbar
Was hat die Lage mit Europa zu tun?
Die Destabilisierung Burkina Fasos, aber auch die der gesamten Sahelregion kann weitreichende Folgen für Europa haben. Zum einen sind die Länder für viele Flüchtlinge Herkunfts- und Transitstaaten. Wenn sich die katastrophale Entwicklung fortführt, könnte sich das riesige Gebiet zu einem rechtsfreien Raum entfalten, indem eine Kontrolle der Migrationsströme unmöglich wäre. Zum anderen könnten durch die negativen Einflüsse der Sahelzone stabile Länder in Westafrika mitgerissen werden und in ihrer Entwicklung um Jahrzehnte zurückfallen. Um dem Aufkommen entgegenzutreten, forderte nicht zuletzt die deutsche Verteidigungsministerin Annegret-Kramp-Karrenbauer ein stärkeres militärisches Engagement der Bundeswehr. Hierbei existiert allerdings ein verzerrtes Bild über das Krisengeschehen. Der politische und mediale Mainstream konzentriert sich hauptsächlich auf ein Erklärungsmodell, indem die katastrophale Lage der Region auf islamistische Gruppierungen zurückzuführen ist, die durch schwache und korrupte Regierungen sowie wirtschaftliche Not an Einfluss gewinnen konnten. Um dem entgegenzutreten, braucht es selbstbewusstes militärisches Eingreifen. Dieses Wunschbild befreit uns vor jegliche Verantwortung für das soziale Desaster. Die Militäroperation Frankreichs und die komplexe Gemengelage zeigen deutlich, dass ein weiteres militärisches Eingreifen womöglich nicht den erhofften Erfolg bringen wird. Vielmehr braucht es lokale Friedensprozesse, die durch eine Dialogförderung vorangetrieben werden. Zudem muss mit finanziellen Mitteln der Ausbau von staatlichen Strukturen und der gesamten Infrastruktur unterstützt werden. Um die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern, müssen Maßnahmen zum Klimaschutz zum zentralen Bestandteil werden. Zuletzt bleibt noch zu erwähnen, dass Europa eine historische Verantwortung gegenüber dem afrikanischen Kontinent hat und seit Jahrzehnten eine gezielte Interessenpolitik verfolgt, die kontraproduktiv für die Entwicklung der Länder ist. Ressourcenbestände aber auch die Ausdehnung der EU-Grenze bis weit in den Kontinent spielen hier eine entscheidende Rolle. Diese skrupellosen Vorhaben müssen in Zukunft der Vergangenheit angehören. 7) NZZ: Sahel: Ein Desaster bahnt sich an – auch für Europa; Artikel vom 29.10.2019 8) Deutsche Welle: Frankreichs Interessen in Mali; Artikel vom 17.01.2013 9) Blätter für deutsche und internationale Politik: Kampffeld Sahelzone (Olaf Bernau); 2. Auflage 2020 10) Frankfurter Allgemeine: Terrorbekämpfung: Das Sahel-Trauerspiel; Artikel vom 14.01.2020
Fußnoten und Quellen:
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