![Mit monatelangen Massendemonstrationen zwingen die Demonstranten im Sudan erst den Diktator al-Baschir und dann Das Militär in die Knie. Im August einigten sich Militär und Opposition auf eine gemeinsame Regierung, am Tag der Unterzeichnung der Übergangsverfassung feierten die Sudanesinnen und Sudanesen ihren Erfolg im Regierungsviertel in Karthum. | Bild: © VOA [Public Domain] - Wikimedia Commons Mit monatelangen Massendemonstrationen zwingen die Demonstranten im Sudan erst den Diktator al-Baschir und dann Das Militär in die Knie. Im August einigten sich Militär und Opposition auf eine gemeinsame Regierung, am Tag der Unterzeichnung der Übergangsverfassung feierten die Sudanesinnen und Sudanesen ihren Erfolg im Regierungsviertel in Karthum. | Bild: © VOA [Public Domain] - Wikimedia Commons](https://www.fluchtgrund.de/files/2019/12/protest_01-713x400.jpg)
Mit monatelangen Massendemonstrationen zwingen die Demonstranten im Sudan erst den Diktator al-Baschir und dann Das Militär in die Knie. Im August einigten sich Militär und Opposition auf eine gemeinsame Regierung, am Tag der Unterzeichnung der Übergangsverfassung feierten die Sudanesinnen und Sudanesen ihren Erfolg im Regierungsviertel in Karthum. | Bild: © VOA [Public Domain] - Wikimedia Commons
Die Macht der Straße: Was wird aus der sudanesischen Revolution?
Lange hat man schon nichts mehr aus dem Sudan gehört. Dabei war das Land monatelang Thema in den Medien gewesen. Bilder von Demonstranten, die erst gegen Langzeit-Machthaber Omar al-Baschir und später gegen die Militärregierung protestierten, waren um die Welt gegangen. Mittlerweile ist das Thema jedoch aus den Nachrichten verschwunden. Wie steht es nun um die die sudanesische Revolution? Ist das Land tatsächlich auf dem Weg in die Demokratie oder doch in die Militärdiktatur?
Der Sturz des Omar al-Baschir
![Präsident al-Bashir | Bild: © UNIS Vienna [<a href="https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/" target="_blank" rel="noopener"><span class="cc-license-identifier">(CC BY-NC-ND 2.0)</span></a>] – <a href="https://www.flickr.com/photos/unisvienna/6830300506" target="_blank" rel="noopener">flickr</a>](http://www.fluchtgrund.de/files/2019/02/3435798438_ba2e82a0f9_z-343x228.jpg)
Ex-Präsident Omar al-Bashir | Bild: © UNIS Vienna [(CC BY-NC-ND 2.0)] – flickr
Aber das war den Demonstranten nicht genug. Sie glaubten den neuen Machthabern nicht, die versprachen, binnen zwei Jahren die Demokratie einzuführen. Stattdessen demonstrierten sie weiter. Das Militär gab dem Druck nach, verhandelte mit der Opposition und man einigte sich schließlich auf eine gemeinsame Übergangsregierung. Doch am 3. Juni kam es zu einem grausamen Massaker: Militärs beendeten einen friedlichen Sitzstreik in der Hauptstadt Karthum mit Gewalt. Dabei töteten sie über 100 Menschen und verletzten und vergewaltigten über 500. Der Militärrat kündigte die zuvor geschlossene Vereinbarung auf und wollte nun doch lieber alleine regieren. Nach einem Generalstreik und durch internationale Vermittlung musste er sich aber erneut mit der Opposition an den Verhandlungstisch setzen. Im August schließlich unterzeichneten beide Parteien eine Übergangsverfassung. Sie gibt dem gemeinsamen „Souveränen Rat“ und der neuen Übergangsregierung 39 Monate Zeit, um demokratische Wahlen zu organisieren. Danach sollen sie von der neuen zivilen Regierung abgelöst werden. 2) Zeit Online: Sudan: Der Schrecken kehrt zurück; Artikel vom 05./06.06.2019 3) Tagesschau: Achtteilung im Sudan: Parteien ebnen Weg für Übergangsregierung; Artikel vom 17.08.2019
Der Sudan steht vor großen Problemen
Nun hat sich der Staub gelegt, der Alltag ist wieder einigermaßen eingekehrt. Die Regierung hat ihre Arbeit aufgenommen – und sie hat viel zu tun. Denn die Wirtschaftskrise im Sudan bleibt ungelöst. 2011 spaltete sich der Süden des Landes vom Sudan ab, damit verlor Karthum drei Viertel seiner Erdölreserven. Eine Wiederbelebung der Landwirtschaft schlug fehl. Stattdessen trieben Korruption, Misswirtschaft und internationale Sanktionen die Abwärtsspirale voran. Al-Baschir, der stets selbst viel in die eigene Tasche gewirtschaftet hatte, heizte das System nur weiter an. Zwar ist mit ihm nun die Hauptursache beseitigt, doch noch immer lebt ein großer Teil der Bevölkerung in Armut. Die Infrastruktur und die Versorgung sind vor allem auf dem Land miserabel. 4) Zeit Online: Omar al-Baschir: Das Ende eines Diktators; Artikel vom 17.04.2019 5) Nordbayern: Nach der Diktatur keimt im Sudan die Hoffnung; Artikel vom 27.11.2019

Flüchtlingscamp Darfur Sud | Bild © Snyderdf Dreamstime.com
Hinzu kommen mehrere bewaffnete Konflikte. In der Region Darfur kämpfen seit 16 Jahren regierungstreue Truppen gegen Rebellen. Das Verhalten seiner Soldaten und Milizen hat Omar al-Baschir bereits einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes eingebracht. 2011 brachen auch noch Kämpfe in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil aus. Die Bevölkerung zählt sich dort kulturell eher zum Südsudan, eine versprochene Volksabstimmung über den Verbleib im Sudan fand allerdings nie statt. Die Lage für die Zivilbevölkerung in diesen Gebieten ist katastrophal. Hunderttausende sind bereits gestorben. Über 2 Millionen Binnenvertriebene gibt es, oft werden sie in den Flüchtlingslagern misshandelt. Zusätzlich gibt es noch 1,2 Millionen Flüchtlinge aus den Nachbarländern. 6) Welt: Haftbefehl in Den Haag: Der stille Völkermord des Omar al-Baschir; Artikel vom 17.04.2008 7) Auswärtiges Amt: Sudan: Innenpolitik; Artikel vom 29.08.2019 8) DW: Sudans vergessener Krieg; Artikel vom 15.02.2013
Auch der neu geschlossene Friede zwischen Armee und Opposition ist brüchig. Das Militär hat bereits gezeigt, wie widerwillig es sich die Macht teilt und der Gewalt hat es noch lange nicht abgeschworen. Im Gegenteil – General Mohamed Hamdan Dagolo, der nicht nur für das Juni-Massaker, sondern auch den Völkermord an 300.000 Zivilisten in Darfur verantwortlich ist, sitzt sogar im „Souveränen Rat“. Er gilt als mächtigster Mann im Sudan, auch wenn den Vorsitz des Rates ein anderer General innehat. Das Volk auf der anderen Seite hat die Gräueltaten der Armee noch lange nicht vergessen. Und so bleibt das Verhältnis der beiden Partner höchst angespannt. 9) BBC: Sudan Conflict: Army and civilians sign power-sharing deal; Artikel vom 17.04.2019 10) Süddeutsche Zeitung: Sudan – General ohne Gnade; Artikel vom 07.06.2019
Kommt die Demokratie?

Die Frauenrechtlerin Alaa Salah wurde zu einer Symbolfigur der sudanesischen Revolution | Bild © duncan d [CC BY-NC 2.0] – flickr
Gerade deshalb sollte die EU die Demokratisierung nicht nur halbherzig unterstützen. Da der Sudan auf einer großen Flüchtlingsroute liegt, hatte Brüssel zuvor al-Baschir unterstützt. Das hat allerdings nur dazu geführt, dass neue Fluchtursachen entstanden. Nun steht man natürlich an der Seite der Übergangsregierung, um endlich die Demokratie einzuführen. Bereits wenige Wochen nachdem die neue Regierung im Amt war, besuchte Bundesaußenminister Heiko Maas den Sudan und sagte Unterstützung und finanzielle Hilfe zu. Doch schon mit der Militärregierung nach al-Baschirs Sturz hatte Europa kaum Probleme gehabt. Zwar wurde stets zu einer friedlichen Lösung geraten, gleichzeitig aber General Dagolo als Garant der Stabilität in einer unruhigen Region gepriesen. Um Stabilität zu bekommen und Flüchtlinge fernzuhalten, ist Europa leider stets bereit, die Prinzipien der Menschenrechte zu ignorieren. Wohin das führt, lässt sich in Ägypten erkennen. Der diktatorisch regierende Präsident Abdelfattah al-Sisi verhindert freie Wahlen, lässt Kritiker monatelang einsperren, oftmals foltern, und verwehrt ihnen freie Verfahren. Dem Westen verspricht er Stabilität und gute Wirtschaftsbeziehungen und wird deshalb toleriert. Währenddessen steht das Land vor dem wirtschaftlichen Kollaps und die Armut wächst rasant. 13) Zeit Online: Omar al-Baschir: Das Ende eines Diktators; Artikel vom 17.04.2019 14) Tagesschau: Außenminister im Sudan: Maas sagt Hilfe zu; Video vom 03.09.2019 15) Süddeutsche Zeitung: Sudan – General ohne Gnade; Artikel vom 07.06.2019 16) Amnesty Deutschland: Ein Staat im permanenten Ausnahmezustand; Pressemitteilung vom 27.11.2019
Dabei hatte es in Ägypten genauso begonnen wie im Sudan: Der seit 30 Jahren regierende Diktator wurde nach Massenprotesten 2011 von der Armee gestürzt. Die versprachen freie Wahlen und im Freudentaumel glaubten die Menschen ihr. Die Übergangszeit war aber viel zu kurz, um eine demokratische Parteienlandschaft aufbauen zu können und nach drei Jahren Chaos war der ehemalige General al-Sisi neuer Präsident. Der setzte sofort alles daran, jeglichen Widerstand zu unterdrücken. 17) Lüders, Michael: Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet; 2015 Der Sudan hat nun die Möglichkeit, es besser zu machen. Das Volk hat sich nicht unterkriegen lassen und sich eine Beteiligung an der Macht erkämpft. Die Demokratie könnte tatsächlich kommen. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen und auch nicht ohne dafür zu kämpfen. Doch die Sudanesinnen und Sudanesen haben sich die Chance dazu verschafft. Sie können der Welt zeigen, dass man es auch in Afrika, das in unserem kolonial geprägten Denkmuster ja gerne als rückständig, korrupt und fragil wahrgenommen wird, schaffen kann.
Fußnoten und Quellen:
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