
Die Auswahl in deutschan Supermärkten ist groß, die Zahl der Menschenrechtsverletzungen dahinter auch | Bild: © Grafner - Dreamstime.com
Landgrabbing: Wie deutsche Lebensmittelhersteller Menschenrechtsverletzungen fördern
Essen müssen wir alle. Selbst wer kein Fan der Konsumgesellschaft ist, muss doch Nahrung zu sich nehmen und findet so alle paar Tage den Weg in den Supermarkt. Die Auswahl in den Regalen ist riesig – genau wie die Zahl der Menschenrechtsverletzungen, die oftmals hinter den bunten Verpackungen und großen Versprechungen steckt. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Studie „Agrarwirtschaft und Menschenrechte“ von Germanwatch und Misereor. 15 große deutsche Unternehmen der Agrar- und Ernährungsindustrie wurden auf die Wahrung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte untersucht. Das Ergebnis: Keine einzige Firma hält die Anforderungen ein. Es kommt zu Menschenrechtsverstößen unterschiedlichster Art. Dazu zählt unter anderem die Vertreibung von Bewohnern von ihrem Grund, um den Boden industriell nutzen zu können, auch Landgrabbing oder Landraub genannt. 1) epo: Studie: Agrarkonzerne tun kaum etwas gegen Verletzung von Menschenrechten; Artikel vom 15.01.2020

Sojaernte | Bild: © Alffoto – Dreamstime.com
Ein gutes Beispiel dafür ist die deutsche Fleischindustrie. Hierzulande werden jährlich circa 3,7 Millionen Rinder, mehr als 58 Millionen Schweine und etwa 680 Millionen Geflügeltiere geschlachtet. Die landwirtschaftliche Fläche in Deutschland reicht bei weitem nicht aus, um Futter für all diese Tiere anzubauen. Deshalb importiert man vor allem Soja aus Übersee. Etwa 4,5 Millionen Tonnen Sojaschrot kriegen unsere heimischen Fleischquellen jährlich zu fressen. Einen Großteil davon bezieht Deutschland aus Südamerika. Dort wurden innerhalb von nur zehn Jahren mehr als 24 Millionen Hektar Land zu Soja-Plantagen. Wald und Savanne mussten in gigantischem Ausmaß dem Anbau der gefragten Bohne weichen. Ein Ende der Praxis ist nicht in Sicht. Besonders schlimm ist die Lage in Brasilien. In den Medien wurde letztes Jahr ja ausgiebig über die Brandrodung des brasilianischen Regenwaldes berichtet. Die Ausweitung der Anbauflächen für Soja treibt dort Millionen Menschen in die Flucht. Wer nicht weicht, der wird mit Gewalt vertrieben. Sogar Indigene, deren Landansprüche die brasilianische Verfassung eigentlich garantiert, sind nicht vor der Expansion der gierigen Konzerne sicher. Den nun Heimatlosen bleibt nichts anderes übrig, als in die Armenviertel der Städte zu ziehen, wo sie ein Leben in Elend führen müssen. Die deutsche Fleischindustrie nimmt das billigend in Kauf, ja sie heizt diese Entwicklung mit ihrer Nachfrage sogar weiter an. 2) WWF: Soja als Futtermittel; Stand Januar 2020 3) Land-Grabbing: Futter statt Land; Stand 01/2020 4) WWF: Soja – die Nachfrage steigt; Stand 27.06.2018 5) Gesellschaft für bedrohe Völker: Landraub und Gewalt gegen Indigene im Regenwald; Stand Januar 2020

Palmölplantage | Bild: © Mingwei Chan – Dreamstime.com
In Südostasien hingegen wird der Regenwald vor allem für einen anderen, ebenfalls sehr begehrten, Rohstoff vernichtet: Palmöl. Palmöl steckt laut WWF in jedem zweiten Supermarktprodukt: In Lebensmitteln wie Margarine, Schokoaufstrichen, Speiseeis und Tiefkühlpizzen, aber auch in Reinigungsmitteln und Kosmetika. Weltweit wird es nachgefragt, denn es ist billig, geruchlos, geschmacksneutral und lange haltbar. Auch Deutschland importiert jährlich über eine Million Tonnen des tropischen Wunderöls, weitere 700.000 Tonnen kommen in Palmölprodukten verarbeitet ins Land. Der Deutsche verbraucht im Schnitt 17,6 Kilogramm Palmöl im Jahr. Genau wie Soja boomt auch Palmöl und so werden Millionen Hektar indonesischer und malaiischer Regenwald in Plantagen umgewandelt. Das geschieht meist durch Brandrodung oder illegalen Holzeinschlag. Die Bewohner des Waldes, in der Regel Indigene, müssen weichen. Mit Betrug und falschen Versprechungen oder mit Hilfe des Militärs wird sich ihrer entledigt. Die Menschen verlieren ihre Existenzgrundlage, wer als Tagelöhner auf den Plantagen arbeitet, führt ein Leben in bitterer Armut. Als einer der Hauptverbraucher von Palmöl macht sich Deutschland an dem Leid dieser Menschen mitschuldig. 6) WWF: Palmöl; Stand 31.07.2018 7) Rettet den Regenwald e.V.: Fragen und Antworten zu Palmöl; Stand 12.06.2018 8) Gesellschaft für bedrohte Völker: Palmöl ist keine Alternative: Ölpalmen für Blockheizkraftwerke bedrohen die indigenen Völker in Südostasien; Report August 2007

© Matt Gibson [CC BY-NC 2.0] – flickr
Ob man in Hamburg nun von der Vertreibung gewusst hat oder nicht, schon zu dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses war klar, mit was für einer Art von Regierung man es in Uganda zu tun hat. Dennoch hat man sich für das Geschäft entschieden. Jegliche Schuld aufgrund von Unwissen von sich zu weisen, ist verantwortungslos. Immerhin lieferte Neumann erst den Anlass dafür, dass die Bewohner ihre Heimat verlassen mussten. Selbiges gilt auch für die anderen deutschen Firmen, die Geschäfte in Ländern machen, aus denen man von Landraub und anderen Menschenrechtsverletzungen weiß. Egal ob es nun um Soja, Palmöl oder ein anderes Produkt geht. 12) Zeit Online: Kaffeehandel: Unsere Farm in Afrika; Artikel vom 28.08.2014
Um diesem Verhalten endlich etwas entgegenzusetzen, fordern Germanwatch und Misereor, genau wie zahlreiche andere NGOs und zivilgesellschaftliche Organisationen, endlich ein Lieferkettengesetz in Deutschland einzuführen. Großunternehmen wären dann entlang ihrer gesamten Produktionskette verpflichtet, Menschenrechte und Umweltstandards einzuhalten. Mit bestimmten Kontrollmechanismen soll die Einhaltung der Vorgaben überprüft und durchgesetzt werden. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung ist ein solches Gesetz vereinbart. Doch der Widerstand aus Wirtschaftskreisen ist groß, es wird massiv Lobbyarbeit gegen das Vorhaben betrieben. Und so ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Gesetz abgeschwächt oder gar gekippt wird, leider sehr hoch. 13) BME Verband: Neuer Nährboden für ein Lieferkettengesetz; nicht mehr verfügbar 14) Frankfurter Rundschau: Lieferkettengesetz: Menschenrechte: Sorgfältig verwässert; Artikel vom 12.11.2019
Fußnoten und Quellen:
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