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Was bringt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben zu suchen? | Bild: © earthlink e.V. [alle Rechte vorbehalten] -
Warum ein Krieg im Iran zu einer neuen Flüchtlingswelle nach Europa führen würde
Vor kurzem standen die Zeichen im Nahen Osten noch auf Krieg. Die USA und der Iran hatten sich in eine Spirale immer neuer gegenseitiger Provokationen begeben. Das US-Militär ermordete nahe Bagdad den iranischen General Kassem Soleimani durch Raketen. Daraufhin bombardierte Teheran zwei US-Stützpunkte im Irak. Doch am gleichen Tag schoss die iranische Luftwaffe auch versehentlich ein ukrainisches Passagierflugzeug ab, weil man es für einen US-amerikanischen Marschflugkörper hielt. Das Regime dementierte zunächst jegliche Beteiligung daran, musste aber nach einigen Tagen auf massiven internationalen Druck hin seinen Fehler zugeben. Nun steht die teheraner Führung in der Defensive, doch gebannt ist die Kriegsgefahr im Nahen Osten damit noch lange nicht. 1) Youtube: Tagesschau 20:00 Uhr, 11.01.2020; Video vom 11.01.2020
Seit dem Schuldeingeständnis der Regierung kommt es im Iran seit Tagen zu großen Protesten. Die Bevölkerung ist wütend, offensichtlich belogen worden zu sein. Die iranischen Revolutionsgarden versuchen den Widerstand einzudämmen und gehen hart gegen die Demonstranten vor. US-Präsident Donald Trump witterte nun seine Chance. Er sicherte den Protesten seine Unterstützung zu und warnte die Führung davor, Demonstranten zu töten. Das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran ist von einem tiefen gegenseitigen Hass geprägt und die Vereinigten Staaten sähen am liebsten einen Regimewechsel zu ihren Gunsten in Teheran. 2) Tagesschau: Nach Abschuss von Flugzeug: Iraner protestieren gegen Regierung; Artikel vom 12.01.2020 3) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018
Die Hoffnung auf einen Umsturz ist nicht unberechtigt. Gerade die iranische Jugend ist der Islamischen Republik gegenüber oft skeptisch und die schlechte wirtschaftliche Lage schürt Unzufriedenheit quer durch die ganze Bevölkerung. Schon öfter sind die Menschen in den letzten Jahren gegen die Führung auf die Straße gegangen, zuletzt im November 2019. Doch die Proteste wurden stets blutig niedergeschlagen. Während die einen immer wieder aufbegehren, steht aber ein Teil der Bevölkerung – vermutlich zwischen 10 und 25 Prozent – weiterhin hinter der Regierung, und die ist sehr geschickt darin, ihre Anhänger zu mobilisieren. Doch auch die Loyalität der Regimetreuen bröckelt im Angesicht der offensichtlichen Lügen der Führung. 4) Zeit Online: Proteste im Iran: USA drohen Iran nach Gewalt an Demonstranden; Artikel vom 22.11.2019 5) Youtube: 40 Jahre Republik Iran | Weltspiegel extra; Video vom 11.02.2019 6) ZDF: Orientalist Kermani: Proteste bei jedem Einzelnen „unter Lebensgefahr“; nicht mehr verfügbar 7) Youtube: heute journal vom 13.01.2020; Interview vom 13.01.2020
Obwohl alle bisherigen Aufstände ohne Erfolg geblieben sind, hofft man in Washington natürlich trotzdem, dass mit den jüngsten Protesten der erhoffte Regimewechsel endlich in greifbarere Nähe rückt. Gerade unter Präsident Trump, der unberechenbar und oft impulsiv agiert, wäre deshalb ein Eingreifen der USA im Iran durchaus denkbar. Trump sollte jedoch nicht den Fehler machen, zu denken, dass die Demonstranten alle „Amerika-Fans“ seien. Der Hass auf die Führung rührt in der Regel nämlich nicht von der Liebe zum Westen, sondern von der Unterdrückung durch die iranische Staatsmacht. Noch dazu sind US-Wirtschaftssanktionen eine der Hauptursachen für die iranische Wirtschaftskrise. Die meisten Iraner haben trotz aller Regimekritik einen großen Nationalstolz. Für den Fall, dass Trump, im Glauben die iranische Bevölkerung hinter sich zu haben, mit militärischen Mitteln einen Sturz der Regierung versuchen würde, dürften die meisten Iraner das wohl als Angriff auf ihr Land ansehen und sich im Zweifel wohl doch hinter die ungeliebte Führung stellen. 8) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018
Sollten die USA hingegen beschließen, der Opposition Waffen zu liefern, könnte das zu einem Bürgerkrieg führen. Nach den friedlichen Protesten gegen den pro-iranischen Diktator Baschar al-Assad in Syrien 2011 unterstützen die Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien oppositionelle Gruppen mit Waffenlieferungen und Geld. Sie hoffen, so die syrische Regierung durch eine ihnen wohlgesonnene ersetzen zu können. Doch diese „Rebellen“ sind vor allem dschihadistische und islamistische Gruppierungen. Die interessieren sich nicht für Demokratie und gehen mit den gleichen grausamen Methoden gegen die Menschen vor wie die Armee von Diktator Assad. Mittlerweite tobt in Syrien seit bald neun Jahren ein grausamer Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und den Assad-Unterstützern Teheran und Moskau. Hunderttausende Menschen haben das Leben verloren, Millionen Zivilisten sahen sich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, und das Land liegt in Schutt und Asche. 9) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018 10) Zeit Online: Syrien; Acht Jahre Krieg; Stand Januar 2020
Natürlich ist der Iran nicht Syrien. Zum Beispiel sind 90 Prozent der Iraner Schiiten, was es schwierig macht, das Volk mit Religion zu spalten. Dennoch zeigt der Syrien-Konflikt, welche katastrophalen Folgen das westliche Eingreifen mit sich gebracht hat. Sollte es zum Krieg im Iran kommen – in welcher Form auch immer – würde er lange und grausam sein. Es wäre ein weiterer Stellvertreterkrieg: Teheran ist mit Russland und China verbündet, die den Verlust ihres Einflusses nicht einfach hinnehmen würden, die USA wiederum hätten Israel und Saudi-Arabien auf ihrer Seite. Diese könnten allerdings selbst ins Visier der Iranischen Kriegsführung geraten, zum Beispiel durch Bombardements. 11) Lüders, Michael: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt; 2018 12) Auswärtiges Amt: Iran: Überblick; Artikel vom 25.06.2019
Die größten Leidtragenden wären aber die 82 Millionen Iranerinnen und Iraner. Ein Krieg würde viele von ihnen in die Flucht treiben. Zum Vergleich: Syrien hatte einst über 20 Millionen Einwohner, der Bürgerkrieg hat über 12 Millionen von ihnen aus ihrer Heimat vertrieben. Eine riesige Flüchtlingswelle würde auch vom Iran ausgehen. Einige dürften sicher in Nachbarländer fliehen, doch von denen sind die meisten sunnitisch regiert und damit keine gute Zuflucht für Schiiten. Folglich würde sich ein großer Teil der Geflüchteten auf den Weg nach Europa machen. 13) Auswärtiges Amt: Iran: Überblick; Artikel vom 25.06.2019 14) Auswärtiges Amt: Syrien: Überlbick; Artikel vom 25.07.2019
Es liegt also durchaus im Interesse der europäischen Staaten, einen Krieg im Iran zu verhindern. Präsident Trump ist unberechenbar, genauso wie die iranische Führung, die ja durch die Proteste unter enormem Druck steht. Es ist also vor allem an Europa, zu deeskalieren. Bisher kamen aus der EU jedoch nur mahnende Worte und der Aufruf zum Dialog. Für gewichtigere Schritte scheint die Angst vor der wirtschaftlichen Macht der USA zu groß. Als Donald Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigte und Sanktionen gegen das Land verhängte, hielt man in Europa zwar am Abkommen fest, die Sanktionen zu unterlaufen traute man sich jedoch nicht. Doch sollte es zu einem weiteren Krieg im Nahen Osten kommen, könnten die USA aus sicherer Entfernung zusehen. Die Konsequenzen müssten im westlichen Lager Saudi-Arabien, Israel und Europa tragen. Die beiden Nahost-Staaten als Ziele iranischer Bomben und die europäischen Länder als Ziel iranischer Flüchtlinge. 15) Youtube: Tagesschau 20:00 Uhr, 12.01.2020; Video vom 12.01.2020
Fußnoten und Quellen:
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